Lunzt der nahende Schulabschluss schon um die Ecke und man möchte nicht direkt wieder büffeln? Ist man unter 27 und will sich erst noch im Leben orientieren, bevor es in die Vollen geht? Benötigt man Erfahrung in bestimmten Branchen, um einen Studiengang antreten zu können, oder weiß man einfach noch nicht wohin mit sich? Es existieren viele Gründe, ein Freiwilliges Soziales Jahr zu absolvieren. Paula Engelhard und Robert Koch haben mit FRIZZ Das Magazin über ihre Motivationen, persönlichen Werdegänge und individuellen Entwicklungen während ihres FSJs bei Radio Klangbrett gesprochen.
FRIZZ Das Magazin: Wieso habt ihr euch für ein FSJ entschieden und wie seid ihr dabei auf Radio Klangbrett gestoßen?
Robert Koch: Ich hab mich fürs FSJ entschieden, weil ich Journalismus studieren wollte und in ganz vielen Bereichen und Schulen hieß es, dass man ein Praktikum gemacht haben muss. Ich hatte eh vor, nach der Schule ein Jahr Pause einzulegen und habe mir gedacht, dass ich mir irgendwas im journalistischen Bereich suche. Dann hat mir meine Mutter ganz, ganz viele Links zu Bewerbungsplätzen geschickt. Ich habe mich bei vielen gemeldet und Radio Klangbrett hat gesagt, dass sie mich nehmen.
Paula Engelhard: Bei mir war es tatsächlich etwas anders. Ich wollte eigentlich immer Lehramt studieren nach der Schule, dachte mir dann aber, direkt von der Schule wieder in die Schule will ich nicht. Ich war auf der Suche nach irgendwas, um den Zeitraum zu überbrücken. Dann habe ich das erste Mal vom FSJ an sich erfahren und durch einen Kumpel, der in Aschaffenburg Musik macht – der Antinger – mitbekommen, dass sie hier FSJ-Stellen haben, nachdem sie ihm eine Interviewanfrage geschickt haben. Ich habe eigentlich viel zu spät – Anfang Juli – eine Mail geschrieben, aber es hat trotzdem spontan noch geklappt.
© Till Benzin
Paula und Robert
Welchen Bewerbungsprozess habt ihr durchgemacht?
RK: Mein Prozess war der Standardbewerbungsprozess. Es gab eine Seite, auf der man ein bisschen was zu sich ausgefüllt hat und einen Text geschrieben hat. Wegen Corona habe ich eine Mail von Kerstin (Anm. d. Red.: Kerstin Günther, pädagogische Leiterin Radio Klangbrett) bekommen, ob ich Lust auf einen Zoom-Call habe, in dem viel zum FSJ erklärt wurde und ich ein paar Sachen gefragt wurde. Kurz vor meinem schriftlichen Abi kam die Zusage und dann war ich ganz entspannt, weil es geklappt hat.
PE: Bei mir war das, wie gesagt, ein bisschen anders (lacht). Ich habe bei Klangbrett, also Kerstin, direkt angefragt und gesagt, dass ich Bock auf ein FSJ oder Praktikum habe und gefragt, ob was frei ist. Dann hat sie geschrieben, dass die FSJ-Stellen eigentlich schon voll sind, aber es sei kurzfristig jemand abgesprungen. Daraufhin hatte ich ein persönliches Gespräch, bei dem ich Kerstin und meine Vorgängerin kennengelernt habe. Zwei Tage später habe ich die Zusage bekommen.
Das heißt, es sind dann immer zwei FSJ-Stellen?
PE: Bei Klangbrett ja.
Musstet ihr Grundvoraussetzungen oder Vorkenntnisse mitbringen, um genommen zu werden?
RK: Gar nicht.
PE: Ne. Also das Gute an diesem Bewerbungsverfahren, das man eigentlich durchlaufen sollte (lacht), war, dass man nur ein Motivationsschreiben heranzieht. Man sieht weder, was für einen Abschluss die Person hat, welche Herkunft, den Namen sieht man auch erstmal nicht – man kann also auch gar nicht zuordnen, was für ein Geschlecht die Person hat. Das ist das Gute an dem Verfahren, was ich halt umgangen habe (lacht). Deshalb muss man auch keine Voraussetzungen erfüllen.
RK: Man kann natürlich Vorkenntnisse mitanbringen, wenn man welche hat. Ich habe geschrieben, dass ich vorher schon journalistische Erfahrungen gesammelt habe.
PE: Hast du? (lacht)
RK: Ja, ich war im Jugendgemeinderat und habe die Artikel fürs Gemeindeblatt geschrieben.
PE: Es gibt quasi keine Anforderungen, die man erfüllen muss. Es kann also jeder machen.
© Till Benzin
Paula und Robert
Welche Aufgaben dürft ihr hier übernehmen?
