© Ralph Rußmann
Ralphs Corner_#14 Drei
Ich gebe zu, ich bin nicht immer sehr einfallsreich in meinen Erziehungsmethoden. Manchmal vertraue ich auf Altbewährtes. Und werde ich im Nachgang irgendwann einmal gefragt, was mein häufigster Satz während der Elternzeit war, dann muss „Ich zähle jetzt bis drei! Eins … zwei … drei!“ in die enge Auswahl genommen werden. „Hanni, Zähneputzen, ich zähle bis Drei!“; „Hanni, Essen steht auf dem Tisch, ich zähle bis Drei“, „Hanni, zieh deine Hose jetzt an, ich zähle …“ genau „bis Drei“. Ich beginne nicht immer mit dem Countdown, sondern fordere ein bis dreimal normal auf. Da passiert jedoch meist nichts. Also kommt der Countdown. In der Regel erfolgreich. Warum weiß ich auch nicht so genau. Vielleicht ist es ein angeborener Wettbewerbsmodus oder es liegt an der meist eng damit verbundenen „Wenn-Dann“-Kombination. Die wende ich aber nicht immer an.
Die „Wenn-Dann“-Kombination ist nämlich sehr heikel. Denn sie kann gründlich in die Hose gehen. Sie ist auch nicht sonderlich progressiv oder modern, sondern hat einen autoritären Charme. Das ist ja durchaus ok, Alternativen wären manchmal dennoch ganz schön. „Wenn Du jetzt nicht kommst, dann…“. Ja dann, dann passiert meist irgendwas. Das ist das besagte Heikle an der Kiste. Welche Konsequenz wähle ich denn überhaupt? Wie gesagt, es nicht die souveränste Methode und eine blitzsaubere Drohung ist es obendrein. Aber im Aufeinandertreffen der Bedürfnisse und beim Entschwinden der Tagesziele am Horizont manchmal die letzte wirksame Ansage, die ich treffen kann. Die Schwierigkeit ist wie gesagt das „dann“. Ja, was machen wir denn „dann“. Die Konsequenz und vor allem das Maß der Konsequenz ist für fast alle Eltern mit denen ich mich unterhalte, das Ei des Kolumbus. In mehrerlei Hinsicht.
Risiko Thema: „Dann isst Du heute Abend nicht mit uns!“ Na klar. Das Kind geht hungrig ins Bett oder speist am Ende im Zimmer alleine wie der Fürst Pückler höchstpersönlich. Völliger Humbug. Mehr Arbeit. Essensdreck im Zimmer. Überhaupt: Zimmerservice. Das Kind ist von der Familie ausgeschlossen. Absoluter Quatsch. Risiko Zeitspanne „Dann bekommst Du eine Woche lang nichts Süßes.“ Bin ich der erste, der es am zweiten Tag vergisst. Außerdem. Viel zu lang. Eine Woche. Das Kind hat doch nicht die Katze des Nachbarn gefoltert. Risiko Selbstschaden: „Dann gehst Du morgen nach dem Kindergarten nicht zu Alma.“ Ich schieß mir damit ja selbst ins Knie. Besuch bei Alma heißt, einen Nachmittag nur Bruno. Statt Bruno und Hanni. Das ist noch kein Paar-Wochenende auf den Seychellen, aber schon mal ein kleiner Schritt in diese Richtung. Ist die Konsequenz zu schwach, juckt sich selbst eine fast Fünfjährige gelangweilt den Rücken. Ist sie zu krass, dann schüttele ich kurze Zeit später über mich den Kopf. Habe ich das gerade rausgehauen? Leute, Leute. Doch schlägt die Turmuhr um viertel vor acht in der Früh laut Ding Dong und schreit Sohn Bruno, als sei der Leibhaftige hinter ihm her oder gerade in ihn gefahren, dann verliere ich auch mal gerne kurzzeitig den Überblick. Denn Hanni tut selbst bei der fünften Aufforderung noch so, als rede ich mit der nicht-existenten Zwillingsschwester. Zu Beginn der Elternzeit, als ich noch ohne Übung und recht naiv ans Thema ging, schoss ich zu diesem Zeitpunkt einige Male deutlich übers Ziel hinaus.
Deshalb will ich häufig auch nicht, dass ich die „Wenn-Dann“-Kombination überhaupt ziehen muss. Ich zähle dann gerne besonders langsam. Denn oft habe ich keine Lust auf das „dann“. Macht im Endeffekt ja auch keinen Spaß. „Eeeeeeeiiiinnnns, … zweeeeeeeeeeeiiii … uuuuuuuuund … diiiieeeeeeeeee … leeeeetzte …“ Ich glaube Hanni ist irgendwann von diesen langgezogenen Zahlen so genervt, dass sie von alleine kommt. Den Klassiker „Achtung, letzte Chance!“, habe ich noch nicht gebracht. Der ist selbst mir zu blöd. Besser ist allerdings der Erziehungstipp der Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus. Im Gespräch mit meiner Freundin Simone sagte die nämlich einmal auf die Frage, wie sie das denn mache, 22 männliche Fußballer und alle sollen auf die Anordnungen einer Frau hören, dass es letztlich wie mit der Kindererziehung sei. Es brauche kurze, klare Ansagen. Unmissverständlich. Beim Freistoß: Drei Meter zurück! Jetzt! Sofort! Eben wie bei den Kindern zuhause: Zähneputzen. Jetzt! Sofort! Das sind mal Tipps, die ich mir ins Notizbuch schreibe. Habe es heute auch gleich wieder ausprobiert. „Hanni, Zähneputzen. Jetzt. Sofort … Hanni! Zähneputzen! Jetzt! Sofort! … HANNI! ZÄHNEPUTZEN! JETZT! SOFORT! … „HANNI! Verdammt. Ich zähl’ bis drei. Wenn du nicht gleich kommst, dann …“. Ach Gott, alles nicht so einfach wie immer alle glauben.
Bruno und ich hören: Band Of Horses „Cease to Begin“ (Sub Pop)