Sind wir traurig? Klar. Freuen wir uns ein bisschen, weil wir mal durchschnaufen können: Vielleicht auch das. Nehmen wir das zum Anlass, mal einen Blick zurück zu werfen? Auf jeden Fall! Und wir räumen dabei mal ganz nebenbei mit einigen Mythen auf.
Jeder von uns hat sie: Seine ganz persönlichen Stadtfest-Geschichten. Wo Jahr für Jahr eine sechsstellige Menschenmasse gemeinsam feiert und sich am letzten August-Wochenende durch die Straßen und Gassen unserer schnuckeligen Kleinstadt treiben lässt, ereignet sich naturgemäß ziemlich viel. Von den kleinen Anekdoten bis zu den großen Dramen, von verlorenen Handys bis zur gefundenen Liebe, von zu wenig Schlaf bis zu viel Alkohol, von großartigen Konzerten bis zu kleinkarierten Parkraumüberwachern, von warmem Bier bis zu kaltem Kaffee.
Und auch rund um unsere Bühnen in der Goldbacher Straße und dem Schlosshof tragen sich Jahr für Jahr Begebenheiten zu, über die man noch Jahre später spricht. Kopfschüttelnd oder sich kaputtlachend. Doch nicht alles hat sich wirklich auch so zugetragen, wie es der Volksmund so erzählt. Es ist Zeit, mal einige Geschichten zu bestätigen, geradezurücken oder ins Reich der Kleinstadtfabeln zu verweisen. Here we go.
Die durstigste Band des Stadtfestes
Vor vielen Jahren schlug die damals sehr beliebte Coverband X-Fade zum Stadtfestgig im Schlosshof auf. Dass sich die Kapelle bei ihren Ausflügen nicht nur zwei Flaschen stilles Wasser geteilt hat, wird von den Beteiligten überhaupt nicht bestritten. Und dass der, mit Spezialitäten des Brauhauses Faust, gut gefüllte Kühlschrank im Backstagebereich allenthalben für große Freude gesorgt hat, ist auch nicht schön zu reden. Dass X-Fade jedoch den gesamten Schlosshof mit Freibier aus dem Backstage versorgt haben soll und sich am Ende des Abends 27 leere Faust-Kisten hinter der Bühne stapelten, entspringt definitiv dem Reich der Fantasie. Trotzdem hält sich diese Anekdote hartnäckig und verschaffte der Truppe irgendwie einen, wenn auch leicht zweifelhaften, Legendenstatus.
Die Sache mit dem Sauerstoffzelt
Nicht umsonst ist Pimp Blitzkid eine der gefragtesten Tributebands des Landes: Fette Show, messerscharfe Riffs und treibende Grooves – die Jungs wissen wie es geht. Natürlich gehören zu einer authentischen Limp-Bizkit-Show auch die entsprechenden Bühnenoutfits. Und da sich der Gitarrist des Originals, Wes Borland, neben der Beherrschung seines Instruments auch durch sehr extravagante Bühnenoutfits auszeichnet, steht ihm der Pimp-Blitzkid-Saitenmasseur natürlich auch in dieser Hinsicht in nichts nach. Was von Nachteil sein kann, wenn bei der Stadtfestshow die Sonne bei 33 Grad frontal in die Bühne scheint. So hat die rappelvolle Goldbacher nicht nur ordentlich abgefeiert, sondern auch mit dem Gitarristen mitgelitten, der 90 Minuten in einer Art Ganzkörperkondom bis an die Leistungsgrenzen ging. Doch das Gerücht, dass dieser Gig für ihn einen Einsatz von Sanitätskräften inklusive zusätzlichem Sauerstoff nach sich zog, stimmt so nicht. Ein schattiges Plätzchen, viel Wasser und ein Handtuch haben gereicht. Und keine zehn Minuten nach der Show hat der Gute sich in körperlich bester Verfassung sein -Feierabendbierchen schmecken lassen. „Maschine“ nennt man das wohl.
