Es gibt viele Bewerbungsratgeber – je mehr man sich von diesen anschaut, desto verwirrter ist man. Um mal ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen, haben wir Stefan Appel mal auf den Zahn gefühlt. Der ist nämlich nicht nur Gitarrist unserer Lieblings-Medleyschmiede Dead Energy, sondern auch Personalchef eines großen Outdoor-Versandhändlers.
FRIZZ Das Magazin: Hiermit bewerbe ich mich um ein aufschlussreiches Gespräch mit dir als Experte … Komme ich mit einer derartigen Einleitung bei dir in die nächste Runde?
Stefan Appel: Gerade so … (lacht)
Spaß beiseite. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die „richtige Bewerbung“ immer mehr zur Raketenwissenschaft mutiert. Ist es wirklich so viel komplizierter als früher, eine gute Bewerbung zu verfassen und bei einem Personaler zu punkten?
Finde ich eigentlich nicht. Aus meiner Sicht war schon immer eine gute Bewerbung eine gute Bewerbung, daran ändert weder Corona noch die Digitalisierung etwas. Was ich bemerke, ist, dass einige (vor allem große) Firmen den Bewerbungsprozess recht umfangreich (bzw. umständlich) gestalten. Mitunter müssen sehr lange Fragebogen vor dem Absenden der Bewerbung ausgefüllt werden und z. B. der komplette Lebenslauf manuell erfasst werden. Hier würde ich den Spieß sogar rumdrehen: Ich als Bewerber möchte gerne unkompliziert meine Bewerbung einreichen können. Ist mir der Prozess zu umständlich oder gar nervig, bewerbe ich mich vielleicht lieber woanders. In Zeiten, in denen Arbeitgeber mehr und mehr Schwierigkeiten haben, passende Bewerber für ihre offenen Stellen zu finden, gestalte ich den Bewerbungsprozess für meine potenziellen neuen Mitarbeiter so angenehm wie möglich.
Klar ist zudem auch, dass jeder Personaler anders ist. Was erwartest du ganz persönlich vorrangig von Bewerbern?
Das stimmt, da tickt vermutlich jeder Personaler bzw. auch jedes Unternehmen und verschiedene Branchen unterschiedlich. Für mich persönlich zählt vor allem die Authentizität der Bewerber. Außerdem sollten sich Kandidaten vor dem Absenden der Bewerbung mit dem Unternehmen beschäftigt haben und sich damit identifizieren können. Schafft der Bewerber, das in seiner Bewerbung überzeugend rüberzubringen, ist die erste Hürde schon mal geschafft. Dabei können Kandidaten gerne kreativ sein, nichts langweilt einen Recruiter mehr, als die hundertste 0815-Bewerbung von der Stange.
Wie kann ich also verhindern, dass meine Bewerbung – trotz aller meiner persönlichen Eignungen – im ersten großen Stapel auf nimmer Wiedersehen untergeht?
Die Unterlagen sollten mindestens mal vollständig sein und alle Angaben gemacht werden, die der Arbeitgeber in der Bewerbung verlangt (z. B. Gehaltsvorstellung, frühestes Eintrittsdatum etc.). Muss sich der Arbeitgeber erst die Mühe machen, fehlende Unterlagen oder Daten anzufordern, ist das schonmal ein Minuspunkt. Ansonsten beziehe ich mich auf meine Antwort zur vorherigen Frage: Es sollte klar aus der Bewerbung hervorgehen, warum man genau bei diesem Arbeitgeber arbeiten möchte und warum man der richtige Kandidat für die Stelle ist.
Thema Social Media: Inwieweit werden Bewerber bezüglich ihrer Aktivitäten auf Facebook, Insta etc. gecheckt? Als Beispiel: Von mir existiert im Netz ein Foto, auf dem mir eine zweistellige Anzahl Partyhütchen auf den Kopf und ins Gesicht geklemmt wurden. Zudem kann man auf dem Bild sehr gut erkennen, dass an diesem Abend nicht nur Fanta getrunken wurde. Sollte ich ein derartiges Bild vor einer Bewerbungsphase diskret aus meiner Timeline verschwinden lassen?
