Foto: Till Benzin
E-BASS TRIFFT AUF KONTRA
Direkt zur zweiten Auflage unseres Experiments kommt es zum absoluten Gipfeltreffen. Eigentlich wollten wir Didi Beck von den Boppins mit einem Vertreter der heimischen Blasmusikszene an einen Tisch bringen. Aber als sich die unglaubliche Möglichkeit auftat, mit Bone Mark King den legendären YEAH!-Bassisten klar zu machen, mussten wir natürlich zuschlagen. Und so freuten wir uns auf das spannende Treffen zweier Basser, die sich bestimmt in brüderlicher Vertrautheit um den Hals fallen. Denkste – die Kluft zwischen E- und Kontrabassist ist nämlich größer als gedacht.
Nach unserem letzten Interview mit YEAH! sind wir es gewohnt. Die Treibgasse wird komplett gesperrt, überall total „unauffällige“ Personenschützer mit Anzug, Sonnenbrille und Knopf im Ohr. Dunkle Limousinen rauschen im Minutentakt in das freigeräumte Parkhaus. Das vorausgeschickte Double stellt sich der kreischenden Masse und schreibt fleißig Autogramme, während der richtige Bone Mark King im Hintergrund unauffällig ins Redaktionsgebäude schlüpft. Didi ist zu diesem Zeitpunkt bereits seit 25 Minuten da, trinkt seinen zweiten Kaffee und kann ob des Starkults nur den Kopf schütteln.
FRIZZ Das Magazin: Kennt ihr euch schon persönlich?
Didi Beck (D): Ja, seit heute. Bislang habe ich Bone Mark King erst einmal bei einem YEAH!-Gig erlebt. Ein durchschnittlicher Basser, solange er nüchtern ist. Später am Abend wurde es, naja, sagen wir mal, spannend. Da waren nur noch ganz wenige helle Momente dabei, die waren dafür aber umso intensiver.
Bone Mark King (BMK): Und das aus dem Mund eines Rockabilly-Kontrabassisten, da muss ich ja gleich mal lachen. Wobei ich zugeben muss, dass ich seine Band mal auf CD gehört habe. Zuerst dachte ich „Mach den Scheiß aus!“, aber einige Nummern waren dann doch gar nicht so schlecht. Eine davon hieß „If you …“ (überlegt) „If you … irgendwas“.
Wie seid ihr zum Bassspiel gekommen?
BMK: Gar nicht. Das Bassspiel kam zu mir!
D: Der Klassiker: Eigentlich wollte ich Gitarrist werden. Ein Kumpel meinte aber, Basser wären die cooleren Mucker. In Wahrheit hat er da gerade einen gesucht und einfach noch keinen gefunden. Aber heute bin ich ganz zufrieden. Zwar ist der Kontrabass sperriger, aber der Showfaktor ist höher.
BMK: Was soll das denn heißen? Ich bin die pure Show, trotz oder gerade wegen dem E-Bass. Den kann ich zwischen die Beine klemmen, Blut schlucken und Feuer spucken …
D: Ja, äh … Wahnsinn.
BMK: Jetzt tu nicht so. Guck mal in den Spiegel, Alter, Rockabilly war mal in den Fünfzigern in und ihr tingelt da heute noch mit rum. Ist mir schon klar, dass ihr da übertrieben Show machen müsst, um noch was zu reißen.
D: Du klingst wie der Typ, der neulich zu mir kam und mir mangelnde Authentizität vorwarf. Der war noch nicht mal 20 und erzählte mir, demjenigen, der in den letzten 30 Jahren über 5.000 Shows gespielt hat, dass ich ein Schauspieler wäre.
BMK: Das ist hart (lacht hämisch). Ehrlich gesagt hab’ ich echtes Mitleid mit dir. So viele Gigs, die ganze Plackerei, das wäre nichts für mich. Und dann noch für das bisschen Geld …
D: Och, das mit dem Geld ist schon in Ordnung, ich kann solide leben und das ist für mich okay. So reich wie du möchte ich gar nicht sein. Und mit der einen Show im Jahr, die du dir da aus den gichtgeplagten Fingern zupfst – du kannst mir doch nicht erzählen, dass dich das ausfüllt?
BMK: Lieber Kollege, die wahre Schönheit des Lebens offenbart sich doch erst mit einer gesunden Reduzierung der körperlichen Arbeit. Aber davon hast du leider keine Ahnung.
Gutes Thema. Wie sieht so ein typischer Tag bei euch aus?