Bierklau in der Goldbacher Straße
Ende der Nuller Jahre ereignete sich in der Goldbacher Straße eine Begebenheit, an die sich die Beteiligten noch heute zurück-erinnern. Das Mitglied einer gebuchten Nachwuchskapelle hat beim Anblick der, für die Bands bereitstehenden, Menge an Getränken anscheinend seine soziale Ader entdeckt. So wurde er im Laufe seines Aufenthalts mehrfach dabei beobachtet, wie er scheinbar zielstrebig ein bestimmtes Gebüsch zum angrenzenden Schöntal aufsuchte – um jeweils dort seine Bierflasche zu „vergessen“, die dann irgend ein „zufällig“ durchs gleiche Gebüsch kreuchender Passant dort „finden“ konnte. Als er dann allerdings versuchte, auf die gleiche Weise einen frisch gekühlten ganzen Kasten feinsten Gerstensaftes zugunsten seiner Schöntal-Buddys umzulagern, schritt die Security nachhaltig ein. Die betreffende Band hat seitdem leider nicht mehr den Weg ins Line-up gefunden. Aus Gründen.
Die Flucht vor den Blutjungs
Selbige sind wirklich gern gesehene Gäste in unserem Line-up und wir feiern den Splatterpop made in Aschaffenburg richtig derbe. Was wir auch feiern: Menschen vor der Bühne, die man aufgrund ihrer Erscheinung oder ihres Alters nicht unbedingt auf Anhieb als Fans der jeweilig auftretenden Band identifizieren kann. Der Anzugträger inmitten von langhaarigen Kuttenträgern bei Metakilla, der dann abgeht wie Nachbars Lumpi. Zum Beispiel. Oder das untersetzte Karohemd mit grauem Haarkranz und Tennissocken in den Birkenstock, der dann bei den Music Monks den Clubmäuschen mal zeigt, wer im Haus die heißesten Moves aufs Parkett legt. Herrlich. Dementsprechend beglückt waren wir, als wir schon in der Umbaupause vor den Blutjungs das rüstige Seniorenpärchen jenseits der 75 direkt vor Bühne -erspähten, das beharrlich auf den Auftritt wartete. Öfter mal was neues, ist doch cool! Dachten wir. Bis die Blutjungs anfingen. Den Opener verbrachten die beiden noch in bewegungsloser Schockstarre und mit offenen Mündern. Doch direkt zur zweiten Nummer war klar: Herr Großmann in Lack und Leder, flankiert von Angelo in Netzstrümpfen – das geht zu weit. Und zwar viel zu weit. Laut fluchend stürmten die beiden direkt zum Notausgang rechts neben der Bühne, ließen sich weder vom Bühnenchef oder den zwei massiven Secus aufhalten und flohen Schnurstracks durch den Backstagebereich in Richtung Platanenallee. Nicht ohne lauthals und wiederholt so etwas wie „Sodom und -Gomorrha“ zu schreien und die Frage zu stellen, wer um alles in der Welt so etwas erlaube. Wahrscheinlich waren die beiden nicht auf der Suche nach neuen musikalischen Eindrücken, sondern im Programmheft einfach in der Zeile verrutscht. Unter den Fischergass’ Jazzern hatten sie sich wahrlich etwas Anderes vorgestellt!
„I wonder how, I wonder why“
Erst im letzten Jahr passiert und schon auf dem Weg in die Top Ten unserer Anekdoten. Es begab sich am frühen Samstag Nachmittag, circa zwei Stunden, bevor die erste Band des Tages/des Wochenendes/des Jahres auf die Bühne in der Goldbacher Straße geht. Sprich: Es ist noch nicht wirklich was los, das Stadtfest ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht mal offiziell eröffnet. Die frühen Vögel fangen die ersten Würmer in Form von durchgekühlten Seppelschen an den frisch geöffneten Theken, die Technikcrew wickelt die letzten Vorbereitungen ab und in circa 30 Minuten soll der Aufbau für die erste Band beginnen. Schnitt. Auftritt einer sichtlich lustigen Fünfer-Gruppe auf Höhe Herstallturm. Sie steuert relativ zielstrebig auf die Bühne zu. Zwei biegen ab zum Bierstand, der Rest lässt sich nicht vom Weg abbringen. Direkt vor der Bühnenabsperrung kommen sie zum Stehen und fangen an, miteinander zu diskutieren. Auf Nachfrage, ob man ihnen helfen könne, kommt die ungeschönte Wahrheit ans Licht. Einer der Fünf ist baldiger Trauzeuge seines besten Kumpels und muss für ein Hochzeitsvideo diverse Mutproben bestehen. Eine davon: Singen auf einer Bühne. Nichts leichter als das. Ruckzuck steht der gute Mann auf unserer Bühne, das Halbplayback von „Lemon Tree“ ist frisch aufs Handy gezogen und schon geht’s los. Die schaurig-schepp-schönsten drei Minuten, die das Aschaffenburger Stadtfest seit dem Auftritt von SpektaCOOLAir am Mainufer 2006 je erlebt hat. Das Ergebnis: Mindestens 60 aufgerollte Fußnägel und ein glücklicher Trauzeuge. Alles richtig gemacht und gern geschehen!
