© Ralph Rußmann
Neverending Vatertag #67: Wasser kommt, Wasser geht
Ich bin ein großer Fan der US-amerikanischen Serie „This Is Us“. In jeder Folge muss ich mindestens dreimal sehr aufrichtig lachen und immer mindestens einmal genauso aufrichtig weinen. Seit ich zweifacher Vater bin, muss ich nämlich vergleichsweise häufig weinen und bin bedenklich nah am Wasser gebaut. Vorher war ich nicht unbedingt Chuck Norris. Nur um das klar zu stellen und falls den überhaupt noch jemand kennt. Aber ich musste sehr selten heulen. Eigentlich fast nie. Warum weiß ich auch nicht. Hatte ich mir nie vorgenommen. Manchmal war ich traurig, manchmal fröhlich. Geheult habe ich nur in Ausnahmefällen. War einfach so.
Jetzt weine ich schon fast, wenn in der Nachbarstraße irgendjemand dem Hund über den Schwanz fährt und der jämmerlich jault. Dabei mag ich Hunde überhaupt nicht. Ich bin aber seltsam berührt, weil ich mir plötzlich vorstelle, dass der Hund bestimmt ein einsames Herrchen hat und die Töle der letzte verbliebene Freund dieses Menschen ist. Nun leider nur mit kaputtem Schwanz. Dann kommt der Hund heim, das Herrchen weint und spätestens dann muss ich auch ein wenig schluchzen. Oder ich muss flennen, wenn ich nur daran denke, dass ich meinen Sohn demnächst aus der Krabbelstube verabschieden muss. Dieser große Abschied von so vielen Menschen und Erzieherinnen mit denen ich so wunderbare Fachgespräche geführt habe. Schluchz, schluchz, schnief, schnief. Mich rührt nahezu und einfach alles an. Fürchterlich. Welches Hormon hat bei mir nur so ausgiebig ausgeschüttet?
Ich bin damit glücklicherweise nicht allein. Ich führte einmal ein Interview mit JudithHolofernes und der ging es nachdem sie Mutter wurde ganz genau so. Die sagte nämlich „Ja, ich kann nichts mehr gucken... Dr House habe ich abgebrochen, mitten in der Folge mit den neugeborenen Sechslingen. Homeland hat mich für Wochen fertig gemacht. Breaking Bad habe ich gar nicht erst angefangen!“ Na da schau her. Ein Glück speichere ich alles ab, sonst glaubt mir wieder niemand. Im Hause Holofernes ist bei TV-Abenden alles noch viel schlimmer. Bei mir ist es nur die Serie „This Is Us“. Die hat es aber in sich. Zumindest in meiner Welt.
Die Serie „This Is Us“ ist in den Staaten eine echte Hitrakete und bricht alle Rekorde. Hierzulande holte sie leider ein paar wenige und sonst niemanden hinterm Ofen hervor. Jetzt ist sie über ein paar Hintertüren bei dem Sender Sixx gelandet. Dass es diesen Sender überhaupt gibt, wusste ich bislang nicht. Jetzt bin ich froh, dass ich ihn gefunden habe. „This Is Us“ ist eine sogenannte Dramedy. So heißt das ja seit einigen Jahren. Lachen und Weinen, immer eng beieinander. Das zieht in der Regel noch den hartnäckigsten Ochsen aus dem Stall. Nur nicht in diesem Fall. Da rufen jetzt wieder die Kulturkritiker „Siehste mal, nicht jeder Bockmist aus diesem kranken Land funktioniert hier bei uns“. Doch das stimmt leider überhaupt nicht, denn der größte US-Bockmist funktioniert ja und keine Amerika-Schmonzette ist den Deutschen manchmal schmonzettig genug. „This Is Us“ ist aber überhaupt keine Schmonzette.
„This Is Us“ ist eine einzige große Hommage an die Familie, die Liebe und das Vatersein. Ich habe selten so viele gute Väter gesehen, wie in dieser Serie. Väter, die für ihre Familie alles tun würden, ohne sich dabei zum Hornochsen zu machen. Es geht um Annahme der Kinder egal wie schräg oder dick sie sind, um Werte, um Entscheidungen treffen, aufs Herz hören und füreinander einstehen. Herrje, wie toll ist diese Serie. Allen voran steht Jack Pearson. The new Godfather of Fernsehväter, aber der Rest ist auch nicht von schlechten Eltern. Ich empfehle allen Familien und vor allem Vätern dieses Juwel unter den Dramedys.
In einer der letzten Folgen verlor einer der anderen Protagonisten seine Orginal 1977er Star Wars-Figuren. Chewbacca, Skywalker, Solo. Nur damit wir uns richtig verstehen: Die Original-Figuren. Von der Firma Kenner. Sie alle landeten aufgrund eines Missverständnisses über eine Art Ebay Kleinanzeigen für gerade mal 10 Dollar bei einem ungefähr 16-Jährigen Nerd. Der wollte sie auch nicht mehr rausrücken. Ein Drama. Und ich will nicht weiter in die Tiefe gehen. Aber da fiel mir ein, dass mir genau diese Figuren irgendwann um mein 20tes Lebensjahr verloren gegangen sind. Die Originale. Von der Firma Kenner. Ein ganz echtes, reales Drama. Ich will meinem Sohn eine stattliche Anzahl Fußball-Trikots vererben. Und meine beiden Evel Knievels. Meine Tochter bekommt im Gegenzug alle Bandshirts. Aber diese Figuren wären ein wirklich großer Nachlass gewesen. Da stiegen mit schon wieder die Tränen in die Augen. Meine Güte. Was das Vatersein und die Hormone so alles bewirken!
Bruno und ich hören Sugar „Copper Blue“