Neverending Vatertag: #38
Der achte Waschmaschinengang geht in die Schleuderstufe und ich frage mich: Musste das ernsthaft sein. Wir waren keine acht Wochen in Europa unterwegs. Lediglich eine Woche zum Skifahren am Feldberg. In einem Ferienhaus. Aber zur Hölle, ich habe hier im Keller mehr zu tun als die lokale Wäscherei um die Ecke. Das ist kein Witz! Ich frage mich, ob überhaupt noch ein Familienmitglied saubere Unterwäsche hat. Kaum habe ich das Gefühl, wir bewegen uns dem Ende entgegen, wirft meine Frau eine neue Ladung nach unten. Waschen war bereits vor meiner Elternzeit mein Metier. Da ist jetzt kein großer Rollenwandel auf diesem Gebiet vonstatten gegangen. Ich habe mich während der Elternzeit lediglich etwas detaillierter ins Gebiet der Wäsche eingearbeitet. Ich wasche grundsätzlich nicht mehr alles so heiß, sortiere genauer. Nehme ab und an das Pflegleichtprogramm, probiere verschiedene Waschmittel aus und wechsle auch mal auf Feinwaschmittel. Ich weiß was die wichtigsten Trocknersymbole bedeuten und wie man Patches auf Hosen mit Löchern anbringt. Das hat die Elternzeit bewirkt. Gewaschen habe ich ansonsten schon immer gerne. Ich mag das Vorher/Nachher und außerdem habe ich wenigstens im Keller für eine kurze Zeit meine Ruhe.
Jetzt wird es mir aber langsam zu viel. Eine Woche. Herr im Himmel. Nur eine Woche im Schwarzwald und ich habe den Eindruck vier Kleiderschränke wurden vor meinen Füßen ausgekippt. Im der ersten Nachbetrachtung auf der Heimfahrt war der Urlaub eine gute Entscheidung, doch ich frage mich jetzt in Anbetracht des Haufens vor mir, dem völlig eingemüllten und vollgesauten Auto und der Cremespuren auf den Sitzen erneut: „Ist am Ende die Brühe nicht doch teurer als die Suppe?“ Ich stellte mir diese Gretchenfrage schon am Tag der Abreise. Denn bereits da mussten plötzlich alle Sachen nochmals durch die Grundreinigung. Wir packten einen dreiviertel Tag, fuhren los und kamen an. Im Nachgang war das stressfreieste der ersten 48 Stunden die Anreise. Die dauert nur gut dreieinhalb Stunden, Hanni hörte zum gefühlt zehnten Mal die Hörspielversion von einem Bibi- & Tina-Kinofilm und Bruno duselte, als haben wir ihm eine Tasse Schlummifix extrastark eingeflößt. Wunderbar. Dann kam die erste Nacht im Ferienhaus, das wir gemeinsam mit guten und sehr netten Freunden bewohnten. Bruno schnarchte wie ein Stier und einer der beiden Jungs unserer Freunde noch viel mehr. Mitten in der Nacht wechselten alle Parteien – außer mir – die Betten. Oh schon halb sieben. Bruno wach! Guten Morgen zusammen. Jemand gut geschlafen? Nein? Auch gut. Am besten reisen wir gleich alle wieder ab.
Doch wir raufen uns zusammen, grooven uns ein, finden Lösungen. Für fast alles. Zumindest ich trinke an jedem Abend Schnaps. Hicks. Dennoch. Oder gerade deshalb. Am ersten Tag fahren wir sofort auf den Feldberg. Bruno findet Schlittenfahren weitestgehend kacke, aber gut, wir können nicht alles haben. Dafür mosert Hanni, warum der Skikurs nicht den ganzen Tag geht. Bitteschön, Dankbarkeit ist das letzte, was ich von meinen Kindern erwarte. Nur der Vollständigkeit halber: Die Schoten der Kinder unserer Freunde behalte ich weitestgehend für mich. Besser als meine Brut sind auch die nicht. Bis wir jeden Morgen allesamt in den Skiausrüstungen stehen, kommt einem ersten Workout gleich. Rein in die Autos, raus aus den Autos. Allesamt jetzt einfach mal die Klappe halten und freuen. Das wäre doch mal eine Alternative. Bruno rauf auf den Arm, doch wieder runter, oh Schnee ist behämmert, wieder rauf. Oder doch wieder … Herrgott.
