
Foto: Till Benzin
GESANG TRIFFT GITARRE
Boah, nee … echt jetzt? Da haut die total unabhängige Losfee schon mal so eine Blind-Date-Geplänkelpaarung aufs Tableau, die im Duden gut und gerne als Musterdefinition des Wortes „Gegensatz“ stehen könnte und dann kommt doch wieder alles anders. Auf der einen Seite Olli Klump, Sänger und Bandleader der Celtic-Folk-Metal-Institution Minotaurus. Ihm gegenüber Jan Stürmer, Kaiser genannt, Gitarrist von Waterproof, re-jazz und eines der präsentesten Gesichter der (über)regionalen Musikszene. Können die beiden überhaupt etwas miteinander anfangen?
Treffpunkt Dienstagabend, 17.30 Uhr, bei den FRIZZen. Der Kaiser steht im Stau, Olli genehmigt sich daher schon mal ein Bierchen und plaudert ein wenig aus dem Leben der Minotauren. Da geht die Tür auf, Jan betritt den Raum, sieht Olli und …
Jan: Hey, der Olli! Wie schön!
Olli: Ei gude, Jan!
FRIZZ Das Magazin: Nicht wahr, oder? Jetzt treffen sich da zwei Kumpels! Seit wann kennt ihr euch denn?
J: Ach, ich hab früher lange Zeit Unterricht bei der Rocksound-Music-School gegeben und der Tommy (Gitarrist bei Minotaurus, Anm. d. Red.) war mein Schüler. Zudem haben die damals dort im Studio auch ein Album eingespielt. Da hab ich Olli kennengelernt. (zu Olli) Ja Mensch, gibt’s euch noch?
O: Das ist jetzt gemein (lacht)! Klar gibt’s uns noch. Wir arbeiten am neuen Album, das neunte.
J: Ist der Tommy noch dabei?
O: Nee, leider nicht mehr. In so vielen Jahren wechseln auch mal Teile der Besetzung, du kennst das ja. Aber wir machen noch die gleiche Musik! Zudem haben wir uns hoffentlich auch ein gutes Stück weiterentwickelt. Und bei dir so?
J: Läuft super, ich mache ganz viele unterschiedliche Sachen. Im Moment ist auch viel Dienstleistung angesagt, also Auftragskompositionen, Werbemusik produzieren und so. Ich mache noch viel nebenher, was man nicht so mitbekommt.
O: Aber bei Waterproof spielst du noch?
J: Ja klar! Ich lebe ja von der Musik und da ist Waterproof als gut gebuchte Coverband ein wichtiges Standbein. Und ich spiele bei re-jazz, da machen wir nur eigene Sachen, aber leider weniger erfolgreich.
O: Da kann ich jetzt wieder mitreden (lacht)!
J: Ach komm, ich kenne so viele geile Mucker, die das nur als Hobby machen. Das ist für mich keine Wertung. Wie lange gibt’s euch schon?
O: Seit 1994.
J: Wow! Und nie gecovert?
O: Nein, nie gecovert!
J: Bemerkenswert! Was mich total interessiert: Wie laufen eure Konzerte? Ich frage das, weil wir mit Waterproof, also mit Cover, locker mal 600 Leute in den Colos-Saal ziehen, mit re-jazz und eigener Mucke – wenn’s hoch kommt – 120 …
O: Bei uns kommen bei guten Terminen schon mal über 300.
J: Das ist für eine Band mit eigenem Material schon mal gut!
O: Natürlich gibt’s auch schlechter besuchte Konzerte, klar.
Hattet ihr mit Minotaurus noch nie Ambitionen, einen Song als Covernummer ins Programm zu nehmen?
J: Das würde mich auch mal interessieren!
O: Nee, eigentlich nie. Am Anfang war es noch unser musikalisches Unvermögen, weshalb wir zwangsläufig eigene Sachen gemacht haben. Irgendwann wurden wir immer besser und dann gab es vielleicht einen Punkt, an dem man hätte covern können. Aber die Frage hat sich nie wirklich gestellt. Für mich ist es ein tolles Gefühl, eigene Nummern entstehen zu lassen.
J: Da geb ich dir recht! Das ist die Königsklasse!
Jan, sind Formate wie „The Voice of Germany“ für Waterproof ein Segen, weil euch die Frontleute nicht ausgehen?
J: Diese Frage habe ich tatsächlich schon öfter gehört. Aber ob du es glaubst oder nicht: Wir haben alle unsere Sänger schon lange vor deren TV-Auftritten gekannt. Zudem interessiert mich diese Art von Musikwettbewerb nicht. Für mich zählt einzig und allein die Stimme und ob ein Sänger zu uns passt.
