© Ralph Rußmann
Neverending Vatertag: #47 Zwiebel auf die Ohren
Bei einer gepflegten Mittelohrentzündung wird schnell die Nacht zum Tag. Freunde des begrenzten Schlafes, da können wir ein Lied von singen. Trallala und Hopsasa! Nur war uns leider nie zum Singen zumute. Hanni hob immer treu die Hand und im ersten Winter hatten wir mindesten drei davon am Start. „Three in a Row“ ruft da der Engländer in uns. Der Fußballfan spricht vom Hattrick. Gefühlt war es eine einzige: Neverending Mittelohrentzündung sozusagen. Da ist guter Rat teuer, denn hier kann ein Kind noch so schmerzresistent wie John Rambo sein. Bei Mittelohr kippen selbst Stallone und Bruce Willis aus den Latschen. Deshalb einmal ganz laut in die Nacht: „Doktor Zwiebel! Ihr Auftrag bitte.“ Denn auch hier gibt die Zwiebel wieder alles. Ein Feuerwerk der Entzündungshemmer setzt sie frei. Das treibt den Agent Provocateur zwar noch nicht ganz aus der Stadt, aber zumindest die Nacht kann kommen. Schnarch, schnarch und so. Und die Familie umgeht gepflegt die Notaufnahme. Oder muss das Kind nicht von der Decke holen, denn da sitzt es in der Regel, wenn die MOE ihre ganzen Muskeln spielen lässt. Also was tun?
Nerven bewahren und den Topf mit Wasser auf die Platte und zum Kochen bringen. Auf den umgedrehten Topfdeckel zwei Scheiben Zwiebeln packen, mit einem Messer leicht einritzen, damit die Zwiebel frei wie ein Vogel im Wind ihren Saft abgeben kann. Dank des Wasserdampfes also die zwei Scheiben geschmeidig erhitzen. Häh, was das soll? Hat der Rußmann doch schon mal erzählt! Stimmt genau, Schweinchen Schlau. Damals ging es aber um Fieber und da kam die Zwiebel nach Erhitzung auf die Käsefüße. Jetzt geht’s auf die Ohren. Und ja, ganz genau, ich werde nicht müde zu betonen: Die Zwiebel ist so etwas wie der Lionel Messi der Hausmittel. Sie kann fast alles. Also zurück an die Herdplatte. Ist die Zwiebel schön warm, packt man sie am besten in ein Stofftaschentuch. Und legt dazu? Na was wohl? Richtig! Ein bisschen Heilwolle, die hoffentlich jetzt fast jede Familie immer griffbereit im Schuber des Nachtkasterls liegen hat. Da jeder Mensch zwei Ohren hat, werden auch zwei solcher Pakete gemacht und auf jedes Ohr kommt eines davon. Fixiert am Schädel mit einem Stirnband, sieht das Kind zwar schnell aus wie ein Tenneisprofi aus den 80er-Jahren, aber „Schmerz lass nach!“ darf der Herr Papa oder die Frau Mama sich dafür im Gegenzug auf den Rücken schreiben.
So. Wem das jetzt alles zu viel Bastelei ist, der kann gerne zum Hörer greifen oder in ein Spezialkaufhaus seiner Wahl fahren und dort von der Firma Wickel & Co die professionelle Variante erstehen. Das haben wir auch so gemacht, denn das wurde uns irgendwann zu viel des Flickwerks. Und ja: Die Firma Wickel & Co gibt es wirklich und ist nicht meinem völlig übermüdeten Hirn entsprungen. Dazu hat die Company auch noch ein paar weitere fulminante und schlaue Tipps parat. Ganz ernsthaft. Die ganze Welt des Wickels ist hier zuhause. Aber egal wie die Wahl ausfällt, der Wickel soll gut eine halbe Stunde auf den Ohren bleiben. Das reicht, dass die Bude ordentlich stinkt, aber wenn jetzt noch das Kind die bekannte Tasse Schlummifix trinkt, stehen zumindest ein paar Stunden Schlaf nichts mehr im Wege. Am Folgetag dann aber nix wie zur Tante Doktor. Nicht vergessen, gelle!
Bruno und ich hören: Arcade Fire „Funeral“ (Merge Records)
Aus aktuellem Anlass und nach einem phänomenalen Konzertabend: Die erste Band, die an dieser Stelle zum zweiten Mal auftaucht. Geht nicht anders. Arcade Fire waren und sind zu großartig!