Neverending Vatertag: #46 Ein Kind, zwei Kind, drei Kind
Es ist schon etwas her, da rief mich eine Freundin an und jammerte. Nicht viel. Aber so, dass es zu nerven begann. Sie war ledig, hatte eine geregelte Arbeit und auch einen Freund. Nur noch keine Kinder. So viel zur Ausgangslage. Die so katastrophal erst einmal aus meiner Sicht gar nicht war. Jammern können Personen, die schwere Krankheiten haben, gerne Kinder wollen und keine bekommen können oder einen sonstigen Schicksalsschlag am Hacken haben. Das ist wirklich ausgesprochen blöd und nicht gut. Aber niemand darf mir was vorschwafeln von Doppelbelastung Job und Beziehung. Und vor allem Stress, Belastung und – mein Lieblingsthema – keine Zeit. Haha, Hoho. Ich glaube, mich tritt ein Breitmaulnashorn, wenn die nicht gerade vom Aussterben bedroht wären. Wollt ihr Vögel mich verkackeiern? Keine Zeit! Wenn ihr Knallköppe was habt, dann ist es Zeit. Zeit, um sie auf der Arbeit in Überstunden zu verplempern, bei nutzlosen Barbesuchen zu verschießen oder die eigene Schwermut zu pflegen. Warum ich so hart mit diesen Menschen ins Gericht gehe? Weil ich einmal in Ansätzen auch so gedacht, gelebt und gefühlt habe. Ok. Zu meiner Ehrenrettung: Eine Beziehung war für mich in keinem Augenblick eine Doppelbelastung. So durch den Wind war ich nie. Aber ich weiß partout nicht mehr, wo ich meine Zeit all die Jahre gelassen habe.
Ich war also mal einer von euch, aber jetzt trennen uns Welten. Und mittlerweile trennt mich auch zumindest manchmal eine halbe Welt von Familien mit einem Kind. Ein Kind ist fast schon eine Art Hobby oder wird es bald, zwei Kinder ist vor allem eine schöne Portion Arbeit. Ja. Ist so. „Ein Kind ist kein Kind“ lautet die alte Bauernregel und Herrschaften der Schöpfung, verdammte Hacke ja, das stimmt genauso. Und wenn ich schon dabei bin, hau’ ich schon mal ein Rechenbeispiel zur anschaulichen Unterstützung raus: Zwei Kinder ist doppelt so viel wie ein Kind. Drei Kinder sind nur ein Drittel mehr. Logisch. Oder? Bin ja nicht ganz blöd. Ich bin manchmal bereits gefühlt näher an Familien mit vier Kindern, als an Familien mit einem Kind. Familien mit vier Kindern schauen auch nicht auf mich mit Hochmut herab. Im Gegenteil. Mit zwei Kindern bist du Teil der weltumfassenden Gang „Familie“. Mit einem Kind bist du ein Paar mit Anhang. Und für alle unter Euch, die nur ein Kind haben und gerne ein zweites wollen, aber es klappt nicht – ganz aufrichtig: Das ist ganz schöne Scheiße und es tut mir leid. Und außerdem noch Hand aufs Herz: Ich traue mir schlichtweg kein drittes Kind mehr zu. Ich bin Mitte 40 und kann keine Champions League mehr kicken. Da müssen wir mal ehrlich sein und die Grenzen akzeptieren. Zwei Kinder sind gepflegter Bundesliga-Fußball. Das geht noch. Aber alles was jetzt noch käme, überfordert meine Spielanlage.
