Freunde aus nah und fern. Ich habe einen Wunsch, ganz tief in meiner Brust. Ich wäre gerne voller Zuneigung. Aus reinster Liebe möchte ich die Gesundheitsämter und das föderale System loben und darauf anstoßen. Mensch, prima, wie eindeutig die Regeln sind und klasse, wie zügig und abgestimmt die Kommunikation läuft. Hoch die Tassen im Land der Dichter und Denker, Raucher und Trinker, das haben wir großartig hinbekommen. Am Anfang schwergetan, aber jetzt läuft der Laden. Das wäre er gewesen, mein Wunsch. Ich trage nämlich wenig Tendenz zum Querulanten in mir und bin auch kein fieser Klugscheißer.
Hallo, hier sehe ich noch etwas Luft nach oben im deutschen Krisenmanagement!
Jetzt haben wir nur als Familie im ungewollten Selbstversuch zwei Wochen Quarantäne hinter uns und da melde ich mich mal und rufe zaghaft in die Runde: Hallo, hier sehe ich noch etwas Luft nach oben im deutschen Krisenmanagement! Im Kern bin ich nachsichtig. Es ist für fast jeden die erste Pandemie und wir alle wussten nicht so recht, was tun. Nach fast zwei Jahren Erfahrung hätte ich mir im Jahresübergang aber einen Zacken mehr Klarheit und Orientierung erhofft. Dabei mag ich unseren neuen Gesundheitsminister. Er ist vom Fach, schenkt uns reinen Wein ein und entsprechend fühle ich mich in guten Händen. Mir ist lieber, jemand sagt „Bei uns in der Region ist in der Regel jeden zweiten Tag Scheißwetter, dafür haben wir das schönste Hallenbad weit und breit“, als ein übler Hüttenwirt, der mir immer Schnee verspricht, wo nie welcher liegt. Wenn ich im Urlaub dann nur drei Tage Regen habe, freut es mich, denn ich wusste zumindest, was mich hätte erwarten können. Lieber Karl, du macht das schon.
Also Kontaktbeschränkung, FFP2-Maske, Impfausweis und Selbsttest. Leute aus Berlin, auf mich und den Rest meiner Gang könnt ihr treu zählen. Wir machen, was ihr als Empfehlung zuruft. Nur müsste ich diesmal noch wissen, was! So ganz konkret. Und vor allem, ab wann. Denn da liegt der Hase im Pfefferspeck. Seit Omikron tue ich mir schwer mit dem Verstehen. In der Liga der schlauen Gentlemen sitze ich vielleicht nicht in vorderster Reihe, aber ich habe keinen schlechten Hochschulabschluss und so manch kniffligen Text von Bourdieu oder Foucault gelesen und halbwegs kapiert. Ich bin also bei voller Konzentration in der Lage, komplexe Sätze und Sachverhalte zu verstehen. Aber dieses Wirrwarr führte mich an meine Grenzen. Mir hilft es wenig, wenn neue Vorgaben ausgerufen werden, niemand aber sagt, ab wann genau der Startschuss fällt. Da tönt es aus Berlin: Aufpassen, die Infrastruktur ist bald am Arsch, ab sofort gilt ganz was Neues, Omikron hin und Delta her. Aber „ab sofort“ ist eben nicht „ab sofort“. Erst kommt der Bundesrat, dann die Länder und im Anschluss vielleicht noch der liebe Gott.
Bevor Beschlüsse in die Tat umgesetzt werden, holt euch wahllos zehn Menschen aus dem Land an den Tisch.
Derweil sitzen wir daheim und warten, dass das Gesundheitsamt sich meldet. Das hat aber geringeres Tempo und schickt nach elf Tagen einen langen Brief per Post, den wir zweimal lesen. Und langsam nähern wir uns dem Kern des Pudels. Spätestens jetzt frage ich mich, wenn wir schon fast müde abwinken, was macht denn nun eine seit drei Jahren in Deutschland lebende ukrainische Familie? So als Beispiel. Arbeitet die sich auch durch dieses Schreiben und fragt sich, wann und wieso das jetzt gilt. Oder denkt die, liebe Leute, ihr habt euch jetzt elf Tage nicht gerührt und schreibt nun einen Roman, von dem wir nur die Hälfte verstehen, ja blast uns doch einen Schuh auf. Ich wünschte, ich könnte ein Loblied anstimmen. Bis dahin hätte ich eine erste Idee. Bevor Beschlüsse in die Tat umgesetzt werden, holt euch wahllos zehn Menschen aus dem Land an den Tisch. Mit und ohne Migrationshintergrund, aus jeder Bildungsschicht und Altersspanne, Männer und Frauen. Gebt ihnen eure Schreiben und fragt sie, was sie davon kapieren. Denkt vom Nutzer her. Customer Journey. Macht Fallbeispiele. Haben fünf von zehn den Durchblick, seid ihr auf dem richtigen Weg. Noch mal alles vereinfachen und per Mail oder einen Messenger verschicken. Direkt und schnell. Klingt verrückt, könnte helfen. Deutschland, wir schaffen das! Ich habe doch einen Wunsch!