Neverending Vatertag inmitten von Corona. Auch eine Herausforderung. In 47 Lebensjahren habe ich das noch nicht erlebt. Und erzählte es Hanni. So von wegen, jetzt bin ich alt und du jung und für uns beide ist dieser Ausnahmezustand der erste in unser beider Leben. Was meinst Du dazu, liebe Tochter? „Na ja, Papa, irgendwann passiert es immer!“ Mein Satz zur Krise und zu allem, was noch kommen mag: Irgendwann passiert es immer!
Ich liebe meine Tochter und für diesen Kommentar sogar noch einen Hauch doller. Auch wenn das schwer ist, weil ich sie wirklich bereits sehr liebe. Machen wir uns also auf einiges gefasst, aber eins ist sicher: Irgendwann passiert es eben immer. Schulen dicht und der Kindergarten zu. Die Kernfamilie wird auf eine der härtesten Proben gestellt. Ohne Großeltern und dann auch noch Fastenzeit und kein Alkohol im Haus. Interessante Wochen. Aber bitte. Zur Überbrückung und zum Zeitvertreib noch ein ganz anderes Thema. Denn wenn ein anderer Satz in dieses Tagen gleichermaßen gilt dann: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Denn irgendwann passiert es immer!
Meine Tochter erzählt nämlich seit geraumer Zeit sehr langatmig. Corona hin, Virus her. Ich glaube, es geht noch schlimmer und langatmiger. Aber es ist deutlich langatmiger als noch vor einigen Monaten. „Der hat das gemacht und dann ist jenes passiert und stell Dir vor, die Sarah hat dann einfach dem soundso das und jenes aufs Heft geschrieben“. Und während wir auf den Gag oder den Höhepunkt der Geschichte warten und warten, ist die Story dann irgendwann auch schon wieder vorbei. Schnarch, schnarch, gähn, gähn, schnarch, schnarch. Ach so, es gab keine gar keine Pointe? Zumindest keine, die der Rest von uns hätten erkennen können? Ok. Dann mach einfach weiter, Hanni, lass Dich von unseren schläfrigen Gesichtern nicht irritieren. Ich vermute, es ist eine Phase. Ich hoffe vor allem, es ist eine Phase. Denn damit holst du dir im Leben auf lange Sicht nicht nur Sympathisanten an Bord.
Ich hatte nämlich einmal einen Freund, der erzählte immer alle Filme nach, die er gerade im Kino und TV angeschaut hat. Von der ersten Sekunde an, etwas durcheinander, an falschen Stellen detailverliebt und auch vor allem eines: Sehr weitschweifend und langweilig. Immer wenn er anfing, betete ich zu Gott, es mag uns jemand unverhofft stören und unterbrechen. Das will ich meiner Tochter ersparen. Also, dass andere auf Unterbrechung hoffen, nur weil sie mit ihren Stories anfängt. Aber ich glaube, das muss ich nicht, denn in ihrem Alter sind sie gerade alle so. Da schenkt niemand der anderen was.
Seit kurzem erzählen sie sich auch noch Witze. Es bin selbst kein guter Witze-Erzähler, aber das hab ich a) nie behauptet und bin dementsprechend sehr zurückhaltend, wenn in manchen Gesellschaften die Witze-Runde eingeläutet wird und b) ist das, was ich da zu hören bekomme, mit das Unwitzigste, was meiner Meinung nach seit langem unter dem Genre Witze geführt wird. Es sind gerne Fritzchen Witze. Das ist ja durchaus ein Witzecluster, das mich freut, weil es so old-school ist. Fritzchen und Klein-Erna. Auf dem Handy rumdrücken und Tablets wollen wie die Großen, aber Fritzchen- und Klein-Erna-Witze erzählen. Das ist so Retro und 70er, dass ich fast ein wenig heulen muss. Vor Rührung. Wären die Witze nur nicht so furchtbar schlecht.
Das Problem an diesen Witzen ist, dass auch sie sehr langatmig sind. Ähnlich wie die Geschichten aus dem Klassenraum oder dem Hort. Von der überschaubaren Pointe mal ganz abgesehen. Ich vermute auch, dass sie sich von Erzählerin zu Erzählerin immer etwas verfremdet haben. Das heißt, der Witz war vielleicht einmal sogar etwas witzig, aber da Kinder ein völlig anderes Verständnis von Witzigkeit haben, verändern sie ungewollt die Pointe, so dass am Ende ein rechter Quarres rauskommt. Ich verzichte jetzt auf Bespiele, denn das bringt uns an dieser Stelle auch nicht weiter. Aber wenn sie sich diesen zusammenhanglosen Nonsens mit offensichtlichen Brüchen erzählen, kichern sie sich regelmäßig einen ab. Ich glaube, sie finden das wirklich witzig!
Und kaum denken wir, es geht nicht lustiger, kommt Bruno um die Ecke und interpretiert diese Witze nochmal komplett für sich. Neu, radikal verkürzt und mit völlig neuer Wendung. In der Art: „Treffen sich zwei Skelette auf dem Friedhof, sagt das eine Skelett: Hey ich bin doch gar kein Skelett, ich bin doch ein Auto“. Und den gleichen Witz in sechs verschiedenen Varianten hintereinander. „… ich bin doch ein Haus“, „…ich bin doch eine Unterhose“. Na verstanden? Fünf Wochen! Ohne Kita und Schule. Ohne Alkohol. Das sind Nebenwirkungen von Corona, die hat so gar keiner auf dem Schirm. Aber gut: Irgendwann passiert es eben immer!
Bruno und ich hören: Kid Kopphausen „I“ (Trocadero Records)