Neulich vor dem halbleeren Regal schoss mir eine Frage in die Birne. Siedend heiß und solide aktuell. Dabei dachte ich das Thema sei durch und wir wären alle wieder bei Verstand. Puh. Mist. Negativ. Nur auf der Oberfläche eingeschlagen. Deshalb frag’ ich treu in die Runde. Frei von der Leber weg. Weil es mir langsam unangenehm wird. Aber könnten wir Deutschen mal aufhören, immer dann, wenn irgendwo auf der Welt was passiert und es vermeintlich droht, gefährlich und eng zu werden, reflexartig Klopapier zu kaufen? Wieder unter uns, ihr Gebetsschwestern und Brüder der Herzen? Für ein Land der Dichter und Denker und Raucher und Trinker ist das aus meiner Perspektive nämlich irgendwann von außen nicht mehr ganz nachvollziehbar. Und auch nicht unbedingt imagefördernd. Von sexy wollen wir erst gar nicht reden. Wie Tennissocken in Sandalen. Doch kaum knatterte im Frühjahr 2020 die Pandemie durch Felder, Wiesen und Auen: Kein Klopapier. Kurz nach Einfall der russischen Panzer über die ukrainische Grenze: wieder kein Klopapier! Ich befürchte, beim nächsten Starkregen heißt es erneut: Kein Klopapier! Und wenn in China irgendwann der Sack Reis umfällt: Kein Klopapier.
„Ich befürchte beim nächsten Starkregen heißt es erneut: kein Klopapier!“
Morgen Stau auf der A3? Verdammt, lass uns noch schnell drei Großpackungen vom Vierlagigen kaufen. Leute, das kann doch nicht unser Ernst sein. Da lacht sich doch bald die ganze Welt schlapp. Müsste ich mit uns Deutschen was aushandeln wollen, dann würde ich einfach das Klopapier verstecken. Ich glaube, das brächte alle aus unserer Delegation aus der Fassung. Wir schaffen es nicht, den Russen mit einem Gas- und Öl-Embargo zu knacken, aber wehe, er würde drohen unsere Zewa und Hakle-Fabriken feindlich zu übernehmen. Dann ginge es los, das große Bibbern und Zittern. Im allerersten Lockdown war das alles ja noch halbwegs witzig. Danger Dan schrieb sogar eine hinreißende Ballade dazu. Aber langsam, Freunde der polierten Keramik, wird es schlichtweg peinlich. Statt Rotwein, Whiskey, Bier oder wenigstens Gulaschsuppe in Dosen horten wir einfach immer nur Klopapier. Ab und an noch Mehl oder Sonnenblumenöl. Aber das wichtigste Gut in Krisenzeiten ist den Deutschen ihr Klopapier. Doppelkorn, Frischkäse und Tageszeitungen? Alles in Hülle und Fülle im Regal. Zigaretten? Kein Thema. Aber Klopapier bekomme ich nur rationiert. Eine Packung pro Kunde. Und weil ich spät dran bin, bleibt nur noch das Parfümierte mit Schmetterlings-Print. Oder die kleine Packung aus 100 Prozent Altpapier. Das scheint uns Deutschen wohl nach wie vor so fremd wie Dinkelmehl. Blödsinniger Kram. Braucht kein Mensch. Ich nehme es dann mal. Unsere größte Sorge ist augenscheinlich, dass wir uns kurz nach dem Atomschlag nicht mehr den Arsch abwischen können. Wahnsinn.
„Noch scheinen in diesem Land nicht alle guten Kräfte verloren gegangen zu sein.“
Ich kenne mich mit Atomschlägen nicht wirklich aus, zumindest habe ich noch keinen erlebt. Aber mein gesunder Menschenverstand sagt mir, dass wir uns im Fall der nuklearen Katastrophe zumindest darüber keine Gedanken machen müssen. Oder sogar froh sein müssten, wir hätten nur einen dreckigen Hintern und müssten uns dafür schämen. Anyway. Manchmal bin ich einfach schlichtweg überrascht. Und habe schwere Bedenken. Wozu sind wir denn hierzulande noch in der Lage? Wenn es wirklich ernst wird? Doch gerade als ich mit dem Kopf verzweifelt auf die Tischplatte aufschlagen will, gelingt es den Fans von Eintracht Frankfurt, mal eben das Heiligtum der Katalanen, das Camp Nou trickreich und völlig friedlich zu übernehmen. Ein Coup fast so genial, als käme jemand auf die Idee, die spanische Banknotendruckerei zu kapern oder die nationale Zentralbank in Madrid zu besetzen. Verrückt und Verdammt. Ça plane pour moi! Könnte man ja sogar fast eine Serie draus machen. Ach so. Gibt es schon? Egal. Forza SGE. Schwarz-weiß wie Schnee. Noch scheinen in diesem Land nicht alle guten Kräfte verloren gegangen zu sein. Danke, Eintracht Frankfurt! Für alles. Ach ja: Notfalls putze ich übrigens auch mit Zeitungspapier ab.