© Ralph Rußmann
Neverending Vatertag #63: Kochsalzspülung
Gerade noch der festen Überzeugung, ich hätte alles gegeben und aufgeschrieben, da fiel mir noch ein blitzeblankes Hausmittel in die Hände. Gerade wie Schuppen aus den Augen. Aus aktuellem Anlass. Ach was red’ ich, ich habe es jeden Abend im Einsatz. Von wegen aktuell. Dieses Mittel ist in unseren Heavy Rotations wie bei unserer Tochter weiland der Zwiebelsack. Nur noch viel heavier. Aber manchmal ist das Naheliegende ist eben doch nicht immer das Naheliegende. Gelle. Aber mal langsam, sonst kommt ja keiner mit.
Ich weiß gar nicht mehr genau wann, aber plötzlich hatte Bruno ausschließlich eine dichte Nase. Schnupfennase galore. The Schnupfennase Blues Explosion sozusagen. Alle Mittel aus der Hausmanns-Kiste verpufften, wie die Versuche zwischen England und der EU einen vernünftigen Deal zustande zu bringen. Mittlerweile hörte Sohnemann sogar noch schlechter als damals mein Großvater Paul. Entsprechend schwerfällig entwickelte sich auch sein Sprachvermögen. Verrückt, wie das immer alles zusammenhängt. Nase und Nebenhöhlen zu, Ohren dicht, nix hören, nix verstehen, keine neuen Worte. Eltern verzweifelt. Also wieder mal Augen auf nach einem klugen Rat. Ohne gleich in Panik zu verfallen. Denn Nasenspray soll ja niemand mehr nehmen. Oder nur ganz kurz. Fast so schlimm wie Koks oder Crystal Meth. Hört man zumindest auf Arzt und Apothekerin. Aber kaum war seine Nase frei und das Spray im Wandschrank verstaut, schien es als habe jemand beide Nasenlöcher wieder mit Blitzbeton abgedichtet. Oder Konrads Spezialkleister extrastark geträufelt. Furchtbar. Jede Nacht mehrfach aufrecht im Bett. Alle. Außer Hanni. Und ich sah mittlerweile aus wie Jürgen Prochnow.
Dann kam Hilfe und das ganz ohne zu beten. Ein alter schlauer Arzt empfahl diese Wunderwaffe. Eine ganz gepflegte Salzwasser-Lösung. Selbstgebraut. Echte hippe Craftwerkskunst. Ein gestrichener Esslöffel einfaches Kochsalz oder feines Meersalz mit einem Liter Leitungswasser mischen, ordentlich rühren, in der Apotheke eine Pipette samt Flasche kaufen, abfüllen, in den Kühlschrank stellen und jeden Abend den Riechkolben ordentlich damit bedienen. Zwei Pipettenfüllungen in jedes Nasenloch dürfen es durchaus sein. Viel hilft viel. Nach einer Woche neu anrühren. It’s Magic! Kann da jeder nur staunend rufen. Nase frei, Ohren und Trommelfell wieder mit ausreichend Spiel und plötzlich schaute auch Bruno wieder in die richtige Richtung, wenn wir ihn riefen. Salz. Wasser. Eine Pipette. Keine Chemie. Warum schwierig, wenn es auch einfach geht. Hilft gar nichts mehr, einfach auf mich hören und eine Salzlösung abends nasal einführen. Kostet nichts, keine Nebenwirkung. Obwohl eine: Bruno redet mittlerweile fast so viel wie seine Schwester. Wir machen trotzdem weiter. Jeden Abend.
Bruno und ich hören: The Thermals „The Body, The Blood, The Machine“ (Sub Pop)