Kindergeburtstag
In gut drei Wochen ist wieder Kindergeburtstag. Mir wird jetzt schon ganz klamm unter den Achseln, wenn ich nur daran denke. Ich wollte vor gut einem Jahr bereits darüber schreiben. Damals nur gut eine Woche nach dem letzten Kindergeburtstag. Frische Erinnerungen und so. Aber da hatte ich keine Kraft mehr. Das hat die Frische der Erinnerung klar geschlagen. Ich wollte nur noch verdrängen. Der Kindergeburtstag kostet nämlich fast immer alle Kraft, die ich noch habe. Die Feier noch nicht einmal so sehr. Die Vorbereitung dafür umso mehr. Und was sich hier reimt, muss nicht immer gut sein. Aber jetzt feiert Neverending Vatertag 50. Herrgott. Da kann ich dieses heiße Themeneisen auch mal schmieden. Besser wird es eh nicht. Außerdem kommt mit der Zeit wenigstens ein bisschen Routine.
Ich habe mittlerweile einen guten Einblick in die Welt der Kindergeburtstage: Ich sah Mütter am Rande der Verzweiflung, umfassend genervte Väter, Umzüge im Regen vom Park in die Wohnung mit 20 Personen. Ich entdeckte hyperaktive Kinder; Kinder, die sich wie Dustin Hoffman in "Rain Man" apathisch allen Vorschlägen verschließen; Kinder, die bei sengender Hitze das Haus nicht verlassen wollen. Ich erinnere mich an kurzzeitig verschwundene Kinder und heulende Kinder. Eltern, die ihr Kind deutlich zu früh brachten und deutlich zu spät abholten, sich also einen feuchten Kehricht um die Angaben der einladenden Eltern scherten. Ich erlebte Kindergeburtstage, da erbastelten sich am Ende die Gäste mehr Geschenke, als das Geburtstagskind selbst in der Summe bekommen hatte. Gerade kommt es mir wieder in den Sinn: Von ihrer ersten Kindergarten-Geburtstagsfeier brachte Hanni mehr selbstgemachte Werkstücke nach Hause als ich bei Frau Heide im Werkunterricht in der dritten Klasse zustande brachte. In einem ganzen Schuljahr wohlgemerkt! Spätestens da begann ich über das Ausmaß nachzudenken.
Bis zum Alter von drei Jahren sind Kindergeburtstage in der Regel völlig entspannt, ein bisschen Verwandtschaft hier, ein paar Muffins für die Krabbelstube da und zwei bis drei Kinder für die Quote, wenn überhaupt und die sind auch noch von den Erwachsenen handverlesen. Die Muffins im Gegenzug selbstverständlich ohne Zucker. Das sind die Eckdaten. Ab vier startet das Showprogramm. Drei Stunden Entertainment mit mehr Höhepunkten bestückt als "Wetten, dass…?" zu seinen besten Sendezeiten. Das ist mal eine Ansage, stimmt aber zu meinem Leidwesen, denn ich bin das tragende Element, der Sechser im Kindergeburtstagsspiel. Die rechte Hand für alles, meine Frau dagegen der Kopf der ganzen Schose. Und dieser Kopf hat massig Ideen und einen hohen Anspruch an reibungslose Abläufe. Ich stelle meinen ganzen Körper sowie Mal- und Basteltalente in den Dienst dieser Sache. Mit einer Taktung wie in einer Lehrprobe ist der Tag ganz nahe an der Perfektion. Ich kann mich gerne beschweren, der Erfolg gibt meiner Frau leider nur recht. Anyway. Demut ist mein treuester Partner in diesen Tagen.
Nach unserer Hochzeit sind die Kindergeburtstage von Hanni die Veranstaltungsreihe mit dem intensivsten Planungsvorlauf. Zumindest gefühlt. Okay, wahrscheinlich übertreibe ich, aber ich bin nah dran mit meiner steilen These. Und wir sind längst nicht in der Spitzengruppe zu finden. Es geht fast überall noch doller. Save The Date! Dann spätestens zwei Wochen vorher Motto festlegen, spätestens anderthalb Wochen vorher zündet die heiße Phase. Ideen sammeln, Vorlagen sichten, Einladungen basteln. Komplett nach eigenem Entwurf, nur Inspiration von außen. Natürlich. Warum auch nicht? Haben ja sonst nichts vor und die Bundesliga hat Sommerpause. Alles nach Feierabend wohlgemerkt. Am nächsten Abend Obstspieße und Kuchen für den Kindergarten, am Folgeabend Erstauswahl Spiele, dann Urkunden für alle entwerfen, finale Auswahl Spiele und zu guter vorvorletzt die Bastellage vorbereiten. Ich bin immer mittendrin. Ich haeb zwar überschaubar viele Ideen, dafür bin ich die Hälfte von uns, die einen geraden Strich aufs Parkett bringt. Das ist in diesem Fall nur begrenzt was wert, denn die konkrete Umsetzung aller Kreativarbeit bleibt in meiner schmalen Stube hängen.
Schaffen wir mal Fakten! Meine Frau plant sehr gute Kindergeburtstage. Ich will das so ausdrücklich sagen. Sie sind witzig, originell, die Kinder haben viel Spaß und sie bleiben in Erinnerung. Und Hand aufs Herz: Mit spätestens acht Jahren ist Mottoparty eh nicht mehr State Of The Art in der Kinderwelt. Sag ich mal so, wenn ich die Nachbarstöchter mit Hotpants und gelangweilten Visagen sehe. Das geht alles rasend schnell und dann wird lauthals „Freibad“ oder „Disco, Disco“ gebrüllt. „Wir sind alle von der Sache ziemlich angenervt, oder?! Also schlage ich vor, wir sollten versuchen wenigstens ein bisschen Würde zu bewahren!", heißt es in dem Film „Die üblichen Verdächtigen“. Und jetzt vergessen wir mal Kevin Spacey in Verbindung mit dem Thema Kindergeburtstage und konzentrieren uns auf die Würde und das Bewahren.
Die Horde kommt, die Horde geht. Die Stunden der Feier werden auch diesmal über mich hinweg blasen, wie ein fieser Tropensturm. Meine Frau gibt mir nötigen Halt und klare Anweisungen und ich überlege, ob sie nicht besser kündigt und diese Art der Veranstaltung für teuer Geld an reiche Snobs in Kronberg oder Königstein verkaufen sollte. Für 5.000 Euro aufwärts pro Feier. Die bezahlen das da draußen, ganz sicher. Ich bastee dann auch gerne alles treu und brav weiter und maule nicht. Je länger ich nachdenke: Mit dieser Perspektive kann der Kindergeburtstag kommen! Ich bin bereit. Bringt mir einer die Schere und das Tonpapier!
Bruno und ich hören: Turbonegro „Apocalypse Dudes“ (Boomba Rec)