Ich mache vormittags den schlanken Fuß und fahre Ski. Mit zwei Kindern sind eineinhalb Stunden Skifahren am Tag ohne sie, wie früher eine Woche gepflegtes Abhängen auf Korsika. Meine Frau juchzt natürlich vor Freude und ich habe Sorge, ich muss sie wegen eines Bandscheibenvorfalls in die Klinik fahren. Bruno will nämlich derweil gemeinsam mit ihr im Schlitten den Berg auch hochfahren und verweigert jeglichen Vorgang des Schlittenziehens. Warum sind wir eigentlich nochmal hier? Zur allgemeinen Unterstützung kommt dann wenigstens noch Hopsi. Hopsi ist eine Art Maskottchen der lokalen Skischule und ist ein Mensch in einem Hasenkostüm. Hopsi darf zur Freude von allen Kindern mit Schneebällen beworfen werden und Bruno zieht ihm nochmal ordentlich an der Zunge. Da ist die Stimmung gleich obenauf. „Hopsi-Sein“ gehört zu den Jobs, um die ich einen weiten Bogen in meinem Leben gemacht habe und auch meinen Kindern als Gelderwerb verbieten werde. Ich glaube nämlich, dass das den Charakter bricht. Jede Putzstelle bekommt in Deutschland noch mehr Respekt entgegengebracht. So. Alles gut. Ich übernehme Bruno ja schon.
Die Woche bietet fast alles, was ich mag. Burger und Pommes essen und verschmieren, Winterjacken voller Sonnencreme und Mayonnaise, Bruno eingepinkelt im Schneeanzug. Aber wie gesagt, wir finden uns. Und trauen uns immer mehr zu. Hanni holt sich ihre erste Skimedaille, regt sich fürchterlich auf, dass ich – in alter Olympia-Tradition – erst einmal reinbeiße. Aber so sind wir Sportler-Väter eben. Immer für einen Schabernack zu haben. Und wenn die Stimmung schon so dufte ist, warum nicht alle Acht gleich noch zum Abschluss ins Vitra-Museum und einen ordentlichen Schlag Kultur für alle Nasen. Gesagt, getan. Die Ausstellung schaffen wir noch, das Mittagessen im ansässigen Restaurant ist bereits ein Tanz auf der Klinge. Bruno schmiert sich die Nudelsoße komplett in die Visage, hämmert die Bestecke auf den sündhaft teuren Eichentisch und Hanni muss in bester Tradition nach zwei Gabeln erst einmal pinkeln. Ich bin stolz auf euch, meine Kinder. Nächste Woche gibt’s zur Abwechslung mal kein Bibi & Tina sondern einen Benimmkurs. Den Museumsstore können wir nur nacheinander besuchen, denn abwechselnd hat ein Kind Holzfiguren oder Accessoires im Wert von 200 Euro in der Hand und ich keinen Kredit mehr auf der Bank. Zum Abschluss stellen alle vier Kinder wenigstens noch den Showroom so auf den Kopf, dass wir kurzerhand, sanft aber bestimmt gebeten werden, das Gebäude zu verlassen. Ich wurde in meinem Leben bislang nur selten rausgeworfen. Nur mal so. Noch nicht mal als ich ein Sternelokal als Kleinkind zusammenbrüllte. Jetzt schließt sich der Kreis.
Am Abreisetag hyperventiliert Bruno fast, denn auf dem Nachbargrundstück werden riesige Tannen mit Motorsägen gefällt. Das ist anscheinend allemal beeindruckender als Schlittenfahren und zum Abschied ruft der Älteste der Freunde-Jungs der Belegschaft nebenan „Wir sind aus Frankfurt, wir sind aus Hessen und was wir kackern, müsst ihr essen!“ zu. Na, wenn das mal keine Visitenkarte ist. Da wird man bestimmt wieder gerne eingeladen. Doch bin ich der Letzte, der sich beschwert, denn schließlich habe ich diese Variante des Stadiongesangs meiner Tochter in geistiger Umnachtung beigebracht und die hat es dem Sohnemann vom Freund gesteckt. Entschuldigung meinerseits in die Runde! Vollgepackt wie ein Husarenstamm geht es zurück, aber bereits beim ersten Stopp beschließen wir: „War doch ganz gut, oder? Wie liegen denn die Ferien nächstes Jahr? Können wir eigentlich wieder machen. Wir sind dabei! Frag gleich mal das Ferienhaus an.“ Bis dahin hab ich auch die Sonnencreme aus dem Auto gekratzt. Ganz sicher. Hopsi, wir kommen!
Bruno, Hanni und ich hören: The Pixies „Doolittle“ (4AD)