© Ralph Rußmann
Ralphs Corner_#28 Butter
Mir ist völlig bewusst, dass ich Bruno nicht ewig aus dem Schlamassel holen kann, in den er sich selbst manövriert. Kürzlich marschierte er in Hannis Kindergarten mit unbeirrbarem Schritt auf einen knapp Sechsjährigen zu und petzte ihm in die Brust. Ohne Ansage, ohne Not. Dann war der Fall für ihn erledigt. Es ist ein wenig vergleichbar als würde ich in der St. Tropez Bar, einer Lokalität im Frankfurter Bahnhofsviertel, in der relativ viele Hooligans verkehren, auf einen der Anführer zugehen und ihm einfach eine Schelle geben. Auch ohne Ansage. Und selbstverständlich ohne Not. Ich kann Bruno nur versichern: In meinem Fall geht das nicht glimpflich über die Bühne. Und auch in seinem Leben wird das sicherlich nicht so bleiben. Der knapp Sechsjährige reagierte relativ entspannt. Bruno wackelte zufrieden nach Hause.
Bruno hat bislang einiges ausgeteilt und eingesteckt und ich befürchte, es wird in seinem Leben noch Etliches dazu kommen. In beiden Richtungen. In jedem Fall habe ich seit geraumer Zeit immer ein halbes Pfund Butter im Kühlschrank für ihn liegen. Damit kamen nämlich die Schwiegereltern um die Ecke, nachdem er einmal wieder spektakulär gestürzt war. Mit seinen knapp 17 Monaten ist er im Übrigen gefühlt bereits viermal häufiger gefallen, als seine Schwester in ihren ganzen fünf Lebensjahren. Aus diesem Grund kannte ich wohl auch die unfassbare Wirkungskraft von einfacher Butter bei drohenden Schwellungen, Prellungen, Beulen und was weiß ich noch alles einfach nicht. Bei meiner Tochter war es schlichtweg nicht nötig. Bei Bruno dagegen fast einmal am Tag. Macht Bruno nun also wieder einmal tollkühn und kopfüber den Praunheimer Abgang, schmiere ich mit schneller Hand jetzt einfach ein Stück Butter auf die Stelle. Siehe da – nix passiert. Oder nur ein ganz klein wenig. Wo früher ein Ei von prächtiger Größe und in schönstem Dunkelblau in die Höhe wuchs, ist nun lediglich eine sanfte Erhebung zu sehen. Und die ist fast mit bloßem Auge nicht erkennbar. Butter! Simple Butter! Keine französische Salzbutter, keine Margarine. Kein Döschen aus der Apotheke und kein Kühlaggregat bewirken diese schnelle Linderung. Dazu bekommt er für die Psyche noch fünf Arnika in den Rachen geworfen, fertig ist der Lack!
Manchmal ist der Schmerz und der Schock so schnell überwunden, dass sich Bruno in seinem nie enden wollenden Hunger gar noch ein Stück trockenes Brot auf die betroffene Stelle drückt. Damit entsteht sogar noch ein Doppeleffekt: Keine Prellung und dazu noch ein einfacher Brotaufstrich. Ab und an staune auch ich nicht schlecht.
Bruno und ich hören: Supersuckers „Must’ve Been High“ (Sub Pop)