Große Emotionen im Schlosshof
Es begab sich im Jahr 2019, als die großartige Motown-Tributeband Heatwave im Schlosshof das Publikum in ihren Bann zog. Gewohnt und uhrwerksgleich für das Bassfundament auf der Bühne sorgend: Stephen Herold. Dabei hätte man ihm keinen Vorwurf machen können, wäre er an diesem Tag etwas unkonzentriert gewesen. Schließlich hatte er noch eine andere Sache im Kopf, die etwas mit seiner heutigen Ex-Freundin Anja zu tun hatte. In einem passenden Moment setzte er seinen Plan in die Tat um, holte Anja auf die Bühne, sank formvollendet vor ihr auf die Knie und stellte die Frage der Fragen. Wir machens kurz: She said yes! Welch großartiger Moment! Und nun ist Anja nicht nur Stephens Ex-Freundin, sondern auch seine glückliche Angetraute. Auch an dieser Stelle nochmal herzlichen Glückwunsch und alles Gute an die Jungvermählten! So muss das! Schnief.
Abenteuer Stadtfest – Ein Fest am Limit
So oder so ähnlich müsste die DMAX-Serie heißen, die schon längst überfällig ist. Hauptdarsteller wäre zweifellos die Einfahrt zum Backstagebereich in der Goldbacher Straße, die direkt im Kreisel Goldbacher/Platanenallee liegt. Selbiger ist auch während des gesamten Stadtfestes für den Verkehr geöffnet und am Rand kreisrund mit – in sich verschraubten - Bauzäunen abgestellt. Durch zwei von diesen können die Bands ihre Fahrzeuge direkt hinter die Bühne zum Ent- und Beladen bugsieren. Und genau diese Momente gehören immer zu den spannendsten des gesamten Fests. Entgegen anderslautender Gerüchte ist es hier – aufgrund heldenhafter Bühnenhelfer und Securitys, die sich regelnd in den Verkehrsfluss schmeißen – aber noch nie zu Unfällen gekommen. Wobei. Einen Unfall gab es mal in diesem Bereich, dieser wurde aber nicht beim Ein- oder Ausfahren aus dem Backstagebereich verursacht. Vielmehr hat der Fahrer eines Stadtbusses die obligatorische Kreiselrunde mal ein paar Zentimeter zu optimistisch angesetzt, es kam zum Duell Bus-Außenspiegel gegen 25 Meter Bauzaun. Das Ergebnis: ein glasklares Unentschieden. Der Schaden am Material war auf beiden Seiten überschaubar, verletzt wurde niemand. Aber gescheppert hat’s ausnahmsweise nicht von der Bühne und die Besetzung des Backstagezelts, das direkt hinter den Zäunen steht, wurde mal ordentlich wachgerüttelt.

Knutschfleck
Knallrotes Gummiboot
Es ist schon über zehn Jahre her und war doch stilprägend. Der FRIZZ-Chefbooker ließ sich von temporären körperlichen Liebesmalen leiten und engagierte die Band Knutschfleck für eine rauschende NDW-Party im Schloss. Alle Beteiligten spielten, sangen und tanzten sich in einen wahren Rausch, der darin gipfelte, dass sich ausgewählte Musiker der Band in einem Schlauchboot über die Köpfe des endorphinisierten Mobs tragen ließen. Ein Spektakel, das seit diesem Jahr auf allen großen Festivals des Landes bis hin zum Wacken-Open-Air zu beobachten ist und definitiv seinen Ursprung in Aschaffenburg hat. Damit das klar und ein für alle Mal geklärt ist. Davon sind wir absolut überzeugt und wer war Anderes behauptet … FAKE NEWS!