Wieder ging das Jahr mit schnellen Schritten in Richtung Herbst. Und aufs Neue ist es mir gelungen, das Vater-Kind-Wochenende zu umgehen. Das unsägliche Wochenende will ich unbedingt und schnell präzisieren. Wohlwissend, dass ich mir damit bei Vätern und Kindern, die dieses Wochenende seit zehn Jahren oder noch länger besuchen, keine Freunde mache.
Das Vater-Kind-Wochenende ist eine Instanz in dem Stadtteil, in dem ich lebe. Eine Tradition, wie andernorts die erste Traubenernte im Jahr. Oder der Fassbieranstich. Es steht bei manchen Vätern so fett und dick im Kalender und hoch im Kurs, wie bei mir das erste Heimspiel der Eintracht. Ich aber halte nicht viel von dieser Tradition. Eigentlich gar nichts, wenn ich ehrlich bin.
Allein der Gedanke, einmal daran teilnehmen zu müssen, macht mir schlechte Laune und schiebt ein klammes Gefühl in meine Brust. In meiner Vorstellung gibt es zwar noch schlimmere Wochenenden, zum Beispiel einen ganzen Samstag und Sonntag nochmals für ein imaginäres Matheabitur lernen zu müssen. Aber so richtig viel mehr fällt mir nicht ein. Wie gesagt mit meiner Haltung und diesem Beitrag mache ich mir unter den Fans dieser Reisereihe nicht viele neue Freunde und alte Freunde stoße ich mit meiner Vehemenz und Klarheit in dieser Sache wahrscheinlich endgültig vor den Kopf. Anyway. So soll es sein.
Es gibt einzelne Väter, die in den letzten zehn Jahren immer mal wieder auf mich zukamen und mir erklären wollten, wie klasse, toll und witzig dieses Wochenende doch ist. Ich müsse mich nur mal darauf einlassen. Vom ersten Tag an dufte Stimmung, gute Gespräche und ordentlich Bier gäbe es auch noch. Ich höre die Argumente, aber sie wollen partout kein Feuer der Euphorie in mir entfachen. Im Gegenteil. Ich werde von all der Verherrlichung dieses Wochenendes nur noch genervter und entfremde mich mit noch viel weiter von einer Teilnahme, als den Nachfragenden recht sein kann. Die Vorstellung einen Haken am Wochenende um Fronleichnam – oder ist es Christi Himmelfahrt, ich will mir noch nicht mal das merken – auf einem Zeltplatz im Nirgendwo in Hessen in den Boden hämmern zu müssen, verhagelt mir die positive Haltung, die ich sonst mit gutem Willen vielen Dingen grundsätzlich entgegenbringen kann.
Ich habe recht eindeutig an vielen Stellen bereits meine Nichtteilnahme breit verkündet. Eine Nichtteilnahme auf Lebzeiten wohlgemerkt. Es gibt für mich persönlich keinen Grund, dorthin zu fahren. Nur Gründe, die dagegensprechen. Erster Grund: Ich finde, das ist eine Veranstaltung, die direkt in den 90ern oder noch früher hätte initiiert werden können. Irritierend retro. Die Frauen haben das ganze Jahr über die Kinder und die Männer nehmen sie dann mal großzügig für vier Tage ab. Als Thema holt mich das überhaupt nicht ab. Null die Bohne. Nur mal so: Ich fordere ja auch kein Mutter-Kind-Wochenende zur Entlastung der Männer. Same same but different. You understand?
Nächster Grund: Viel zu viele Menschen auf einem in sich geschlossenen Setting, hier: ein Zeltplatz. Viele Menschen bedeuten, dass die Wahrscheinlichkeit, auf einige Arschgeigen dort zu treffen, nicht gering ist. Das ist so. Nur weil wir Väter sind, haben wir noch keine ausreichend hohe gemeinsame Schnittmenge, die uns über die Spanne Donnerstag bis Sonntag ausreichend auskömmlich trägt. Dazu ist die Welt der Väter und deren Haltungen viel zu unübersichtlich geworden. Kürzlich traf ich einen gleichgesinnten Vater, der dazu nur meinte „viel zu viel Gruppenzwang“. Genau richtig. Er ist in diesem Stadtteil sogar geboren und pfeift drauf. Sehr guter Typ, dieser Vater!
Ich werde in diesem Herbst 53 Jahre alt. Vor mir liegen weniger Lebensjahre wie hinter mir. Ich möchte meine private Zeit so weit wie möglich mit Menschen verbringen, die ich ausschließlich mag. Daran ist auch eng der nächste Grund geknüpft. Am Abend noch Lagerfeuer, irgendein Hobbymusiker holt die Gitarre aus dem Gepäck und alle summen erst leise und je später der Abend wird, singen dann alle immer lauter mit. Am Ende „Let it be“ oder „Country Roads“. Heiland der Welt! Bitte „Take me home”. Ganz schnell. „To the Place I belong“. Und dieser Platz ist nicht das Vater-Kind-Wochenende. Safe!
Noch ein Grund: Zelten mit Kindern. I know, Zelten mit den Kindern ist ein Muss, auch wenn es mein Vater – wie viele Väter aus der Generation meines Vaters übrigens – mit mir nie gemacht hat. Aber unsere Generation will die Dinge ja auch weiterentwickeln. Von daher wegen mir in einem kleinen, überschaubaren Team. Und dennoch gehört Zelten mit Kindern zu einer Form des Übernachtens, die ich am allerwenigsten favorisiere. Harter Boden, im Sommer immer schnell zu heiß im Zelt, ab September unangenehm frisch. Alles muss man suchen, kein vernünftiger Tisch und die Toiletten sind oft genug verschissen. Sieht so Entspannung nach harten Wochen der Lohnarbeit aus? Nein. Ende der Durchsage.
Ich muss da nicht hin. Und ich fahre da nicht hin. Nur die moralische Keule meines Sohnes schwebt immer noch über mir. Meine Tochter habe ich schon durch, die winkt von weitem ab und hebt das „Kein Bock-Plakat“. Danke Hanni für die Einsicht. Aber im Gegensatz zu uns beiden will Bruno hartnäckig wenigstens einmal in seinem Leben daran teilnehmen. Er ist die ungleich härtere Nuss. Mein Gefühl sagt mir, dass ich mich in seinem Fall noch vier, vielleicht fünf Jahre durchlavieren muss, dann könnte es geschafft sein. Ein Lebensziel als Vater: Nie Teil der Reisegruppe „Vater-Kind-Wochenende“ gewesen zu sein. Ich könnte es packen.
Bruno und ich hören: Title Fight „Floral Green“ (Side One Dummy)
