© Ralph Rußmann
Neverending Vatertag 70 Silberdistil
Vergangenes Wochenende hat ein neues Gewerbe aufgemacht. Bei uns im Haus. Erstes OG. Im Zimmer rechts. Es ist der „Frisör Silberdistil“. Er wurde gegründet von meiner Tochter Hanni und einer ihrer Freundinnen. Binnen 24 Stunden hatte er bereit zwei Niederlassungen. Eine bei uns, die andere bei der Freundin um die Ecke. Respekt. Der Laden lief am Eröffnungswochenende gleich mal nicht schlecht. Zumindest bei uns im Haus. Mein Sohn war zunächst der beste Kunde. Ob er wollte oder nicht. Ich übernahm die Zeche, er ist ja noch nicht geschäftsfähig. Der „Frisör Silberdistil“ ist kein einfacher Friseur, er ist mehr eine Art Wellness- und Beauty-Salon. Und er bietet eine umfangreiche Palette zu ganz okayen Preisen. Meiner Meinung nach. Dazu gleich mehr. Ich lebe aber in Frankfurt, da kommt einem manches günstig vor, was anderorts den Menschen die Haare zu Berge stehen lässt.
Meine Tochter denkt sehr vom Kunden aus. Das zeichnet meiner Meinung nach durchaus diese neue Unternehmerinnengeneration aus. Da können wir Alten noch was von lernen. Sie hat zum Beispiel für jede Zielgruppe ein eigenes Magazin zur Entspannung bereit liegen. Für mich und alle Sportinteressierten das Magazin „11 Freunde“, für Frauen die „Flow“ und für Bruno und die Jüngeren unter uns „Bobo Siebenschläfer“. Das Angebot sieht unter anderem so aus: „Massage normal“, „Crem Massage“, „Rüken Massage“, „Kopf Massage“, „Hand Massage“, „Frisör“ und „Schminke“. Alles kostet 50 Cent, nur „Schminke“ 1 Euro. Ich vermute wegen des höheren Materialeinsatzes. Das sind sehr korrekte Kurse. Jeder kann sich das mal gönnen. Entspannung und Wellness muss also kein Luxus sein. Meine Tochter und ihre Freundin haben kein Crowdfunding betreiben müssen und auch keine Anschubfinanzierung für Existenzgründerinnen bei einem von uns beantragt. Das finde ich sehr löblich. Alles aus eigenen Ressourcen gestemmt. Ein vorbildliches Start-Up. Es macht vom Ansatz her die Umwelt vielleicht nicht besser und es steckt auch kein Hauch von Greta Thunberg im Projekt, aber es brummt. Und der Rest kann ja noch kommen.
Am zweiten Öffnungstag bekamen wir gleich Besuch und Hanni war schnell dabei ihre Dienstleistung an den Kunden zu bekommen. Hand Massage mit Crem. Meine Frau meinte, dass sie das doch bei Freunden auch bitteschön umsonst machen könne und nicht so gierig aufs Geld sein müsste. Da habe ich gleich mal Einspruch erhoben. Ich bin kein Kapitalist, ganz im Gegenteil, aber mir liegt was an der Konsequenz von Projekten. Geschäft ist Geschäft, Ehrenamt ist Ehrenamt. Was gibt das denn sonst für einen Sinn? Also wurde konsequent abkassiert. Dann fuhr sie zu den Großeltern nach Goldbach und ihr Geschäftskonzept nahm sie gleich mit. Auch das gefällt mir. Den Schwung mitnehmen und verbreiten. Sie kam zurück mit einem gesteigerten Umsatz von nun insgesamt 10 Euro und 40 Cent. Ich vermute mal, es gab auch Trinkgeld und Großvater hat jetzt Hände, als hätte sie Tilly in Palmolive gebadet.
Auch Ende der ersten Geschäftswoche hält der Boom an. Seit vorgestern ist auch die Nachbarstochter mit an Bord. Nennt man das jetzt schon „skalierbar“? Puh, keine Ahnung. Auf dem Gebiet der Skalierbarkeit bin ich nicht der Fitteste. Aber egal wie, ich befürchte, dass sie sich dabei verhebt. Zu schnelles Wachstum und das auch noch auf engstem Raum. Ich habe den Eindruck, dass sich das Filialsystem schneller verbreitet als die Zielgruppe und sie ihr Engagement wieder ein wenig mehr in die Akquise stecken müsste. Die Schicksale der Firmen, denen es ähnlich ging, sind ja bekannt. Die Kette „Vapiano“ geriet auch in eine ordentliche Schieflage. Überall Filialen und plötzlich kein Umsatz mehr. Und 10 Euro 40 sind weiß Gott noch kein ausreichendes Polster um auch eine schwere Krise zu meistern. Ich muss mal mit ihr sprechen, wäre schade wenn der „Frisör Silberdistil“ den ersten Monat nicht überstehen würde. Das Konzept ist so ausgeklügelt.
Bruno und ich hören: Beachheads „Beachheads“ (Fysisk Format)