Doch zurück zur Gang und Teil der Posse zu sein. Das liegt auch daran, dass ich von vorne herein Familien mit drei oder vier Kindern meinen tiefsten Respekt vermittle. Also ganz anders als weite Teile der Kinderlosen den Familien mit Kindern grundsätzlich entgegenbringen. Jaja. Und alle, die sich angegriffen und missverstanden fühlen, beruhigt euch und führt den Hengst zurück in den Stall, euch meine ich nicht ausschließlich. Aber viele von eurer Mischpoke. „Was regt ihr Euch denn auf, ihr wolltet doch Kinder?“, „Hat Euch doch keiner gezwungen“ oder „Das ist doch erst einmal nur schön mit Kindern?“. So oder ähnlich höre ich es naiv im Ohr klimpern. Singles und Paare, die ihr bewusst auf Kinder verzichtet, hört genau her: Ihr wisst ziemlich wenig. Fast sogar nichts, will ich sagen. Haben wir uns verstanden? Alles Weitere spare ich mir jetzt. Nur so viel: Wir Eltern und da meine ich alle von uns, investieren einen ganzen Haufen an Schweiß, Gefühl, Energie, nur, dass aus unseren Kindern etwas wird. Dass sie eines Tag den Laden hier im Land halbwegs mit am Laufen halten. Damit sie Ideen weiterentwickeln und nicht solche Typen wie Beatrix von Storch oder Donald Trump wählen. Das ist unser gottverdammter Job.
Und es ist oft ein dreckiger Job. Egal ob ein Kind, zwei Kind oder drei Kind. Hier sitzen wir wieder alle in der gleichen Barkasse. Dazwischen bekommen wie nämlich immer zu hören wie fies oder blöd wir sind. Fies, blöd und ungerecht, weil wir nicht die dritte Folge von „Zoom, der weiße Delfin“ abends um acht Uhr erlauben, den zweiten Schokoriegel verbieten oder uns herausnehmen, auch einmal eine Stunde zu zweit verbringen zu wollen. Wir lassen uns beschimpfen, hauen im Gegenzug und vor lauter Übermüdung Sätze raus, die wir niemals sagen wollten und geben unsere letzten Pfennige aus, nur damit es dem Nachwuchs gut geht. Und das machen wir nicht ausschließlich für uns. Denn das praktizieren wir plötzlich aus einem altruistischen Motiv in reinster Form, das ich in dieser Breite, Pracht und Dimension vorher nie auch nur annähernd kannte. Wir haben keinen Plan, ob wir das eines Tages gedankt bekommen, geschweige denn, ob einer von ihnen jemals unsere Bettpfannen leeren wird. Invest ohne jegliche Sicherheit eines Gewinns oder Ertrages heißt das dann wohl. Betriebswirtschaftlich völlig sinnlos. Und einmal mehr ein Beleg: Es gibt viele Dinge auf dieser Welt, an denen rein betriebswirtschaftliches Denken kläglich scheitert. Nur mal so.
Du willst wissen, was Selbstaufgabe ist? Schaff Dir zwei Kinder an. Ich würde ihnen sogar helfen eine Leiche zu verscharren, wenn es nicht meine ist. Jawoll, Niels Frevert, Du weißt genau von was ich spreche, denn Du bist auch Vater. Und wir machen das auch ein ganz klein wenig genau für dich da draußen, und damit meine ich nicht Niels Frevert, sondern Dich, der sich aufkoffert, wenn meine Tochter gerademal im Supermarkt durch die Regalwände schreit. Ich mache das alles, weil ich will, dass sie eines Tages nicht eure Kinder mobbt, nicht eure Hauswand mit Eiern bewirft und kapiert, dass die Welt per se kein gerechter Ort ist, aber daran arbeitet, dass sie es wird. Im Gegenzug erwarte ich nicht viel. Nur ein paar kleine Dinge. Vor allem keine dummen Ratschläge oder Erziehungstipps. Jammert bitte nicht grundlos rum, parkt mit eurem SUV nicht auf den Familienparkplätzen, bezahlt eure Steuern im Land und hört auf Schwachsinn von alleinerziehenden Vätern und Müttern zu verlangen. Nur so als Bespiel. Viel mehr nicht. Ansonsten Klappe halten, weiterfahren. Wenn ihr das befolgt, ist nicht alles, aber vieles bereits deutlich besser.
Und all denjenigen, die noch keine Kinder haben und nicht wissen, ob sie sich den Schritt zutrauen, rufe ich zu: Lasst euch bloß nicht von mir den ungebremsten Wind aus der Hose nehmen. Es ist entbehrungsreich, aber es lohnt sich. Allemal. Eigentlich gibt es nichts Großartigeres!
Bruno und ich hören: Samian „You Are Freaking Me Out“ (Burning Heart)