Johnny Ramone hat mir gerade noch gefehlt. Also nicht, dass ich ein ausgewiesener oder am Ende einer der größten Ramones-Fans der Stadt bin. Ich bin Ramones-Fan eben in etwa so, wie es sich für einen Punkrock-Fan meines Alters gehört. Ein bisschen sind sie in ihrem Genre – also für uns ambitionierte Altpunkfans – eine Art Beatles. Und an denen darf ja auch nicht gerüttelt werden. Entsprechend handhabe ich es mit den Ramones ähnlich. Letztendlich Outstanding. Gern gehört und immer mit Wertschätzung begegnet. Meinem Sohn sagen die Ramones und vor allem ein einzelner Ramone – in diesem Fall Johnny – überhaupt nichts.
Genauso wenig wie die Beastie Boys. Auch Outstanding, nur anders. Die Beastie Boys sind ihm ebenfalls kein wirklicher Begriff. Nur als meine Frau und ich im vergangenen Jahr auf der Heimfahrt aus Südfrankreich die „To the 5 Boroughs“ ungefähr vier- bis fünfmal hintereinander hörten, wurde es ihm deutlich zu viel und er bat uns nachdrücklich, wir mögen jetzt mal diese Band stoppen und die Songs wechseln. Es hing ihm ziemlich aus den Ohren raus. Dies ist der einzige Moment, der mir einfällt, warum ihm Mike D., Adam Yauch und Adam Horovitz noch im Gedächtnis geblieben sein könnten. Ich vermute allerdings, er erinnert sich weder an die Musikgruppe noch an diese – wirklich außergewöhnlich gute – Platte.
Jetzt steht Johnny Ramone neben den Beastie Boys im Wandregal in seinem Zimmer. Als Spielfigur. Die Beastie Boys in ihrem Outfit aus dem Video zu Sabotage habe ich mir selbst geschenkt, Johnny Ramone bekam ich von meinem guten Freund Markus. Ich habe es in Zusammenhang mit dem Burensohn schon einmal erwähnt: Er ist wirklich ein guter Freund, denn nur gute Freunde helfen geistesgegenwärtig und schenken mit so viel Hirn und Stil. Das Problem ist, dass meine Frau meine Leidenschaft für Figuren dieser Art in keiner Sekunde teilt und auch nicht sonderlich wertschätzt. Sie akzeptiert es notgedrungen, sagt allerdings, dass wäre hanebüchener Bockmist, was für Kinder und in unserem Haus und an prominenter Stelle würde so etwas schon mal gar nicht platziert werden. Sonst knallt es. Oder so ähnlich.
Bereits an früherer Stelle habe ich geschrieben: Meine Frau führt in Sachen Interior und Einrichtungsstil unseres Hauses ein sehr strenges Regiment. Ich kann hier mal ein limitiertes Konzertplakat platzieren, dort einen Hugh Hefner aus der Simpsons-Anniversary-Edition verstecken und am anderen Ort ein nicht mehr erhältliches Foto von Eric Davidson von den New Bomb Turks positionieren. Meinen Kindern geht es kaum besser. Es ist ein harter Kampf, kleine Lücken müssen wir finden, sie manchmal austricksen oder andere Bereiche übernehmen. Also mache ich jetzt mit meinem Sohn eine eigene Art von gemeinsamer Sache und ich weiß, ich nutze hier sein Vertrauen in meine Erfahrung und mein übergriffiges Wissen, was ihm gefallen könnte. Wir gründeten das Regal of Fame.
Also vielmehr: Ich rief das Regal of Fame ins Leben und er verwaltet es seitdem mit einem mir sehr sympathischen und souveränen Selbstverständnis in seinem Zimmer. Wie ein Museumsdirektor. Ich bin dagegen der Mäzen und sponsore diese permanente Ausstellung. Es sind Dauerleihgaben bis zu meinem Tod. Dann gehört alles ihm. Das habe ich so beschlossen. Ganz ohne Testament. Manche Teile haben Wert, wie das Original-Battle-Cat und der ebenfalls Original-Skeletor oder der Mini-Evel-Knievel auf seinem Chopper. Manch anderes ist eine – sehr gelungene – Neuauflage. Der Luke Skywalker aus Rückkehr der Jedi-Ritter beispielsweise. Eine Version, die sich streng an die Figur aus der ersten Edition hält, damals von der Firma Kenner im Jahr 1983 oder 1984 auf den Markt gebracht und die ich leider irgendwann verloren habe. Für mich ist das tatsächlich die beste Version von Luke Skywalker. Aber darüber darf gerne gestritten werden.
Daneben gesellt sich eine kleine, aber feine Sammlung ausgewählter Figuren aus der Funko-Pop-Reihe. Oder wie mein Sohn gerne ruft „Schau mal Papa, da gibt es Dickköpfe“. Ich habe ihn mittlerweile mit der Sammelleidenschaft angesteckt. Den Marty McFly hat er selbst beigesteuert. Früh übt sich. McFly findet sich inmitten eines kleinen Who-is-Who, bekannt aus Funk, Fernsehen, Sport und Kino. Neben John McEnroe, Rocky Balboa oder Jon Hamm aka Don Draper. Die Auswahl zeigt, wer sich in weiten Teilen als Kurator für das Gros dieser Ausstellung verantwortlich zeigt. Mein Sohn ist es nicht. Denn keiner dieser drei hat etwas mit seiner Generation zu tun. Genauso wenig wie Thomas Magnum. Aber er ist auf einem guten Weg und wird den Grundstock eines Tages zu schätzen wissen.
Vielleicht werden jetzt Stimmen laut, die meinen, hier handele es sich um die Leidenschaft eines in die Midlife-Crisis gekommenen alten weißen Mannes. Der jetzt auch noch über ein paar Moneten extra verfügt, um sich so einen Nonsens endlich leisten zu können. Statt eines Sportwagens jetzt eben He-Man oder Stranger-Things-Figuren. Freunde, das ist ausgewiesener Humbug. Das ist ein Vater-Sohn-Ding. Ein gemeinsames Hobby. Ein neuer Generationenvertrag. Ein ganz großer Spaß! Willkommen Johnny Ramone auf dem Regal of Fame. Du hast uns gerade noch gefehlt.
Bruno und ich hören: Shout Out Louds „Howl Howl Gaff Gaff“ (Bud Fox Recordings)