Foto: Till Benzin
GITARRE TRIFFT TASTEN
Nachdem wir schon Teilnehmern aus den Bereichen Rock, Jazz, Rockabilly, Splatter-Pop, Reggae, Party, Cover und … äh, ja, YEAH! einen Platz auf unserem ganz schön durchgerockten Sitzmöbel angeboten haben, durften wir für die aktuelle Ausgabe einen Mann begrüßen, der ohne große Verrenkungen viele Genres unter seinen sechs Saiten vereint: Ausnahmegitarrist Andy Kirchner. Ihm gegenüber saß Yacine Khorchi, seines Zeichens Jazzpianist und ein ziemlich begnadeter Könner seines Fachs. Und wieder stellt sich die spannende Frage, ob ein Hendrix-Jünger und ein studierter Klassiker gemeinsame Themen haben. Haben sie!
FRIZZ Das Magazin: Wie immer zum Einstieg die Frage, ob ihr euch schon mal über den Weg gelaufen seid?
Andy: Leider noch nicht, aber das ändert sich ja mit dem heutigen Tag!
Yacine: Ich kenne Andy nur aus der Position des Zuschauers, habe ihn mal mit Hot Stuff gesehen. Aber zu tun hatten wir tatsächlich noch nie miteinander.
A: Machst du hauptberuflich Musik?
Y: Ja, ich bin schon längere Zeit als Profi unterwegs. Als Sechsjähriger wurde ich – gegen meinen Willen – zum Klavierunterricht angemeldet. Meine Eltern kannten da keine Gnade (lacht)! Mein Lehrer Frank Rohe hat schnell erkannt, dass ich wohl Talent habe, auch wenn klar war, dass das bei mir mit der strikten Klassik eng wird. Im Alter von zehn bis 14 Jahren habe ich dann vom Können her die größten Sprünge gemacht. Später folgte dann das „Pro-Pro“-Level bei Bernhard Kraft auf der Future Music School, bevor ich dann schließlich Jazz und Klassik an der Uni Würzburg studiert habe. Ich habe auch eine Zeit lang eigene Sachen komponiert, fokussiere mich aber inzwischen eher auf das Covern. Allerdings bereite ich gerade mein zweites Album vor, für das ich bestehende Kompositionen komplett neu arrangiere. Das ist eine ähnliche Kreativleistung wie das Komponieren von Musik.
A: Beim Bernhard Kraft? Cool, mit ihm habe ich Mitte der Neunziger in der Band Slam Jam zusammen gespielt, da haben wir auch eigene Titel gemacht. Heute schreibe ich nur noch ab und zu daheim an eigenen Songs, mir fehlt da ein bisschen die Zeit dazu. Aber grundsätzlich war mein Werdegang erstaunlich ähnlich. Mit fünf Jahren ging es erst in die Orgelschule, danach zum privaten Klavierunterricht. Dazu hatte ich auch gar keine Lust und habe mit circa acht Jahren wieder aufgehört – denn alle anderen haben Fußball gespielt (lacht). So mit zwölf kam ich dann als Beatles-Fan zur Gitarre. Ich bin in Hanau aufgewachsen und der Besitzer des örtlichen Gitarrenladens wurde mein Mentor. Der hat mir immer auch neue, spannende Musik gezeigt und so wurde das mit der Gitarre bei mir relativ schnell zur Sucht. Durch ihn und die durch so viele verschiedene Einflüsse geprägte Musik der Beatles hatte ich auch nie Probleme, Künstler aus verschiedenen Genres gut zu finden. Und Yacine hat vollkommen Recht – die größten Fortschritte habe ich auch im Alter von zwölf bis 15 Jahren gemacht.
Y: Mein Mentor ist definitiv Frank Rohe. Er hat mich in meinem Talent in Richtung Improvisation und schließlich hin zum Jazz gefördert und mich zudem auch immer wieder an neue Sachen herangeführt. Jamiroquai ist so ein Beispiel, der Song „Virtual Insanity“ hat mich total gekickt. Die ersten drei Jamiroquai-Alben sind für mich absolut prägend.
A: Jamiroquai finde ich auch geil, die habe ich mal live gesehen und war begeistert. Deren Groove ist großartig und erinnert mich stark an Stevie Wonder. Für mich persönlich sind vielfältige Einflüsse kein Hindernis, ganz im Gegenteil. 70er Jazzrock, Chick Corea, Jimi Hendrix, AC/DC, George Benson – das geht schon sehr breit.
