Ein Donnerstagmorgen, acht Uhr. Zusammen mit Kollege Schneider aus dem Vertrieb habe ich einen Termin zur exklusiven Betriebsführung im „Dölger’s“-Stammhaus in Niedernberg. Und allein diese Zeitangabe fördert einen großen Unterschied zu Tage: Während die FRIZZen als Musterexemplare der Spezies „irgendwas mit Medien“ gerade mal so messbaren Puls vorweisen können, wuseln die zahlreichen „Dölger’s“-Fachkräfte schon seit einigen Stunden unter Volllast durch die beeindruckenden Produktionsbereiche. Man erkennt unseren Zustand und päppelt uns liebevoll mit tiefschwarzem Kaffee auf, bevor wir uns – gehüllt in Schutzkleidung und Haarnetz – zusammen mit Geschäftsführer Michael Dölger ins Herzstück des leckeren Backwerks aufmachen.
DER UNTERSCHIED ZWISCHEN „AUS“ UND „MIT“
Unser erster Blick streift hochmoderne Produktionsstraßen und überdimensionale Ofenkomplexe, die so gar nichts mit den romantischen Bildern einer muckeligen, mehlstaubbedeckten Backstube gemein haben. Und doch liegen sie mit den ersten Erläuterungen des Chefs direkt in der Luft: Begriffe wie Leidenschaft, Herzblut, Philosophie und Handwerkskunst. Und mit jeder weiteren Minute der Führung füllt Michael Dölger diese Begriffe mit Leben. Schon bei unserer ersten Station, der Warenannahme, wird das deutlich. Das Unternehmen verzichtet, bis auf vereinzelte, unausweichliche Ausnahmen im Bereich der Konditorei, komplett auf jegliche Convenience-Produkte und setzt stattdessen ausschließlich auf beste Rohstoffe. Diese kommen zudem nach Möglichkeit aus der (erweiterten) Region, um Transportwege so gering wie möglich zu halten. Das verwendete Dinkelmehl stammt aus dem Odenwald, das Weizenmehl aus der Pfalz. 15 Tonnen dieses entscheidenen Grundstoffes wird bei „Dölger’s“ pro Woche verarbeitet. Darüber hinaus verzichtet die Bäckerei aus Prinzip auf die Zugabe von jeglichen Konservierungsstoffen, ebenso wie auf halbfertige oder fertige Backmischungen. Was dazu führt, dass auch bei unserer nächsten Station, der Teigherstellung und -weiterverarbeitung, trotz einiger automatisierter Arbeitsschritte eines nichts fehlen darf, nämlich meisterliche Handwerkskunst. Nicht umsonst beschäftigt die Firma in der Produktion fast ausschließlich ausgebildete Bäcker und Bäckerinnen. Besonders stolz ist man auf den täglich frisch angesetzten, hauseigenen Sauerteig, schließlich ist das Unternehmen eine der wenigen Betriebe, die ihre Brote noch „aus“ und nicht „mit“ Sauerteig herstellen. Ein kleiner, aber wichtiger Unterschied.
OB BEIM BACKEN ODER BEIM PRESSACK: KLEINE, FEINE UNTERSCHIEDE
Und während Kollege Schneider und ich relativ weit mit unseren Schätzungen danebenlagen, wie viele Brötchen man aus einem dieser halbvollen Stahlbottiche, welche gerade frisch vom Knethaken gelassen wurden, herausbacken kann, lieferte uns Michael Dölger weitere Beispiele, warum er sich selbst als jemanden bezeichnet, der „auf der Suche nach dem optimalen Rohstoff“ sei. Drei einheimische Metzgereien beliefern das Backhaus mit selbsterzeugten Wurstwaren für die bekannten belegten Brötchen des Hauses, darunter auch den speziellen Pressack, der absolut phosphatfrei ist. Die passenden Gewürzgurken werden von der Großostheimer Firma Ewald in einer speziellen Version geliefert, die frei von künstlichen Süßungsmitteln ist. In sämtlichen Prozessen (auch beim Backen) wird zudem nur echte Butter anstelle von Margarine verwendet.
