Murat Kurnaz wird 2001, kurz nach den Anschlägen des 11. Septembers, in Pakistan des Terrorismus bezichtigt, von der Polizei verhaftet und gegen Kopfgeld den US-Streitkräften übergeben. Da er als „feindlicher Kämpfer“ eingestuft wird, bringt man ihn als einen der ersten Häftlinge in das neue kubanische Strafgefangenlager Guantanamo Bay Naval Base. Daraufhin legt sich seine Mutter Rabiye mit dem Rechtssystem und damit quasi mit dem damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten, George W. Bush an. Um ihren zu Unrecht inhaftierten Sohn nach Hause zu holen, kämpft sie fünf Jahre unermüdlich einen scheinbar chancenlosen Kampf, der sie bis zum amerikanischen obersten Gerichtshof führt.

© Andreas Hoefer & Luna Zscharnt; Pandora Film
Rabiye Kurnaz
Aus dem Stoff, dieser zutiefst menschlichen Geschichte, haben Regisseur Andreas Dresens und Drehbuchautorin Laila Stieler eine Politkomödie gemacht, die auf wahren Geschehnissen basiert.
Umgesetzt wird das Ganze auf sehr emotionale Weise aber auch immer mit einem Augenzwinkern. Es geht um Recht und Willkür, um einen Kampf gegen Windmühlen. Eine Frau, die einfach nur ihr Kind wiederhaben möchte, gegen den mächtigen Präsidenten eines übermächtigen Landes – David gegen Goliath. Doch vor allem wird hier deutlich, mit welcher Zielstrebigkeit Rabiye ihren Sohn rausholen will. Der Kampf um Murat ist mühsam und langwierig, dauert mehr als fünf Jahre. So lange wird er ohne Anklage festgehalten und wiederholt gefoltert.
Wie schlimm diese Zeit, in der ihr Sohn unschuldig in einem der härtesten Gefängnisse der Welt sitzt, bringt Dresen meisterlich auf die Leinwand: Die Zeit wird in Tagen angegeben, was das Ausmaß des unbeschreiblichen Schmerzes, den Rabiye fühlt, verdeutlicht. 900 Tage vom eigenen Kind getrennt zu sein, zu wissen, dass es unschuldig in Gefangenschaft ist, ein unsägliches Gefühl, angesichts dessen wohl viele in Ohnmacht verfallen würden. Nicht aber Löwenmutes Rabiye. Komikerin Meltem Kaptan, die hier ihr Leinwanddebüt gibt, verkörpert diese Rolle perfekt und trägt den Film. Kaum verwunderlich, dass Dresen, der eigentlich einen Film über Murat machen wollte, sich nach einer Begegnung mit dessen Mutter anders entschied und sie ins Zentrum der Erzählung stellt. Zwischen Brehmer Dialekt und türkischen Lebensweisheiten, willensstark und energetisch verkörpert sie Wärme und Humor.

© Andreas Hoefer & Luna Zscharnt; Pandora Film
Rabiye Kurnaz
Schon zu Beginn wird klar, dass Rabiye eine quirlige und energische Frau ist, die mitten im Leben steht, die ihre Familie managed und die Sympathie der Zuschauer sofort auf ihrer Seite hat. Als sie von der Festnahme und später von der Inhaftierung ihres Sohnes hört, wendet sie sich an den Anwalt Bernard Docke, der die temperamentvolle Deutsch-Türkin zunächst einmal wieder loswerden will. Doch Widerstand ist zwecklos und so unterstützt er Rabiye im Kampf um die Freilassung ihres Sohnes. Das ungleiche Duo, zwischen dem sich eine unvergleichliche Freundschaft entwickelt, lässt nichts unversucht, um Murat rauszuholen. Doch weder die amerikanischen noch die deutschen oder türkischen Behörden fühlen sich zuständig. Deshalb führt der Weg zu Murats Freilassung sie bis zum Supreme Court in Washington DC …
Die humoristische Inszenierung des Stoffes nimmt dabei dem Film nichts an Tiefgang, im Gegenteil. Dresen schafft es durch die sympathische, willensstarke Mutter in der Hauptrolle Traurigkeit, Anteilnahme und Herzenswärme und Witz auszubalancieren. Das Ergebnis ist Mischung, die das Publikum abholt, denn dadurch ist das Ganze kein anprangernder Politfilm der einfach nur Empörung aufrührt oder Wut und Resignation zurücklässt. Vielmehr schenkt er Hoffnung und zeigt, dass es sich immer lohnt zu kämpfen, auch wenn es vermeintlich aussichtslos ist. „Die Welt ist veränderbar!“ – genau das sagte Dresen auch im Interview auf dem roten Teppich der Berlinale, wo der Film Ende Februar Weltpremiere feierte. Zu Gast war auch Rabiye Kurnaz, sie besuchte die Premiere im Berlinale-Palast gemeinsam mit Regisseur Andreas Dresen. Sowohl Drehbuchautorin Laila Stieler als auch Meltem Kaptan wurden für ihre herausragende Arbeit mit einem Bären ausgezeichnet, absolut verdient!