Haha, das Bild, von dem du sprichst, habe ich (als guter Personaler) soeben bei Facebook entdeckt. Ein gewissenhafter Recruiter wird sicherlich auch außerhalb der eingereichten Bewerbung Recherchen zu interessanten Kandidaten durchführen, so bestimmt auch bei Facebook, Instagram, Xing und Co. Am besten, du versetzt dich einmal in die Position des Arbeitgebers, googlest dich selbst oder suchst dich in den Sozialen Medien. Dann stellst du dir die Frage, ob das, was du dort findest, aus Sicht deines Traumarbeitgebers eher positiv oder negativ rüberkommt. Ich persönlich wäre auf jeden Fall eher sparsam mit Party-Hard-Fotos im Netz, nicht nur in der Bewerbungsphase.
Prinzipiell kann man, glaube ich, festhalten, dass die Soft Skills der Bewerber heutzutage mehr ins Gewicht fallen, als das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Wie schafft ihr es als Arbeitgeber, euch ein belastbares Bild der jeweiligen Skills zu verschaffen? In Gesprächen ist das ja nur sehr bedingt möglich, oder?
In Gesprächen kann man mit den richtigen Fragen schon recht viel herausfinden. Kommen Kandidaten in die engere Auswahl, findet oft ein Probearbeitstag bzw. Assessment statt. Hier können Arbeitgeber Bewerber noch mehr auf den Zahn fühlen und prüfen, ob sowohl die Hard- als auch die Soft Skills für die jeweilige Stelle vorhanden sind.
Du hast in deinem Leben schon unzählige Bewerbungen gelesen und Vorstellungsgespräche mit Bewerbern geführt. Was war die ungewöhnlichste Aktion, die ein Bewerber gebracht hat, um an den Job zu kommen (und die vielleicht sogar zum Erfolg geführt hat)?
Ich habe mal einem Bewerber nach Prüfung seiner Unterlagen eine Absage geschickt, weil sein Profil leider nicht zu den Anforderungen unserer Stelle gepasst hatte. Unglücklicherweise kannte der Bewerber mich wohl und passte mich eines Abends bei einem Besuch im Colos-Saal ab und versuchte, mich durch Überzeugungsarbeit in Form von Freigetränken meiner Wahl umzustimmen. Als auch das nicht half, wurde der Kandidat ziemlich pampig und unangenehm … Die Stelle hat er leider trotzdem nicht gekriegt, schade.
Vielen Dank für das interessante Gespräch!
Stefan Appel arbeitete bis Ende 2018 als Personalleiter bei Stylefile in Großostheim. Inzwischen lebt er in seiner neuen Wahlheimat München und -arbeitet dort als Head of Human Resources bei Bergzeit. Das E-Commerce-Unternehmen besteht seit über 20 Jahren, hat derzeit 300 Mitarbeiter und stattet Begeisterte mit Outdoor- und Bergsportausrüstung aus.
Musts
- VOR jeglicher Bewerbung checken, ob man tatsächlich zum Job/Arbeitgeber passt.
- Maßgeschneiderte Bewerbung mit Bezugnahme auf das jeweilige Unternehmen verfassen.
- Ohne Übertreibungen vermitteln, warum man perfect fit ist.
- Authentisch sein sowohl in der schriftlichen Bewerbung als auch im Vorstellungsgespräch.
No-Gos
- 0815-Bewerbungen – schlimmstenfalls obendrein ans falsche Unternehmen/Ansprechpartner adressiert.
- Selbstverliebtes & überhebliches Auftreten im Vorstellungsgespräch – die Balance zwischen Selbstbewusstsein und Zurückhaltung gewinnt.
- Die Frage nach persönlichen Schwächen mit Perfektionismus beantworten.