PE: Boah, das ist bei Klangbrett immer ganz, ganz schwierig zu sagen.
RK: Alles.
Man macht eigentlich alles, was zum Radio dazugehört.
PE: Man kann echt sagen, es ist alles, weil’s eben ein Jugendradio ist und man als FSJler hier in Vollzeit arbeitet. Kerstin ist nur halbtags da. Sie ist donnerstags und freitags meistens nicht hier, das heißt, man macht sowieso alles: Beiträgeschreiben, Aufnehmen, Schneiden, die Musik auswählen für die Sendung, die man dann auch moderiert, sich um die Technik im Studio kümmern. Man hilft den Jugendlichen, selbst Beiträge zu erstellen. Da kommt dieser pädagogische Aspekt raus. Man macht eigentlich alles, was zum Radio dazugehört.
RK: Marketing, Social-Media, Facebook, Instagram, TikTok. Du machst alles, was so in der Redaktion anfällt.
PE: Man kann sich auch in allem, worauf man Bock hat, sehr stark ausprobieren. Das ist cool!
Das heißt, ihr seid klassisch in Vollzeit hier?
PE: Ja. Jeden Tag. Fast immer acht Stunden. 39 Stunden die Woche und 2,50 Euro pro Stunde (lacht).
RK: Nicht mal ganz (lacht).
Am Anfang war ich voll aufgeregt davor, das erste Mal aufzunehmen.
Wie geht ihr an eine anstehende Aufnahme für eine Sendung ran?
RK: Relativ simpel. Man informiert sich vorher, worüber man schreiben möchte, sucht sich Inspirationen – manchmal auf Youtube, TikTok oder man hat selbst Themen, für die man sich persönlich interessiert. Man schreibt den Text, setzt sich in die Aufnahmekammer und dann wird aufgenommen.
PE: Am Anfang war ich voll aufgeregt davor, das erste Mal aufzunehmen. Die eigene Stimme zu hören, ist ganz schwierig.
RK: Ganz schwierig (schmunzelt).
PE: Aber an sich ist das ein super simpler Prozess. Ich habe immer noch ein bisschen Angst vor Interviews. Ich hab’ da ordentlich Arschflattern (lacht). Ich bin echt aufgeregt, aber ich habe mir vorgenommen, das öfter zu machen. Bei Klangbrett geht es darum, sich selbst zu verkörpern. Wenn ich Roberts Text einsprechen würde, würde das sehr unnatürlich rüberkommen, weil wir unterschiedlich schreiben. Deswegen ist es wichtig, seine Worte zu finden, um gescheit ranzugehen. Irgendwann kommt man in eine Routine und dann ist es ganz entspannt, aufzunehmen.
RK: Man versucht das relativ einfach zu verpacken, denn wir sind ein Jugendradio und wollen das nicht so hochkarätig in extrem sozialkritischen Themen aufdröseln, dass die Hörer am Schluss nur Bahnhof verstehen.
© Till Benzin
Radio Klangbrett
Habt ihr mit Seminaren auch Weiterbildungsmöglichkeiten während des FSJs?
PE: Ja, dadurch dass wir hier eine Bufdi-Stelle haben – also Bundesfreiwilligendienst – haben wir sogar fünf Seminare statt nur vier. Da ist noch ein politisches Bildungsseminar dabei. Da fährt man zu irgendwelchen Jugendherbergen und lernt dort die anderen FSJler aus seinem Umkreis kennen und tauscht sich aus. Die Seminare sind immer themenorientiert. Eines ging um Identität. Da war ich bei einem Rap-Workshop. Ich kann jetzt rappen (lacht).
RK: Ich hatte Fotografie. In dem Bufdi-Seminar ging’s einmal um den Ukrainekrieg und einmal um den afrikanischen Kontinent. Das dritte Seminar ging um Zukunftsgestaltung mit Theater-, Tanz- und DJ-Workshops.
Das klingt echt sehr abwechslungsreich …
PE: Ja, voll. Man kann während des FSJs auch selbstorganisierte Bildungstage machen und bei einer anderen FSJ-Stelle oder in der Uni hospitieren.
RK: Es gibt zudem drei Pflichtwahlbildungstage, bei denen man aus einem Pott von zehn bis zwölf Sachen auswählen konnte und dann dort hingegangen ist.
PE: Du warst ja bei einem Workshop zu journalistischem Arbeiten, ich bei FLINTA – also Frauen-Empowerment – dann konnte man sich noch die Wunderstadt Chemnitz anschauen (lacht). Es ist also echt kunterbunt gemischt und man kann sich hervorragend weiterbilden.
Was wollt ihr nach dem FSJ machen? Bleibt ihr bei euren vorherigen Plänen?
RK: Ich bleibe bei meiner Entscheidung. Ich finde das immer noch eine gute Idee. Ich werde dran festhalten.
