
© Schleegleixner
Aschaffenburger Wichtelteam
Verrückte Sandburgen bauen, ausgelassen über saftige Wiesen toben und grauen Asphalt dank Kreide in ein kunterbuntes Kinderparadies verwandeln: Während die einen Knirpse eine unbeschwerte Kindheit verleben dürfen, hat es das Leben mit anderen weniger gut gemeint. Doch es gibt Geschöpfe, die nicht nur betroffene Eltern im Alltag mit ihrem kranken oder behinderten Nachwuchs unterstützen, sondern den jungen Patienten selbst immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zaubern …
Kleine Fantasiegeschöpfe, die Gutes tun und vermehrt in nordischen Sagen auftauchen: Wichtel. Doch jene treiben nicht nur in weiter Ferne, sondern auch in der Region ihr Unwesen – zum Glück. Ingrid Wiedmayer hat sich mit ihrem Wichtelteam unter dem Motto „Wir machen den Alltag kinderleicht“ mit Herz und Seele der intensiven Krankenpflege von Kindern verschrieben. Und das an einem Ort, an dem es für Patienten doch immer noch am schönsten ist: im jeweiligen Zuhause. Ist es doch schon Aufgabe genug, die – oft unheilbare – Krankheit des eigenen Nachwuchses zu akzeptieren, ereilt viele Eltern dann die Herausforderung, Hilfe von anderen Menschen annehmen zu müssen. „Die Pflege des eigenen Kindes in fremde Hände zu geben, kostet viel Überwindung“, erklären Ingrid und Johannes Wiedmayer, Gründer und Geschäftsführer des Wichtelteams. „Deshalb bieten wir Pflege in ambulantem Rahmen. Nichts geht über die vertraute, häusliche Umgebung.“ Oftmals können so nicht nur Krankenhausaufenthalte verkürzt und daraus resultierend Trennungsschmerz vermieden werden, sondern Geschwisterkinder ebenfalls an der Pflege teilnehmen und so die Situation besser bewältigen lernen.
Um dem betroffenen Heranwachsenden und seinen Eltern Stabilität und Sicherheit garantieren zu können, spiele Vertrauen eine große Rolle, so die beiden Aschaffenburger. „Wir sind uns dessen bewusst und stärken den Aufbau von Vertrauen durch persönliche und beratende Gespräche sowie geschultes Fachpersonal“, erklärt das Paar. Leere Worthülsen sind dies nicht. Dass die Wiedmayers mit Herzblut bei der Sache sind, ist zu jeder Minute glasklar.
Kongeniales Unternehmerduo
Ganz nebenbei bildet das Ehepaar ein kongeniales Unternehmerduo: Sie die praxiserfahrene Kinderkrankenschwester, er der Experte im kaufmännischen Bereich. 2007 war es die 44-Jährige, die die Idee des Wichtelteams aus der Taufe hob. Mittlerweile beschäftigt das Ehepaar 165 Mitarbeiter und bietet seine Pflegedienstleitung in drei Bundesländern an – Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. „Wir sind in einem Umkreis von ungefähr 150 Kilometern tätig“, erläutert der 34-Jährige. Egal, ob Aschaffenburg, Erbach oder Hanau: Betroffene können sich auf ihre Truppe, bestehend aus durchschnittlich fünf Fachkräften, verlassen, welche, falls nötig, täglich an 24 Stunden wertvolle Arbeit leistet. Jedes der circa 20 Teams setzt sich aus examinierten Gesundheits- und (Kinder-)KrankenpflegerInnen zusammen und ist einer Teamleitung unterstellt. Alle Angestellten wohnen in unmittelbarer Nähe zum jeweiligen Patienten, um schnell zur Stelle sein zu können.
Auch stressiges „Patientenhopping“ gibt es beim Wichtelteam nicht: Ein Wichtel betreut maximal ein bis zwei Kinder. Das große Plus ist für die Knirpse somit, dass sie langfristig feste Bezugspersonen haben – alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Johannes Wiedmayer spricht von „effektiver Bezugspflege“: „Betroffene können beruhigt durchatmen und ein Stück Lebensqualität dazugewinnen. Und wir können so die Qualität und den Service auf hohem Niveau halten.“
Dabei beginnt der Einsatz der Wichtel oftmals bereits im Krankenhaus: So schön die Entlassung aus der Klinik ist, so schwierig ist meist auch die Umstellung im Alltag zuhause. Um mit der ungewohnten Situation vertraut zu werden, führen die Fachkräfte die benötigten Pflegemaßnahmen gemeinsam mit den Eltern in vertrauter Umgebung weiter. Abhängig von den Bedürfnissen des Kindes und den betreuenden Familienmitgliedern wird der jeweilige Pflegebedarf ermittelt und ein individuelles Team zusammengestellt. Auch beim Umgang mit Behörden und Versicherungen sind die Helfer mit Herz behilflich. Das Leistungsspektrum umfasst Grund- und Behandlungspflege wie Inhalationen, Absaugen oder Medikamentengabe ebenso wie lückenloses Überwachen von langzeitbeatmeten Patienten – selbstverständlich auch nachts. Die Pflege von Wachkoma- oder onkologischen Patienten, Kindern mit Ernährungsstörungen oder die Nachbetreuung Frühgeborener gehören ebenfalls zum Aufgabengebiet. Ermöglicht werden zudem die Kindergarten- und Schulbetreuung pflegebedürftiger Heranwachsender zur Integrationsförderung oder eine Patientenbegleitung bei allen Aktivitäten – auch in den verdienten Familienurlaub kann ein Wichtel mitreisen.
Wichtel-Nachwuchs
Apropos Urlaub: Dass seine Wichtel eine für betroffene Familien oft unbezahlbare Arbeit leisten, honorieren die Wiedmayers auf vielfältige Art und Weise. So sichern sie nicht nur durch regelmäßige Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen den hohen Qualitätsstandard ihres Teams, sondern bieten ihren Mitarbeitern auch die kostenfreie Unterstützung durch einen Psychologen an. Und damit die Wichtel in ihrem wohlverdienten Urlaub richtig abschalten können, hat das Paar just ein Haus im Berchtesgadener Land erworben. In den bayerischen Alpen können die Wichtel so jederzeit in malerischer Bergidylle die Seele baumeln lassen und wieder Kraft für ihren fordernden Arbeitsalltag sammeln.
Ab Oktober darf sich die bestehende Truppe zudem auf Nachwuchs freuen: 14 philippinische Pflegekräfte werden schon in wenigen Wochen das Wichtelteam bereichern. „Auf den Philippinen hat die Pflege einen hohen Stellenwert“, freut sich Johannes Wiedmayer über die helfenden Hände. Trotzdem ist er nach wie vor auf der Suche nach weiteren Teamwichteln. Wer also Teil dieser bemerkenswerten Gruppe werden möchte, haut fleißig in die Tasten oder greift fix zum Hörer …