Apropos Prozesse. Neben den verwendeten Rohstoffen und Zutaten und der handwerklichen Verarbeitung selbiger ist ein Aspekt ebenso entscheidend für die Qualität des Endproduktes: Das Backen. Wir stehen vor einem Monstrum von Backofen, in den (allein schon aus Sicherheitsgründen) ein speziell entwickeltes, computergesteuertes System die Rohlinge über ein ausgeklügeltes Bandsystem ihrer heißen Reifung zuführt – und sie sekundengenau aus der Gluthitze auch wieder befreit. Dieser Ofen arbeitet mit Heißluft, die Dölger-Brote und einige Brötchentypen werden hier quasi auf einer Herdfläche gebacken und entwickeln dadurch ihre typischen Eigenschaften. Andere Ofentypen gibt es natürlich auch, wie beispielweise den Thermoöl-Ofen, der unter anderem Hefegebäck und Stückchen zu perfekten Ergebnissen verhilft. Doch nochmal kurz zurück zum Herdplatten-Heißluft-X-Fach-Riesenofen: Gerade verlässt eine Fuhre Stöllchen selbigen über eine Metallrutsche. Und dann ist er endlich da, der Moment für den sich der Verzicht auf das eigene Frühstück gelohnt hat. Wir bekommen ein Exemplar zur Verkostung wie es frischer gar nicht sein könnte. Und an dieser Stelle im Text ist es wirklich schade, dass noch kein Geruchsmonatsmagazin erfunden wurde. Ehrlich jetzt. Ihr hättet dabei sein sollen. Lecker! Weitere beispielhafte Tatsachen, dass der Mohn selbst gemahlen und die Nüsse selbst geröstet werden, erscheinen einem nach einer Schnupperstunde in der Bäckerei dann fast schon selbstverständlich – obwohl es das beileibe nicht ist.
NACHHALTIGKEIT, AUCH ÜBER DIE KRUSTE HINAUS
Doch nicht nur in der Backstube verfolgen Michael Dölger und seine Tochter Davina – ebenfalls Geschäftsführerin – ihre eigene Philosophie und versuchen, die Stichworte Nachhaltigkeit und Verantwortung nicht nur auf dem Papier schön aussehen zu lassen. Spezialisierte Planer sorgen dafür, dass in allen 17 Filialen des Unternehmens möglichst immer alles frisch zu jeder Zeit zu haben ist – und trotzdem der Überschuss auf ein Minimum reduziert wird. Eine Monsteraufgabe. Darüber hinaus gibt es in Kleinwallstadt inzwischen einen Outlet-Shop, in dem man Brot und weitere Backwaren vom Vortag zum kleinen Preis erwerben kann. Und was dann doch übrig bleibt, wird bei „Dölger’s“ nicht einfach weggeworfen. Jäger nehmen die nicht verkauften Waren ab, um damit (mit amtlicher Genehmigung) das Wild im Tierpark Odenwald zu versorgen.
Und auch bei der Personalpolitik schauen die Dölgers über den Tellerrand hinaus: In fünf Ausbildungsberufen, sowohl handwerklich als auch kaufmännisch, wird der Nachwuchs fit gemacht. Zur Firmenpolitik gehört zudem, dass auch ältere Bewerber auf offene Jobs bei „Dölger’s“ immer gerne gesehen sind. Gerade Letzteres ist überhaupt nicht selbstverständlich in unserer Zeit – aber man hätte sich nach diesem spannenden Vormittag tatsächlich irgendwie gewundert, wenn’s dann doch nicht genau so laufen würde. Wir schlagen also den neuen Firmenclaim vor: „Dölger’s – lecker & sympathisch“!