Neverending Vatertag #71: Save the Date
Vor gar nicht langer Zeit erreichte mich eine Whatsapp mit einem kurzen knappen „Save The Date“. Sie kam von einem befreundeten Vater und hatte noch ein Bild in petto. Das Motiv konnte ich nicht erkennen, aber irgendwie bekam ich Bock. Hey, ein „Save The Date“. Kommt ja auch nicht mehr alle Tage vor und ich dachte ganz schnell weiter. Verdammt cool, bestimmt eine Party. Vielleicht von einem Vater nur für Väter! Oder mindestens irgendeine spektakuläre Punkrockband, die ich gar nicht mehr auf dem Schirm hab, feiert ein Comeback. Ich war voller Freude. Fast schon aufgeregt. Bis ich das Bild runtergeladen und scharf sah: Frankfurter Kinderlieder Konzert – Fredrik Vahle. Da war mein ganzer Enthusiasmus dahin. Puff. Wie ein Furz im Wind!
Ich behaupte von mir, dass ich ein Vollblutvater bin. Passioniert und leidenschaftlich. Ich bin für Etliches bereit und vorbereitet. Ich bin bereit für den Verzicht auf einige Eintracht Heimspiele. Zumindest auf so Manches. Ich bin bereit, Konzerte vor der letzten Zugabe zu verlassen, weil ich in der Früh die Kinder übernehme. Ich bin ready steady für maximales Peppa-Wutz-Spielen und Marathon-Zoo Mix Max mit Bruno. Und glotze wegen mir auch zum zehnten Mal die gleiche Bibi & Tina-Folge an der Seite von Hanni. Aber ich bin noch längst nicht so weit ein „Save The Date“ als Kurznachricht für ein Kinderlieder-Konzert von Fredrik Vahle in alle denkbaren Kanäle zu verschicken. So Hardcore bin ich noch lange nicht. Für alle Länder dieser Welt: I am not ready for Fredrik Fuckin Vahle! Und will es auch nie sein.
Ich mag den Vater, der mir die Nachricht schickte sehr gern. Er ist ein guter Typ und er führt mich an Dinge heran, um die ich mein ganzes Leben einen weiten Bogen gemacht habe. Gaukler, Jonglage, Zirkus von Bauwagen-Bewohnerinnen und Bewohnern. Ich höre den Großteil meines Lebens Punkrock, aber die ganze Szenerie drum herum war nicht immer mein Heimspiel. Zumindest nicht in der ganzen Breite. Anti-Fa-Falafel und besetzte Häuser. Gerne als Gast, dann aber auch wieder Ciao, Amigo Charlie Brown. Nichtsdestotrotz teile ich die politische Grundhaltung, ein bisschen mehr Struktur und einen Hauch an Ordnung darf es wegen mir dennoch gerne sein.
Aber ich spüre meine Kinder mögen das. Menschen in Pumphosen und ohne festes Schuhwerk. Die Dinge machen, die ihr Vater nicht kann und auch niemals mehr lernen wird. Völlig ok für mich. Ich wollte nie oben auf einer Menschenpyramide stehen und auch keine Feuerstäbe durch die Luft werfen. Die Bühne gehört Euch, ihr Vagabunden. Bitte ein Bier. Bei Fredrik Thunderbird Vahle ist das alles irgendwie anders. Mich strengt Vahle an. Schon immer. Seit meinem Studium und seit mir Menschen – auch wieder welche, die ich mag - USB-Sticks voll mit seiner Musik zur Geburt meiner Tochter schenkten. Sorry Freunde, ich habe sie nie komplett gehört und auch nur ganz kurz meiner Tochter vorgespielt.
Für alle die Fredrik Vahle nicht kennen: Der Mann ist so etwas wie der Peter Gabriel der Kindermusik. Er ist mittlerweile schon etwas älter und in einschlägigen Akademiker-Kreisen eine Ikone und Instanz. Er hat eine außerplanmäßige Professur in Mittelhessen an der Uni und allerlei Medaillien und Pokale für seine Songs abgeräumt. Sein größter Hit lautet „Anne Kaffeekanne“. Es ist sein persönliches „Livin’ on a Prayer“. Vahle ist wahrscheinlich genau das Gegenteil von Rolf Zuckowski. Wenn Zuckowski Pop ist, dann macht Vahle Prog-Rock. So ungefähr zumindest. Und nur mal am Rand: Auch Zuckowski zieht mir oft genug ob seiner schlichten Songstrukturen die Schuhe aus. Nur anders.
Ich spüre ganz tief in mir, ich müsste vielleicht Vahle noch eine Chance geben. Er baut seit jeher viele wichtige Dinge in seine Lieder ein und platziert Themen, wie Arbeitslosigkeit oder das Leben von Migrantinnen und Migranten in seinen Stücken. Auch steht er für vieles, was ich grundsätzlich nicht verkehrt finde. Aber er stammt auch aus einer anderen Welt, singt so manchen Quatsch und zumindest in diesem Fall strengt mich diese Welt oft an. Es kommt für mich kein richtiger Flow in seinen Stücken auf. So ist das ja manchmal auch mit dem Prog-Rock. Musik-Nerds jubeln, der Rest nimmt Reißaus. Erzieherinnen und Pädagogen juchzen auch bei Vahle, aber manchmal will doch der ganz junge Nachwuchs einfach drei Akkorde und ab durch die Torte. Oder etwa nicht?
Vahle spielt am 30.Oktober 2019 sein Konzert im Palmengarten. Danke für den frühen Hinweis. Ich befürchte ich habe was vor. Was, weiß ich momentan noch nicht genau. Auf jeden Fall nix da von wegen „Save The Date“. Ich muss es nur noch an Bruno vorbeischleusen, denn der singt seit kurzem permanent „Anne Kaffekanne“. Irgendjemand hat das im Kindergarten eingebracht und jetzt trällert er so gut er kann tagein tagaus „Es war einmal ein Mädchen, das hieß Anne. Die blies so gerne Trompete auf der Kaffeekanne …“ Dazu stampft er wie beim Circle-Pit durch das Wohnzimmer. Verdammt, Vahle, hab ich mich am Ende getäuscht? Zumindest die Rechnung ohne meinen Sohn gemacht? So leicht geb ich nicht auf. Aber Bruno geht ab, wie ich bei den Descendents in der Batschkapp irgendwann in den 90ern. Mist. Ich bin sprachlos.
Bruno und ich hören: Bilderbuch „Schick Schock“ (Maschin Records) & Fredrik Vahle „Anne Kaffeekanne“