Neverending Vatertag: #51 Doing Gender
Meine Tochter geht seit vorletztem Freitag mit voller Begeisterung ins Fußballtraining und Bruno besteht seit geraumer Zeit darauf, in regelmäßigen Abständen Röcke und Kleider zu tragen. Ich rege mich auf, dass die Scheiben unserer Dusche schon wieder komplett mit Zahnpasta verspritzt wurden und meine Frau lässt ihre Kaffeetassen im Haus verteilt stehen, wie ein usbekischer Fernfahrer auf Ferienfreizeit in der Rhön. Mein Sohn geht ekstatisch die Wände hoch, sobald auch nur der kleinste Motor in der Nachbarschaft anspringt und Hanni beschließt, dass sie mit knapp sechs Jahren unbedingt Ohrringe benötigt. Leute, ich sag mal so: Das mit dem Stereotypen, der Genderdebatte und den ganzen Klischees ist 2018 ein ganz schön heilloses Durcheinander. Da musst du die Nerven behalten. Heute hier, morgen dort. Bin kaum da, muss schon fort. Eben gedacht, alles ist auf den Kopf gestellt, schon läuft es wieder traditionell, wie im schönsten Heinz-Erhard-Film.
Seit der Entscheidung für die Elternzeit beschäftigte mich immer wieder die Frage: Ändert es was an den Interessen meiner Kinder, wenn ich im Back-Office die Kelle schwinge? Und macht es vor allem etwas mit mir? Und mit meiner Frau? Prägen mich die Umstände oder präge ich die Umstände? Was ist dran am Gender-Thema? Und der kulturellen Einflussnahme auf uns Menschen. Gender-Thema? Kulturelle Einflussnahme? Was will der Otto denn jetzt mit diesem Soziologen-Kokolores? Der hat wohl zu viel Tee mit Rum getrunken. Ja richtig gelesen, ihr Schlawiner. Jetzt mal zur Abwechslung den Kopf anstrengen. An der Stelle sei schon mal gesagt: Keiner weiß, wie es am Ende wirklich kommt. Und wisst ihr Rabauken noch was? Es ist auch völlig wurscht. Aber mal eine Runde drüber drehen, das mache ich doch ganz gerne.
Erste Regel: Du darfst keine voreiligen Schlüsse ziehen. Das sollte mal der ein oder andere Forscher auf diesem Gebiet sich auch hinter die extraschlauen Ohren schreiben. Denn was gestern noch galt, ist morgen keinen falschen Fünfziger mehr wert. Ja, so ist das. Ihr Studentenköpfe. Eine zweite Regel hab ich gerade noch nicht. Ich mache hier nämlich eine Langzeitstudie und bin selbst mitten drin. Finale Ergebnisse kommen gegen 2030. Frühestens. Und wenn ich mich vor einem hüte, dann ist es heute eine feste Meinung zu diesem Thema zu äußern. Gott bewahre. Bis vor einem Vierteljahr war ich mir sicher, dass Bruno Gewichtheber oder Boxer wird. Jetzt sehe ich ihn immer noch im Finalkampf. Nur eben seit geraumer Zeit im Kleid seiner Schwester. Good Luck, mein Sohn. Auf mich kannst du immer zählen!
Sind es die Gene? Der Vater als Vorbild? Ich trage und trug nie Röcke. Ist es die Peer Group? Macht das tägliche Tun den Turn-Around? Oder hält der blanke Wille dagegen? Bruno steht auf Männer-Themen, die mir seit jeher Meilen am Hinterteil vorbeigingen. Ich schreibe mir auch was das betrifft keine Prägung auf die Fahne. Dafür hat er manchmal mehr Urgroßvater Karl im Leib, als ich jemals an einem Tag in meinem Leben demonstriert habe. Hab ich bereits zur Genüge erklärt. Meine Tochter hatte eine kurze knackige Anna & Elsa-Phase, die wir weder unterstützten, noch verhindern wollten und konnten. Hätte ihr auch kein besseres Standing im Kindergarten verschafft. Jetzt findet sie Rosa kacke, ohne, dass ihr vorher einer von uns erklärt hat, dass Farbe nur ein Konstrukt ist. Es kommt, wie es kommt. Gender hin, Sexualität her.
