Ob in der Mittagspause, zum Feierabend, zum morgendlichen Plausch mit Freunden oder zur (manchmal nicht so wirklich freien) Freistunde, die Aschaffenburger zieht es seit Mitte der 1980er hier hin. Menschen mit verschiedensten Backgrounds und jeden Alters fühlen sich hier wohl. So sehr, dass sie Stammgäste werden. Wieso das so ist, hat Besitzer Matthias Hock im persönlichen Gespräch erzählt.
Die Gerüchteküche hat gebrodelt, als Ende 2018 gemunkelt wurde, dass das Café Schwarzer Riese schließt. Doch das war zur großen Erleichterung aller Freunde des guten Kaffees nur die halbe Wahrheit. Denn Matthias Hock übernahm die Leitung, nachdem er zuvor schon selbst dort gearbeitet hatte. Seine Leidenschaft für die Gastronomie entdeckte der sympathische Kaffee-Nerd schon lange vorher. Matthias liebt den Riesen und seine Arbeit, das zeigt sich allseits. Wie auch schon bei seinem anderen Café, dem Kaldi (FRIZZ-Januarausgabe 2022) steckte der gelernte Zimmermann jede Menge Schweiß und Herzblut in den Umbau des Riesen. Die früheren Toiletten sind einer großen Küche gewichen, in der Gebäck wie Nussecken, Cookies, Kuchen und Aufstriche für den Riesen und das Kaldi zubereitet werden.
© Till Benzin
Schwarzer Riese 2
Dementsprechend führt der Weg aufs Örtchen jetzt einmal hintenheraus über den Hof – ein Ausflug, der sich nicht nur lohnt, wenn man sich frisch machen möchte, sondern allein schon wegen des wunderschönen Innenhofs, der mit Wein überwachsen ist. Hier findet im Winter die „Adventszeit in Riesenhof“ mit Glühwein und Kleinkunst statt, deren Erlös die letzten zwei Mal an das Kinderheim gingen. Auch weitere in Planung befindliche Abendprogrammformate haben hier den perfekten Raum. Andere Neuerungen sind so subtil, dass sie teils erst auf den zweiten Blick auffallen, wie etwa die gemütlichen Sessel.
Für Vieles hat Matthias auch ein Stück Geschichte ins Hier und Jetzt geholt. Zum Beispiel die halb freigelegte Bildgeschichte „Vom Brot bis zum Korn“, die unter der alten Tapete schlummerte und nun den Eingang schmückt. Auf der gegenüberliegenden Seite wurde beim Umbau gleich die zweite Überraschung entdeckt: Eine marmorierte Wand, die sich nun nahtlos in das Ambiente einfügt. Das Holz für den Tresen stammt von den Großeltern der Vorbesitzer und wurde aus dem Keller vor der Entrümpelung gerettet.
© Till Benzin
Schwarzer Riese 3
Das Erste, was darauf ins Auge fällt, ist die riesige Siebträgermaschine. Ähnlich wie im Kaldi, nur noch größer. Die sieht nicht nur sehr ästhetisch aus, sondern liefert in Kombination mit Bohnen der regionalen Kaffeerösterei Braun alles, was die Herzen der Gäste begehren – vom Espresso über Cappuccino mit Hafermilch, bis hin zum Latte Macchiato. Damit all das jeden Tag perfekt schmeckt, stellt Matthias übrigens jeden Morgen höchstpersönlich die Mühle ein und lässt den ersten Kaffee des Tages raus – Qualitätskontrolle auf oberstem Niveau also. Im Gastraum trifft unverkennbar das Flair von früher auf moderne Elemente und die persönliche Note des Chefs. Das spiegelt sich auch in der Einrichtung wider, die teilweise von Freunden, Kleinanzeigen oder Gästen stammt. Dazu gehören auch die Nähtische, die den stilvollen Innenhof schmücken. Einige der Vintage-Stücke fanden dabei auf kuriose Weise den Weg in den Roßmarkt. So wie das Sofa, das von der Cousine einer Ordnungsbeamtin, die im Riesen gastierte, stammt. Doch eines ist geblieben: der legendäre Carrom-Tisch, der fast so viel Kultfaktor wie das Café selbst besitzt. Der Tisch ist übrigens unverkäuflich und bleibt im Bestand des Cafés. So manch einer hatte über die Zeit nämlich schon Interesse bekundet.
Geblieben ist auch das authentische, lässige Flair – immer noch urig, ganz ohne Hipster-Allüren aber dafür mit großem Wohlfühlfaktor. Und das kommt bei sämtlichen Generationen an. Alterstechnisch reicht die Spanne von jungen Schülern bis hin zu einer Stammkundin, die 94-Jahre alt ist. Denn der Riese ist vor allem eines: ein Ort für alle.
Zum Schluss erzählt Matthias mit strahlenden Augen davon, wie voll es kürzlich um die Weihnachtszeit und zwischen den Jahren war. Von Leuten, die nach dem Weihnachtsshopping mit Freunden zum Kaffeetrinken vorbeikommen oder solchen die einmal im Jahr auf Heimatbesuch vorbeischauen. Davon, wie er von morgens bis abends an der Kaffeemaschine stand und das machte, was er am liebsten tut: Verdammt guten Kaffee zubereiten.