Den meisten Teilnehmern ist ja auch bewusst, dass man durch diese Formate kein Star wird …
O: Warum muss es denn immer gleich Star sein? Leute wie Jan gehen ihren Weg und machen die Musik zu ihrem Beruf. Das ist doch super. Auch ich bin froh, dass ich Musik machen darf und es Leute gibt, die das cool finden. Mir reicht das.
J: Da bin ich ganz bei dir. Es ist doch zudem egal, wie viele Leute das cool finden. Ich hab mal ein Video geschickt bekommen von einem kleinen Mädchen, das eine re-jazz-Nummer mitsingt. Da geht mir das Herz auf. Würden solche Momente ausbleiben, würde ich wahrscheinlich was anderes machen.
Könnte sich der Kaiser vorstellen, bei Minotaurus auszuhelfen, wenn Not am Mann wäre?
J: Ja klar, unbedingt! Ich muss aber zugeben, dass ich die letzten drei Platten nicht kenne …
O: Das hätte mich jetzt auch überrascht!
J: Hey, ich bin mit solcher Musik aufgewachsen! Zum Soul und Jazz bin ich erst viel später gekommen. Wenn Minotaurus noch so drauf ist, dann wäre ich sofort dabei. Wenn ich darf.
O: Warum denn nicht? Wir wären ja schön blöd (alle lachen)!
J: Ihr habt zwei Gitarristen, oder? Reiner kenn ich, der ist gut!
O: Ja, Reiner bringt den Jethro-Tull-Style rein und Jürgen ist der blanke Metal.
J: Hast du ’ne CD dabei?
O: Leider nicht.
J: Schade. Ich hätte sie dir abgekauft.
O: Weißt du was? Ich hätte sie dir geschenkt! Aber du kannst dir was auf YouTube anschauen. Ich empfehle den „Erlkönig“.
J: „Erlkönig“?
O: Ja, wir haben das Gedicht vertont.
J: Echt? Das hab ich auch mal gemacht – für eine spanische Combo namens Alma. Den „Erlkönig“ im Flamenco-Style!
O: Cool! Ist unser neuestes Video und eines unserer wenigen Lieder auf Deutsch. Stellt euch vor, ihr müsstet nochmal komplett von vorne anfangen, hättet allerdings das Know-how und die Erfahrung von heute. Was würdet ihr anders machen?
J: Puh, das ist ’ne verdammt schwere Frage! (überlegt lange) Ich glaube nichts, denn ich wäre heute nicht der, der ich bin, wenn ich nicht alles genau so gemacht hätte. Ob in meiner Stimme oder in dem Ton meines Instruments – alle Erlebnisse spiegeln sich in ihnen wider.
O: Wow, dem gibt es nichts hinzuzufügen. Ich hatte erst so was im Kopf wie „früher Unterricht nehmen“ oder „mehr üben“ oder so. Aber du hast völlig Recht, es ist wahrscheinlich wirklich alles besser so, wie es passiert und heute ist.
Quickie-Time! Schlappeseppel oder Cena?
Beide unisono: Schlappeseppel!
„Tatort“ oder Proberaum?
O: Proberaum, beim „Tatort“ schlaf ich ein.
J: Ich schließe mich an.
Kulturtage oder Weihnachtsmarkt?
J: Kulturtage, klar.
O: Kulturtage! Was’n das für ’ne Frage, ey?
Der Aschaffenburger Gitarrist, Sänger, Komponist und Produzent Jan Stürmer(a.k.a. Kaiser) begann seine Laufbahn bei regionalen Acts wie 4224 you und Lee Brown. Er ist nicht nur Gründungsmitglied und aktiver Mucker der Band Waterproof, sondern auch gern gebuchter Tourgitarrist für Acts wie Stefanie Heinzmann, Cassandra Steen oder Glashaus. Der studierte Jazzmusiker ist zudem Gitarrist bei der Formation re-jazz, die eigenes Material veröffentlicht und unter anderem durch Russland und Japan tourte. Insgesamt wirkte er an zwölf Alben mit.
Olli Klump ist einer der erfahrensten und dienstältesten Vertreter der härteren Gangart in der heimischen Musikszene. Nach ersten Gehversuchen mit der Band Steelcore gründete er 1994 zusammen mit Uwe Elbert die Formation Minotaurus, die es bis zum heutigen Tag auf beeindruckende acht Studioalben gebracht hat – die letzte Veröffentlichung erschien beim Hamburger Label Limb Music. Die Band spielt ihren Celtic-Folk-Metal bei deutschlandweiten Shows und kann sogar auf eine treue Fanbase in Südamerika zählen.