Seit kurzem weiß mein Sohn nahezu alles. Egal, um was es sich handelt, er besitzt umfassende Kenntnisse zu, hat es angeblich bereits schon mehrfach gemacht oder es ist ihm einfach zugeflogen. Es weiß nur niemand so genau woher. Wir wissen allerdings, dass es dem Rest von uns hier in der Kernfamilie gehörig auf den Senkel geht. Es hilft jedoch nichts, er lässt sich nicht von seinem Kurs abbringen. Woher er dieses unbändige Vertrauen in sich und sein Hirn und Handeln hat? Keinen blassen Dunst. Von mir nicht unbedingt und meine Frau ist jetzt vielleicht in manchen Kreisen ob ihrer strengen häuslichen Regeln, nicht aber wegen ihrer großen Klappe bekannt. Das macht uns durchaus auch sympathisch. Finde ich.
Jetzt kommt aber Bruno. Und egal was wir ihm beibringen, erklären oder auf was wir ihn hinweisen wollen, er weiß es eben schon. Dazu streitet er anderes und vor allem jegliches Fehlverhalten vehement ab. Furchtbar! Ein sehr unangenehmer Verhaltenszug. Völlig aus dem Nichts. Kam wie ein Furz im Wind! Dafür bleibt es jetzt permanent. Wie der nervige Onkel auf der Hochzeitsfeier. Gerade eben schon wieder. Es vergeht eigentlich keine Stunde. „Bruno ! Wenn Du mit der Schere läufst, nach unten halten! Sonst ist das zu gefährlich!“ - „Weiße ich. Hab ich nicht gemacht.“ Er lief quer durch das ganze Haus, die Schere nach oben und gestolpert ist er auch noch. Aber er weiß es eben trotzdem bereits. Und meine Wahrnehmung ist seine schon mal gar nicht. Er hat es schlichtweg nicht gemacht. Und was soll mein Gelaber.
So geht es jetzt. Tagein , tagaus. „Bruno, soll ich Dir zeigen, wie Du am besten die Gurken schneidest?“ Bruno will immer mithelfen, egal wo, egal was, was ich im Grunde ja völlig ok ist. Aber nix mehr lernen. Nada. Er kann alles und hat es wiederholt ausgiebig praktiziert. In seiner Welt. Entsprechend „Nein, weiße ich!“, „Schau mal, ich zeig‘s Dir zur Sicherheit…“ „WEISSE ICH! Ich weiße es“. Was will ich überhaupt! Er weiß einfach alles. Wir fahren mit dem Auto und das Navi spricht mit uns und zeigt den Weg in bester Navigations-Manier. Dann Bruno. „Siri, sei ruhig. Das ist nicht der Weg!“. Seit kurzem kennen Hanni und Bruno Siri und sind schwer angetan. Aber das Navi hat mit Siri so viel am Hut, wie ich mit Johannes B. Kerner. „Bruno im Navi sitzt keine Siri, das ist eine andere Technik“. „Weiße ich! WEISSE ICH! Ich hab es trotzdem gemacht!“. Was soll ich dazu sagen… Wenn er etwas einmal kurzzeitig nicht weiß, dann muss er sich nur einfach einmal „konzgutieren“ - also konzentrieren - dann tönt er wieder „Ich weiße es!“. Das kann ja noch heiter werden.
Mein Sohn ist drei dreiviertel. Er kann ein bisschen so eine Art von seinem Namen krixeln, er zieht sich selbst schon die Hose aus und ist in der Lage die Stereoanlage laut und leise drehen. Er kapiert nicht annähernd den Unterschied zwischen Digital und Analog, er glaubt, sein Großvater könne alle Gangster der Welt fangen, ich wäre in der Lage, jegliche, von ihm konsequent und nachhaltig zerstörten Dinge wieder mit Sekundenkleber zu reparieren und kürzlich wollte er den Fernseher wie ein I-Pad bedienen. So viel zu seinem Sinn für Realitäten, Machbarem und seinem Verständnis zu Siri und jeglicher Form von künstlicher Intelligenz.
Vorgestern meinte bereits Hanni zu ihm „Bruno, mit Deiner Art wirst Du nochmal Schwierigkeiten bekommen.“ Die ist jetzt siebeneinhalb und erkennt sehr wohl, dass diese Strategie und dieser Charakterzug nicht auf Dauer von Erfolg gekrönt sein können. Zumal seine umfassende Alleswisserei auf einen ausgeprägten Zorn trifft. Dann nämlich, wenn einer von uns sein Wissen nur annähernd anzweifelt. Heute früh war nach Berichten meiner Frau absoluter Ausnahmezustand. Da behauptete er nämlich steif und fest der Wannsee wäre der größte See der Welt. Das wüsste er. Natürlich. Bruno hat seit geraumer Zeit eine engere Bindung zum Wannsee, da ihm nämlich der Großvater das Lied „Pack die Badehose ein“ beigebracht hat. Seit dieser Zeit glaubt Bruno, der Wannsee wäre das größte ruhende Gewässer auf diesem Ballon. Davon ist er nicht abzubringen. Im Gegenteil. Er wird laut, rechthaberisch und war wohl nur zu beruhigen, in dem ihm meine Frau zehnmal das Lied „Pack die Badehose ein“ vorspielte. Das erst besänftigte sein aufgebrachtes Gemüt. Ich befürchte, es ist nicht von Dauer. Denn er weiß es einfach!
Es gibt von der Band Primus den Song Mr. Knowitall. Der fiel mir beim Schreiben wieder ein.„They call me Mr. Knowitall – I will not compromise - I will not to be told what to do – I shall not step aside.” Der Song stammt aus dem Jahr 1990, ist also fast dreißig Jahre alt. Das nenn ich mal einen zeitlosen Klassiker. Er ist der Soundtrack für meinen Sohn. Wie gemacht für ihn. „Oder Bruno, was sagst Du?“ „Ja. Das weiße ich!“
Bruno und ich hören: Johnny Cash “American IV: The Man Comes Around“ (American Recordings)