© Ralph Rußmann
Ralphs Corner_#16 Schlaue Tipps
Manchmal bekomme ich schlaue Tipps. Nach denen habe ich aber gar nicht gefragt. Das ist besonders blöd. Denn es sind meist waschechte Klugscheißer-Hinweise, die keinerlei Mehrwert für mich haben. Und da frage ich mich, wer nimmt sich denn so wichtig, dass er oder sie meint, mir ratschlagend zur Seite stehen zu müssen? Leider kann ich mich nicht erinnern, jemals von einem Mann zum Kinderumgang einen Besserwisser-Ratschlag auf die Muschel gedrückt bekommen zu haben. Meist waren das Frauen. Da können jetzt so manche laut Klischee rufen, mir faule Steckrüben an die Fensterscheibe werfen, ändert alles nur nix. Sind nun einmal meine Erfahrungen. Andererseits fanden etliche Frauen vieles auch wieder superdufte. Darf auch nicht unter den Esstisch fallen. „Mensch, toll dass Du das machst. Da sehen die Männer endlich auch mal, dass das alles kein Himbeereis auf dem Ponyhof ist.“ Frauen, beruhigt euch, das ist es ja wirklich nicht. Und das sage ich auch schon den Männern. Keine Sorge. Ich stehe in diesen Punkten treu an eurer Seite. Aber es hat auch sehr schöne Seiten. Da machen wir Gebetsschwestern uns mal nichts vor.
Männer machen eher schlechte Witze oder schwafeln von Karriere und Geld. Sie erklären, warum sie das ja eigentlich gut finden, aber es nicht können, weil dann Zugabfahrt und nur noch Brot und Wasser zuhause als Konsequenz. Oder sie können die Selbstverwirklichung gleich über Bord schmeißen. Da sag ich nur, „Jungs, das stimmt aber auch nur alles zum Teil. Das Leben ist eben nicht immer nur Schampus, Koks und Table-Dance. Sondern auch mal Ha-Pre-Milch, Beikostöl und Kindergarten.“ Kann jeder mal ausprobieren, ist kein Weltuntergang. Im Gegenteil. Und nur in den seltensten Fällen gilt das ausschließliche Recht auf Selbstverwirklichung für den Mann. Und schäbige Kalauer wie „Stillst Du eigentlich auch?“ waren 1973 vielleicht noch einen Lacher wert. Ach Herrje, da könnte ich wieder ganz viel jetzt schreiben, aber Nerven behalten. Mein Thema hier und jetzt sind gute Ratschläge. Zwei Beispiele gefällig? Gerne.
Szenario 1: Ich war auf einer Nachmittagsveranstaltung mit Bruno. Dort bekam ich zu hören, der Kinderwagen sei falsch eingestellt. Und so wie der Fall hier liegen würde, läuft ihm langsam aber stetig das Blut in den Kopf. Also in den Kopf meines Sohnes. Vielleicht war aber auch zu viel Blut im Kopf der Dame gegenüber. Bruno ruhte nämlich in dem Wagen ruhig und gerade wie der Hackl Schorsch in den besten Tagen und wachte frohgelaunt wie Florian Silbereisen auf. Also wo ist jetzt das Problem? Eben, es gibt keins. Kaum aus dem Wagen, ging es weiter, „Ja, wie trägst Du ihn denn?“ Das muss man sich mal vorstellen, keine Mutter würde so einen Mist gefragt werden. Niemand käme auf eine so abstruse Idee. Bei uns Vätern tun manche Frauen aber so, als würden wir wie Metzgersburschen hantieren und hätten keine Ahnung und davon viel. Dabei war mein Griff die hohe Kunst des Kindertragens, von namhaften Krankengymnasten empfohlen. Mein Sohn lag nie mit Schürfwunden im Kinderwagen, ich habe ihm nichts ausgerenkt und die Windel sitzt auch jeden Tag wie vom Maßschneider angelegt. Also einfach mal eine Phase nach unten drehen. Bitteschön!
Szenario 2: Ich gehe mit einem Bekannten einen Kaffee trinken, während unsere Töchter Zauberäpfelchen essen und tanzen (siehe auch #2), Bruno nölt ein wenig, wir wollen reden, wir beschäftigen uns mit Bruno, irgendwann reicht es und ich gebe Bruno einen Schnuller. Normaler Verlauf. Machen Mütter, machen Väter. Landauf, landab. Kein Grund nervös zu werden. Sagt eine ältere Frau mit spöttischem Ton, „Ja, ja, einfach mal den Stöpsel rein, nur dass Ruhe ist“. Ja, ich glaub hier brennt der Kittel! Gleich gibt es Stöpselalarm galore! So ein dummes Generalverdachts-Geschwätz. Ich sehe tagaus tagein einen ganzen Haufen Mütter die für ihren Job von mir auch keine 1plus manchmal noch nicht mal eine 2minus bekommen. Aber da halte ich noch lange keinen Kurzvortrag. Auch wenn ich es mittlerweile könnte. Das Schlimme ist: Alle beiden Personen waren einem linksliberalen und alternativen Umfeld zuzuordnen. Da wackelt mein Weltbild und es zerreißt mir sogar das Herz.
Da dämmerte es mir wieder: Bereits in der Krabbelstube meiner Tochter fiel mir auf, dass die Menschen, die im Kern meine gesellschaftspolitischen Werte teilen müssten, die mit Abstand unangenehmsten, unfreundlichsten und ungehobelsten Deppen waren. Kein Hallo und kein Auf Wiedersehen. Kein „Wie geht’s denn so?“ und „Wo drückt der Schuh?“. Stattdessen ernste Miene und ignoranter Auftritt. Wäre die Investmentbankerin im Hosenanzug oder der feine Mann mit dem glänzenden Schuh ein fieser Typ, ach, meine Koordinaten säßen blitzsauber im Lot. Ich mag in der Regel deren Jobs nicht, also wäre der Fall ein ganz einfacher. Ist er aber nicht. Denn die grüßten, fragten nach, zeigten Interesse. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Sie teilten ihre Sorgen, hielten die Tür auf und kannten den Namen meiner Tochter.
Die Welt ist oft nicht gerecht und zu viele Großmäuler drehen an zu wichtigen Rädern. Das erkläre ich auch meiner Tochter bei entsprechenden Anlässen. Mein Sohn kapiert es ja noch nicht. Fairer Handel, gerechte Löhne, vernünftige Energiepolitik, Nachhaltigkeit, gutes Brot und Eier vom Bauern unseres Herzens, das sind alles sehr wichtige Themen. Aber vielleicht vergessen wir einfach mal Anstand und Freundlich-Sein nicht. Das wäre mir schon eine große Hilfe. Ach ja, und Einmischen wo es nötig ist. Bei mir bitte nicht. Das erkläre ich nämlich auch meiner Tochter. Und wenn ihr jemand ohne ihr Drängen, Blödsinn aufs Ohr drückt, dann darf sie der- oder demjenigen auch mit viereinhalb die Meinung sagen.
Bruno und ich hören: Haftbefehl „Russisch Roulette“ (Universal)