Viel spannender ist im Rückspiegel mein eigener Werdegang in dieser ganzen Thematik. Denn je mehr ich drüber nachdenke, der Gleiche bin ich nach dem Thekenwechsel auch nicht mehr. Es fängt an bei der Sorge, geht über die Emotionalität und endet schlichtweg an der verspritzten Duschtür. Letzteres ging mit vielleicht sogar schon vorher auf den Senkel. Jetzt aber gibt es neue Facetten: Schuhe aus, wenn jemand zu Besuch kommt, heißt die Parole. Und wascht Euch doch bitte allesamt erst einmal die Hände, bevor ihr euch an den Tisch setzt. Hat Bruno heute schon gekackt? Mann, wer hätte das gedacht. Ich nicht. Also das mit der Sorge, nicht das mit dem Kacken.
Ist Brunos Jacke wetterfest genug? Hat Hanni ihre Sonnencreme im Kindergarten stehen? Diese Fragen stellten sich mir früher nicht. Sie waren mir auch recht egal, da hat schließlich immer meine Frau dran gedacht. Jetzt fragt sie mich, ob ich das alles auf dem Schirm habe. Und ich frage sie, ob sie noch alle Tassen in der Schatulle hat: Natürlich denke ich daran. Habe ja noch nicht alles an Hirn in Bier versenkt. Sind ja auch meine Kinder und auch ich habe keinen Nerv auf Sonnenstich und all den Quatsch, den niemand braucht. Hatte ich eine Woche Urlaub und liefere die Kinder am Montag danach in ihren Einrichtungen ab, bin ich todtraurig, sogar gerührt bis auf die Knochen und vermisse sie wie ein Dackel die Großmutter. Auf die Nieren emotionalisiert sozusagen. Wo fing es an, was ist passiert? Nichts hat mich hier ruiniert. Cockpitwechsel heißt das Schlüsselwort. Letztendlich passiert nur was, wenn das Steuerrad in seiner Gänze den Besitzer wechselt. In alle Richtungen. Deshalb sage ich einmal mehr: Zwei Monate Elternzeit sind völliger Quatsch und ändern nix. Denn wer wickelt die Kinder trotzdem im staatlich finanzierten verlängerten Urlaub auf der Finca? Richtig. Der Mann steht derweil am Webergrill. Ich befürchte immer noch in 9 von 10 Fällen!
Wäre ich Familienminister und hätte schlechte Laune, ich würde erst einmal sechs Monate Pflichtelternzeit für den Mann einführen. Mindestens. Dazu Lohnausgleichszahlungen für Frauen auf die Agenda setzen. Oder so was in die Richtung. Das habe ich jetzt noch nicht zu Ende gedacht. Aber dann wackelt der Karton erst richtig. Vorher passiert nichts. Männer, keine Angst, ihr verliert nichts an Männlichkeit. Im Gegenteil: Ihr erobert völlig neue Gebiete und gestaltet sie mit. Emanzipation 2018! Und an die Frauen: Keine Angst. Es passiert keine Katastrophe und die Flüsse färben sich nicht rot. Am Ende gewinnen alle. Am meisten die Kinder. Das Beste aus allen Welten! Verdammte Hacke! Das ist Kulturwandel! Bruno zieh den Rock an, Hanni muss zum Fußballtraining. Wir sind spät dran.
„Any Gender Is A Drag“. Sagte so oder ähnlich bereits Pattie Smith. Auch ihr hab ich nie geschrieben. Bleiben wir trotzdem bei Pascow: Punk und Gender ist bei Licht auch nur das, was du machst! Ah verflixt. Da ist sie doch, die zweite Regel!
Bruno und ich hören: Lagwagon „Trashed“ (Fat Wreck Chords)