D: In der Regel stehe ich zwischen sieben und acht Uhr auf, trinke viel Kaffee und gehe dann ein bis zwei Stunden laufen. An Showtagen beginnt danach dann schon das Zeittotschlagen: zweites und drittes Frühstück, gammeln oder auf Fahrten im Bandbus viel lesen, Playstation zocken und natürlich Musik hören. An Tagen, an denen kein Gig ansteht, erledige ich Büroarbeiten, schreibe an meinem neuen Buch weiter, komponiere und übe. Dafür gehen gerne mal vier, fünf Stunden drauf.
BMK: Da sind wir uns ja erstaunlich ähnlich. Ich stehe auch gerne früh auf, so gegen 15 Uhr. Kaffee trinke ich auch, aber nur mit, wegen und zum Schnaps dazu. Dann schaue ich Horrorfilme, vornehmlich Zeug für kulturell interessierte Leute. Schlingensief und so. Abends sitze ich dann am Strand vor meiner Villa, male mit der großen Fußzehe wunderschöne Bilder in den Sand und erfreue mich an ihrer Vergänglichkeit. Manchmal sitzen auch Freunde dabei und wir sprechen über das Universum. Das ist alles so verdammt anstrengend, wäre ich durch das tantrische Yoga nicht so vollkommen, würde ich das nicht durchstehen.
D: Wird da auch über Musik gesprochen oder verbietet dir das dein Yogi?
BMK: Erstens redet man nicht über Musik, man macht sie. Und zweitens habe ich inzwischen eine Yogina, das passt von der mentalen Ebene her besser zu mir. Das geht einfach tiefer, verstehst du? Und außerdem hat sie die geileren Klamotten an.
Was sind eure persönlichen Geheimnisse, um das Publikum zu begeistern und bei der Stange zu halten?
D: Bei uns funktioniert das nur als Einheit, die wir nun mal sind – die Motivation und die Freude am Spielen sind einfach nach wie vor da. Wir haben hart daran gearbeitet, dass sich Publikum wie Veranstalter immer freuen, wenn wir zu ihnen kommen. Und wir versuchen immer, durch eine sich ständig ändernde Setlist auf die Gegebenheiten vor Ort einzugehen. Das ist abhängig vom Vibe der jeweiligen Location, der Gegend in der wir gerade sind – aber auch vom Wetter und dem persönlichen Gefühl. Dadurch bleibt’s für alle Beteiligten spannend.
BMK: Bei mir gibt es da kein Geheimnis, es liegt einfach an meiner Aura. Ich bin ein Energieball und in einer Wolke aus Kraft und Glückseligkeit mit meinem Publikum verbunden. Das Fokussieren all meiner Ressourcen auf die Show ist eine unglaubliche geistige Belastung, daher ist auch nur dieser eine Gig im Jahr möglich.
D: Ihr spielt nur den, weil ihr den Rest vom Jahr ausnüchtert …
Würdet ihr gerne mal mit dem anderen tauschen?
BMK: Wenn ich meine Klamotten anlassen dürfte, keinen Rockabilly spielen müsste und meinen E-Bass mit auf die Bühne nehmen darf – klar, warum nicht?
D: Nee, lass mal gut sein! Allein musikalisch. Ich hab nicht mein ganzes Leben lang geübt, um dann so einen Rückschritt zu machen. Und dann noch dieses Bühnenoutfit, dieses Lack- und Lederzeug. Nach 15 Minuten stinkst du wie ein alter Fisch!
(Und dann fanden beide doch noch eine Gemeinsamkeit: Beide Bands proben nicht. Das Ergebnis kann sich das Publikum am 19.1. im Colos-Saal (Boppin’B) und am 17.2. im Sedgwick (YEAH! feat. The Oh-Yeahs) anhören.)
Die Mitglieder der Band YEAH! sind nichts weniger als die Erfinder der Rock- und Popmusik, quasi jeder Song dieser Erde stammt aus ihrer alkoholgetränkten Feder. Dadurch haben die größten noch lebenden Rockstars unserer Zeit Abermillionen verdient.
Bone Mark King ist Bassist der Band und beschäftigt sich neben der Musik mit tantrischem Yoga, dem Zeichnen und Materialisieren von Feldenkreisen und der Delfinzucht.
Didi Beck ist den meisten als Bassist der legendären „Scheißkapelle“ Boppin’B bekannt. Er wohnt und arbeitet sowohl in Karlsruhe als auch in Aschaffenburg. Mit den Boppins ist er seit fast 30 Jahren auf Tour. Zudem hat Didi als führender Instrumentalist seines Genres Lehrbücher und DVDs für Kontrabass veröffentlicht. In seiner Freizeit besucht er gerne Ausstellungen und liebt gutgemachtes Kino. Im Januar veröffentlichen die Boppins ihr neues Album.