© Ralph Rußmann
Neverending Vatertag #57: Fachgespräch
Heute früh hatte ich ein Fachgespräch mit einer von Brunos Erzieherinnen. Ich mag Brunos Erzieherinnen. Und ich mag die Fachgespräche mit Brunos Erzieherinnen. Es ging nicht um Erziehungstipps und auch nicht um Kinderentwicklung. Es ging schlichtweg um Windeln. Nicht ums Wickeln. Einfach um das Produkt „Windel“. Art, Größe, Passform und Qualität. Im Nachgang zum Gespräch fielen mir zwei Dinge auf. Ding eins: Hätte mir irgendjemand vor gut sechs Jahren gesagt, dass ich mal ein Fachgespräch über Windeln führe, hätte ich ihn gefragt, ob bei ihm noch sämtliche Hirnkreisläufe sachgerecht gesteckt sind. Ding zwei, und das ist noch viel entscheidender: Ich habe plötzlich mit Mitte 40 eine ganze Reihe neuer Fachgebiete, bei denen ich ordentlich mitquatschen kann. Und wenn ich hier schreibe „ordentlich mitquatschen“, dann meine ich auch „ordentlich mitquatschen“. Nicht so Blablabla und letzten Endes vom Tuten und Blasen keine Ahnung. Ich habe ein paar Themen auf der Pfanne, da hab ich bereits einige Runden an Gedanken drüber gedreht und mir eine fundierte Meinung gebildet. Da staunen der Fachmann und der Kenner erst recht.
Beim Thema Windeln gab es heute einen konkreten Anlass für den Austausch. Denn manchmal hält die Windel Brunos strammer Pipiproduktion in der Nacht oder beim Mittagsschlaf nicht Stand. Das macht dann vor allem am Morgen viel Arbeit und kostet Zeit. Und vor allem Zeit fehlt um 6 Uhr an allen Ecken. Dann muss alles abgezogen und gewaschen werden und vorbei ist es mit der ersten Herrlichkeit. Das liegt aber nicht alleine an Bruno – Bruno kann ja noch nichts für, der muss einfach und dann geht’s rund im Staate Praunheim – sondern hängt auch ab von der Windel und ihrer Kapazitätsgrenze. Denn, und Achtung, jetzt startet der Kurzvortrag: Eine Windel ist nicht wie die andere. Und die Größen von Windeln sind schon mal gar nicht vergleichbar.
Pampers beispielsweise sind sehr schmal geschnitten. Geradewegs so schmal, als habe ein Italiener die Schnittmuster gefertigt. Eine Größe 5 bei Pampers ist allemal eine 4+ bei der Hausmerke von dm, eher eine 4. Da soll noch einer durchblicken. Wäre ich Gast aus einem fernen Land und bräuchte Windeln in Deutschland, ich hätte eine ganz schöne Krawatte. Die Überregulierung aus Brüssel mag vielen und auch mir ein Dorn im Auge sein. Aber bei den Windeln könnte irgendein EU-Minister gerne mal auf die Herdplatte hauen. Anstatt sich um das Schoppen-Maß zu kümmern, soll die Energie besser auf die wichtigen Dinge gelenkt werden. So aber werden wahrscheinlich tagaus tagein Brüsseler Pralinen gefuttert und dumm aufs Atomium geglotzt. Oder so ähnlich. Derweil macht hier jede Firma, was sie will und vergibt ihre Größen, als wären wir beim Hornberger Schießen. Und noch was: Pampers als Mercedes unter den Windeln ist aus meiner Sicht keinesfalls sein Geld wert. Pampers tragen ist ein reines Image-Thema. Wie Polohemden von Ralph Lauren oder Unterhosen von Tommy Hilfiger.
Dazu bringt die Firma Pampers aus meiner Sicht einen ganzen Stall voll unnötiger Innovationen auf den Markt. Zum Beispiel eine neue Form des Windelslips bereits für Babys. Der soll vor allem beim Krabbeln und bei der Bewegung des Kindes besonders anpassungsfähig sein. Sagt die Werbung besonders schlau im Fernsehen. Mit Verlaub und unter uns: Das ist ganz schöner Kackmist! Denn bleiben wir gerade beim Stichwort, hier meine Frage: Wie hirnrissig ist das denn bitte? Wie viel komplizierter wird denn das Wickeln beim großen Geschäft, wenn die Windel plötzlich nicht mehr an der Seite aufgemacht werden kann, sondern eine ganze Hose ausgezogen werden muss. Das brauchen weder Mutter noch Vater und schon gar kein Baby, das von sich aus noch keine Anstalten macht eigenständig aufs Klo zu wollen. Sieht denn hier irgendjemand den Bedarf, außer irgendwelchen Produktentwicklern bei Pampers? Und jetzt bitte nicht aufregen, denn ich zitiere nur aus dem Film „Kill Bill II“ und hier in Anlehnung: „Das ist so nutzlos wie ein Arschloch am Ellenbogen!“ Da stimmte mir natürlich auch Brunos Erzieherin zu. Ohne, dass ich „Kill Bill“ anführen musste.
Das ist nur ein Beispiel von vielen. Ich habe Themen im Revers meiner Weste, von denen wusste ich selbst nicht, dass sie Bedeutung haben. Einkochen, Kamillenbäder bei Entzündungen am Piephahn, Babynahrung von Aptamil. Andere referieren über Motoren, Auto und Rennsport. Ich stehe in Diskussionen über Mittagsschlaf, Beulen heilen und Zinkcreme bei wundem Hintern meinen Vater. Das sind alles langweilige Themen und damit gewinnt kein Mann einen Blumentopf in der Disco am Eck? Das mag alles sein und ist auch überhaupt nicht meine Frage. Gelle. Diese Themen kamen einfach durch die Eingangstüre in meinen Kopf und plötzlich kenne ich mich sehr fundiert damit aus. Diese Themen sind nicht besser und schlechter als andere, ich bewege mich einfach nur sehr sicher mit und in ihnen. Das fiel mir auf. Heute Früh in der Krabbelstube. Im kurzen Fachgespräch zwischen Fachfrau und Fachmann.
Bruno und ich hören: Pixies „Surfer Rosa“ (4AD)