© Ralph Rußmann
Neverending Vatertag #62: Haustiere
Eben noch gedacht, das Gröbste wäre geschafft, wird schlagartig klar: Es geht immer weiter, immer doller. Vorgestern früh wollten beide Kinder ein Haustier! Völlig aus dem Nichts. Sie saßen kurz vor sieben im Badezimmer nebeneinander und taten lautstark ihre Forderung und ihren Unmut kund. Unfair und so. Wir hatten das Thema bereits beim Tablet. Jetzt ging es um die Haustiere. Sie haben keine und das ist natürlich überhaupt nicht gerecht. Wie so manches sonst noch in ihren Augen. Dass ich, nach zwölfmal „Flieger machen“ und beide abwechselnd in der Luft balancierend, nicht einfach nochmal zwölf weitere Akrobatik-Nummern draufsetze. Völlig unfair. Abends um halb acht. Wurscht, ob ich schon einen tauben Rücken habe. Oder einen Krampf im Bein bekomme und eh steif wie ein Bock bin. Oder kein Eis zum Frühstück. Unfair, ungerecht, einfach nur blöd. Jetzt Haustiere. Wortführerin der Pro-Haustier-Bewegung war meine Tochter, Bruno folgte ihr ohne groß nachzudenken. Egal ob Flieger, Eis oder Haustiere, Bruno reiht sich treu wie ein Volksgenosse ein in den Protestmarsch.
Das Problem an der Sache ist vor allem ein ganz fundamentales. Noch viel weniger als fremde Kinder in meinen vier Wänden mag ich nämlich Haustiere in der Stube. Ich kann mir sogar fast nichts Schlimmeres vorstellen. Es gibt ein paar ganz wenige Tiere, die würde ich mir noch angehen lassen. Goldfisch zum Beispiel. Aber die dürfen glaub ich nicht mehr in so ein Glas und dann wird es schon wieder schwierig. Aquarium füllen, reinigen, füttern, furchtbar. Dann noch eine Schildkröte. Da lass ich auch gerne noch den einen oder anderen Gedanken drüber kreisen. Ich hatte selbst bestimmt 15 Jahre eine Schildkröte. Vielleicht sogar noch länger. Meine Schildkröte war das einzige Tier, das meine Laissez-faire-Haltung in Sachen Fürsorge überlebte. Hamster, Kanarienvögel, sie alle gingen eher früher als später über den Jordan. Ich bin mittlerweile, glaube ich, ein ganz okayer Vater, aber ich war ein völlig katastrophaler Tierbesitzer.
Vielleicht wäre es jetzt, mit mehr Lebenserfahrung, dem Nachwuchs und mit wachsender Reife besser. Das mag sein. Allein, ich will es nicht auf die Probe stellen. Ich wiederhole nochmal: Ich mag keine Haustiere. Tiere in freier Wildbahn. Sehr gerne. In den eigenen vier Wänden fährt mir dagegen der blanke Schreck in die Glieder. Mein Glück: Meine Frau bläst hier markant ins gleiche Horn. Dazu hat sie sich als richtigen Schutz noch eine Tierhaarallergie zugelegt. Verdammt schlau und abgebrüht. Haustiere stinken, machen Dreck und sind am Ende des Tages nie ganz unter Kontrolle zu halten. Hhmm, wenn ich so nachdenke, trifft das auch manchmal auf meine Kinder zu. Anyway.
Da saßen sie jedenfalls vor der Heizung auf ihren beiden Hockern und glotzten mich fragend an. Ein Kind wollte einen Hund und das andere ein Pferd. Ich weiß noch nicht mal mehr, wer von beiden was vehement einforderte. Ich glaube sogar, Bruno war das mit dem Pferd. Um bei seiner Schwester gut da zu stehen. Oder weil sie ihn völlig auf den Bibi und Tina Trichter gehoben hat. Bruno rennt am Tag mehrfach wie eine gezündete Rakete mit dem Steckenpferd durchs Haus, ruft „Hüa“, wiehert und säuselt dann sanft „Ganz ruhig, Maharadscha“. So heißt ein Gaul aus der Serie. Bruno ist ein richtiger Fan! So viel Leidenschaft für ein Thema finde ich ja auch wieder gut. Andererseits habe ich am Morgen einfach mal eine Schnellrecherche gemacht. So ein Pferd kostet laut Google zwischen 1.500 und mehreren 10.000 Euro. Ich vermute die Pferde für 1.500 Euro können nicht mehr laufen, sterben bald oder sind schwer vermittelbar. Dann kommen noch die Kosten für einen Pferdeflüsterer, den Pferdebestatter oder einen neuen Tamme Hanken obendrauf. Ein Schnapp ist das nicht!
Ich spielte das Spiel dennoch mit ihnen durch. Pferd im Garten zum Grasen, kein neues Auto, stattdessen alle kommenden Urlaube nur noch mit dem Pferd. Auch die größeren Einkäufe hoch zu Ross. Ein großes Hurra. Das fanden sie auch noch witzig. Das Problem ist aber doch noch ganz was anderes. Machen wir uns nichts vor. Eine Woche hält der Zauber an, egal welches Tier wir anschaffen, und dann machen wir Eltern den ganzen Dreck weg. Hamsterpisse, Katzenklo, Hundehaare. Da hat doch ein Kind so wenig Lust drauf wie auf Zähneputzen (siehe #61). Nein, nein. Ohne mich und ohne meine Frau. Wir setzen für unsere klare Haltung auch Freundschaften aufs Spiel. Und vielleicht schenken wir einfach den Großeltern eine Katze zu Weihnachten. Und für die Kinder hier in Frankfurt taugen allemal Wauzi und die Glubschi-Schildkröte aus Stoff. Das ist doch eine Win-Win-Situation für alle.
Bruno und ich hören: Fireside „Do Not Tailgate“ (Startracks/ American)