
© Ralph Rußmann
Neverending Vatertag: #54 Kleine Ode ans Vatersein
Ich bin dauerhaft, wahrscheinlich chronisch müde und nicht selten genervt. Manchmal schreie ich aus tiefstem Zorn, dass die Bude scheppert und hoffe dann, das Jugendamt fährt gerade keine Streife. Meine Kinder bringen mich in Zonen fern aller Vorstellungskräfte. Aber ganz am Ende des Tages, wenn der Coyote jault und der Metzger die Auslage wischt, ist eine Sache sonnenklar. Falls jemand jemals Zweifel hatte: Ich bin gerne Vater. Sehr gerne sogar. Ich bin vielleicht sogar nichts lieber im Leben als Vater. Vater ist mein Job. Es ist wahrscheinlich der Job, nach dem ich knapp vier Jahrzehnte gesucht habe. Schlagzeuger in einer Punkrockband? Hm, ja ok, das wäre auch noch eine Nummer. Aber ich kann ja noch nicht mal Schlagzeug spielen. Und überhaupt: Hätte ich die Qual der Wahl, ich wäre mittlerweile sogar lieber Vater. Mehr geht nämlich nicht. Vater sein ist eine ganz großartige Nummer.
Beispiel gefällig? Selbstverständlich. Vor zwei Wochen kam ich von einer zweitägigen Tagung mit Übernachtung nach Hause und beide Kinder stürmten in völliger Euphorie auf mich zu. Umarmen, drücken, „Juchu“ und „Juchei“! Ekstase und Begeisterung galore. Wo erlebst du das denn sonst noch 2018? Im Büro gibt’s ab und an noch ein ordentliches „Guten Morgen“, wenn es ganz gut läuft, lacht manchmal noch jemand, wenn sie oder er dich sieht. Der Rest schaut, als habe er im Lotto-Toto-Rennquintett die kompletten Ersparnisse auf den lahmen Bock gesetzt und entsprechend alles verloren. Und die Bildzeitung tut tagein tagaus nur noch so, als haben die Islamisten bereits die ganze Republik unterwandert und das Abendland sei sowieso schon verloren. Miese Stimmung vom Scheitel bis zur Sohle und die Rente ist schon lange nicht mehr sicher. Hier stürmen jedoch zwei Menschen auf mich zu, als habe ich das Siegtor im Championsleague-Finale geschossen. In der letzten Minute wohlgemerkt. Eingenetzt, Abpfiff, her mit dem Pokal. Da heißt die Parole nicht „King for a Day, Fool for a Lifetime“, sondern sie wird genau umgekehrt ins Familienbuch geschmiert. Das nenn’ ich mal positive Vibrations.
"King for a Lifetime, fool for a Day!" Sicher, ich werde manchmal beschimpft, es begegnen mir blanke Wut und üble Launen. Ich treffe allerdings auch unbeliebte Entscheidungen. Kein Eis abends um acht zum Beispiel. „WRM?“ fragt Bruno, wie er neuerdings bei allem „WRM?“ fragt. So hip wie alle Hipster der Stadt Frankfurt das Bahnhofsviertel nur noch mit BHFSVRTL abkürzen. „WRM? WRM? Weils acht Uhr am Abend ist, Sohnemann mit dem dicken Bauch. Da wird kein Eis mehr gegessen, nirgendwo. Noch nicht mal bei Familie Flotter!“ Dann bekomme ich Attacken. Dicke Tränen. Unverständnis. Aber sonst. Abholen in der Krabbelstube? Football is coming Home! So wurde die Nationalmannschaft noch nicht mal nach Rio empfangen. Das freut den Herrn Papa.
Ich bin auch auf wenig so stolz wie auf meine beiden Kinder. Das geht vielleicht auch anderen Vätern so. Mag sein. Vielleicht ist auch mancher Architekt so stolz auf seine Bauten. Das kann sein. Doch ich bin im Fotofinish noch viel stolzer. Stolz, stolzer, am Stolzesten. Einfach, dass sie so sind wie sie sind. Und das ist das Großartige. „Jetzt gerade bist du gut“, singt Oli Schulz in einem seiner frühen Lieder. Genau so ist es richtig. Jetzt gerade sind sie gut. Und das macht die ganze Sache so wunderbar, dass ich am Liebsten gleich an der Trinkhalle eine Flasche Asti halbtrocken holen möchte.
Heute habe ich das Spielzeughandy meines Sohnes repariert. Was heißt repariert? Ich habe lediglich neue Batterien eingesetzt. Was ist der Dank? Ausgelassene Stimmung und ein lautes „klasse“. In der Welt meiner Kinder kann ich fast alles. Und wenn ich keine Lösung für ein kaputtes Gerät habe, dann hat im Kosmos meiner Kinder auch niemand sonst eine Lösung. Ist das nicht verflucht großartig? Und nur zur Info: Ich war landauf landab bislang nicht für mein ausgeprägtes handwerkliches Geschick bekannt. Aber die Unterstützung meiner Kinder treibt mich zu neuen Höhen und Ufern. Auch deshalb bin ich gerne Vater. Demnächst will ich mich sogar an einem Baumhaus versuchen. Ich weiß, ich werde übermütig wie Papa Wutz. Aber der Erfolg zieht mehr als Ochsen. Und das Gerne-Vatersein.
Ich weiß, so mancher Ruhm ist auf diesem Spielfeld so vergänglich wie eine eiskalte Schorle Zitrusspritz den Durst löscht. Aber so lange mein Stern glänzt und strahlt, genieße ich jede Sekunde, lese voller Leidenschaft „Räuber Hotzenplotz“, flicke Fahrräder, mache Kalauer, treffe fiese Entscheidungen und backe astreine Buttermilch-Pfannkuchen. Dafür ernte ich Jubelschreie und eine Art La Ola. Vatersein ist eine verdammt coole Sache. Das muss auch mal so deutlich gesagt werden.
Bruno und ich hören: Queens Of The Stone Age „Songs For The Deaf“ (Interscope Records)