Y: Ich persönlich bin totaler Fan der alten Sting-Sachen. Für mich die perfekte Brücke von Jazz zu Pop. Wobei ich aber auch auf ganz andere Sachen stehe, Progrock zum Beispiel. Ich hätte echt total Bock, mit einer Band Sachen in Richtung Dream Theater oder Spock’s Beard zu machen. Aber mir geht’s da wie Andy – mir fehlt schlicht die Zeit dazu. Und zudem ist es verdammt schwer, genug Leute zusammenzukriegen, die Lust auf akribisches Arbeiten haben. Denn derartige Musik erfordert das, zudem bin ich ziemlich perfektionistisch.
Yacine hätte also durchaus Bock auf Rock. Wie ist das mit dir, Andy? Könntest du dir vorstellen, in einer Jazzcombo zu spielen?
A: Eine schwierige Frage. Von den Anlagen her würde ich mich nie als Jazzmucker bezeichnen. Mit einem Studium wie bei Yacine hast du ganz andere Voraussetzungen, die du dafür auch brauchst. Ein paar populäre Jazzstandards hab ich aber drauf … Yacine, mich würde mal interessieren, ob deine algerischen Wurzeln irgendwie Einfluss auf deine Musik haben?
Y: Auf jeden Fall ist bei mir das afrikanische Rhythmusmoment da, was ich schon mal als großen Vorteil sehe. Gemischt mit der deutschen Klarheit habe ich insgesamt eine perfekte Ausgangslage, wie ich finde (grinst).
A: Für mich ist diese Rhythmusthematik absolut entscheidend. Ein technisch sauber gespieltes Lick ist nichts ohne das entsprechende Gefühl und Talent für Rhythmik. Von daher sind solche Voraussetzungen wie bei Yacine schon sehr hilfreich. Ich finde es auch immer cool und inspirierend, sich die Rhythmik eines bestimmten Genres zu erarbeiten und anzueignen, auch aus dem Jazzbereich. Bebop-Phrasierungen und exotische Rhythmen sind jedem zu empfehlen.
Y: Da geb ich dir Recht! Es gibt da ja dieses Sprichwort (überlegt): „Ein falscher Ton zur richtigen Zeit ist nur halb so schlimm wie ein richtiger Ton zur falschen Zeit!“ Das ist einfach wahr.
Wie zahlreiche andere Kollegen seid ihr auch zusätzlich als Lehrer für euer Instrument tätig. Wie ist bei euch das Verhältnis zwischen Liveplaying und Unterricht?
A: Ich spiele so um die 90 Shows pro Jahr und mache zudem für alle meine Bands das Management und Booking komplett selbst. Das schränkt die Zeit, die ich für Unterricht aufwenden kann, leider ein bisschen ein. Grundsätzlich finde ich es aber sehr wichtig, dass es ein gutes und breit aufgestelltes Angebot an Unterrichtsmöglichkeiten gibt.
Y: Bei mir bewegt sich das so bei ungefähr 100 Gigs, allerdings macht das Booking eine Agentur, an der ich beteiligt bin. Demnach investiere ich circa 40 Prozent meiner Zeit für Unterricht. Natürlich ist die Lehrtätigkeit wichtig für meinen Lebensunterhalt, aber ich empfinde es auch als Privileg, anderen Leuten etwas zeigen zu können. Insgesamt habe ich allerdings das Gefühl, dass der Stellenwert von Unterricht allgemein hierzulande nicht mehr die Wertschätzung genießt wie in anderen Kulturkreisen. Das finde ich ein bisschen schade, auch wenn ich persönlich wiederum durch meine Dozentenstelle an der Akademie Deutsche POP Glück habe. Die fordert mich sehr und ich muss selbst immer an den Themen dranbleiben. Somit ist das auch eine Weiterbildung für mich.
Yacine Khorchi, seines Zeichens Jazzpianist, ist ein ziemlich begnadeter Könner seines Fachs. Ob (in verschiedenen Besetzungen) auf privaten Feiern oder Firmenevents, als solistischer Barjazzer oder im Studio: Yacine ist wohl einer der hardestworking Tastenmänner der erweiterten Region.
Andy Kirchner ist Aschaffenburgs Ausnahmegitarrist: Heute mit Hot Stuff einmal durch die Discoära gegroovt, morgen mit AB/CD die Fans der australischen Hardrocklegende beglückt und übermorgen ganz nebenbei mal schlank mit Stone Free den stilbildenden Granden des 70er Rocks gefrönt.