PE: Ich muss sagen, bei mir hat sich der Wind in die journalistische Richtung gedreht. Ich hätte nie gedacht, dass dieses Jahr so viel mit einem machen kann, aber ich will jetzt nicht mehr Lehramt, sondern Journalismus studieren. Ich hab’ mich schon beworben. Mal gucken, ob’s was wird.
Wisst ihr schon, in welche Richtung es nach eurem Studium gehen soll?
PE: Ich hab’ immer Bock, was mit meiner Stimme zu machen. Ich will mich da in verschiedenen Richtungen ausprobieren und für mich rausfinden, was ich am coolsten finde. Aber ich glaube, dass ich zu Radio oder Fernsehen tendiere.
RK: Ist schon cool, mit der Stimme zu arbeiten. Ich will auch in’s Radio oder Fernsehen. Die Tagesschau zum Beispiel (lacht und formt seine Hände, als würder er Moderationskarten halten).
© Till Benzin
Paula und Robert
Wie habt ihr euch das erste Mal gefühlt, als ihr vor dem Mikrofon saßt?
PE: Boah, das war so unangenehm. Ich erinnere mich noch genau an die Situation. Wir kamen am ersten Tag rein und nachdem Kerstin uns herumgeführt und alles gezeigt hat, standen wir zu dritt in der Aufnahmekammer und wir beide sollten Sätze vorlesen. Es war so unangenehm, weil wir die alle gemeinsam angehört haben. Ich hab’ mich auch richtig geschämt (lacht).
RK: Wenn man das nicht gewohnt ist, seine Stimme dauerhaft zu hören, ist es echt unangenehm. Jeder kennt das ja, zum Beispiel von Whatsapp, wenn man eine Sprachnachricht aufnimmt und dann irgendwelche Eigenarten in der Stimme entdeckt.
Was wird euch von der Zeit bei Radio Klangbrett in Erinnerung bleiben?
PE: Da fang ich gleich an zu weinen, weil ich weiß, dass es bald vorbei ist.
RK: Ja (nickt zustimmend).
PE: Alles, glaub’ ich. Dieser ganze Arbeitsplatz ist so ein Safespace. Hier wird jeder so genommen, wie er ist, ob man jetzt mental oder körperlich nicht ganz fit ist. Egal. Jeder wird mit seinen Ecken und Kanten akzeptiert. Kerstin ist eine Person, die sehr bemüht darum ist, dass es uns hier gut geht und das wird mir am meisten in Erinnerung bleiben. Man hat das Gefühl, Radio Klangbrett ist wie ein Anker. Ich fühl mich hier unfassbar wohl und würde jederzeit wiederkommen. Es sind tolle Leute und Kerstin hat mir sehr viel geholfen, was meine Mentalität und meinen journalistischen Werdegang angeht. Und wenn es was mit dem Journalismus werden sollte, werd’ ich mein Leben lang in Erinnerung behalten, dass das hier meine erste Station war und wir viele Möglichkeiten hatten – zum Beispiel über Radio Galaxy ins Funkhaus zu gehen, dort zu moderieren. Sowas hat man nicht überall.
RK: Da kann ich mich Paula nur anschließen. Die Leute hier sind mega cool. Kerstin ermuntert einen, immer wieder Dinge zu machen, von denen man nicht gedacht hätte, dass sie möglich wären. Ich hab’ vor einem Monat mit dem deutschen Marathon-Meister geredet, weil ich grade selbst dafür trainiere und Kerstin meinte, dass ich einfach mal anfragen soll. Ich hätte nie erwartet, dass jemand zurückschreibt, doch dann meinte der deutsche Meister, dass wir das hinkriegen. Der hat sich auch so ’ne Stunde Zeit genommen, um mit mir zu reden. Oder, dass ich mit der Polizei reden konnte. Das ist schon sehr cool. Man lernt sehr viel über das Arbeiten – das journalistische Arbeiten generell und wie eine Redaktion funktioniert. Es ist ein Safespace, in dem man sich komplett austoben kann und wenn mal verkackt, ist das auch nicht schlimm.
Hier ist wirklich null Druck dahiner. Wenn was nicht geht, geht’s nicht.
PE: Hier ist wirklich null Druck dahinter. Wenn was nicht geht, geht’s nicht. Die Moderation beim CSD war auch eine riesengroße Ehre für uns, die uns immer in Erinnerung bleiben wird.
RK: Generell die ganzen Livemoderationen – wie der Ehrenamtsabend, den wir schon moderieren durften, obwohl wir gerade einmal einen Monat als FSJler bei Radio Klangbrett waren.
PE: Eine Büttenrede hab’ ich da rausgehauen, weil ich über die vom Karneval geredet habe. Ich tanze selbst Garde, deswegen hat das sehr viel Spaß gemacht.
Paula und Robert, vielen Dank fürss tolle Gespräch und das Teilen eurer Eindrücke.
