Seit fast 30 Jahren trinke ich Gin Tonic. Da bin ich nicht unbedingt stolz drauf, aber ich will es mal festhalten. Auch gerade jetzt beim Schreiben. Hicks. Und zwar einen Boar-Gin mit einem Thomas Henry Tonic Wasser. So. Der Boar-Gin hat nämlich einen Preis gewonnen. Die Pokale für Gin-Brennerein haben allerdings eine Halbwertzeit wie ein Böllerknall an Neujahr. Und da geht das ganze Thema los. Denn früher tat das überhaupt nichts zur Sache und Medaillen gab es schon mal gar nicht. Höchstens ’nen dicken Kopf! Wir sind nämlich die Generation Gordons Dry Gin. Und waren damit fast zwei Dekaden lang völlig zufrieden. Servierst Du jetzt aber einen Gordons Gin, dann kannst du auch gleich Benzin direkt aus dem Zapfhahn der lokalen Tanke dem Gast ins Glas schütten. So vermitteln es zumindest die schmerzverzerrten Gesichter, die dann zu sehen sind. Heiliges Kanonenrohr! Die Gin-Explosion hat uns seit zehn Jahren im Griff und will nicht aufhören.
Ganz ehrlich, Leute. Es geht mir gehörig auf die Naht. Ich habe keinen Geschmacksnerv wie ein Kieslaster, aber hier ist etwas außer Kontrolle geraten. Völlig hirnverbrannte Nerds fangen ungefragt zu erklären an. Gurke oder Zitrone, Tonic Wasser aus Südindien und Gin, versetzt mit Extrakt aus Kartoffelstampf und Nuancen von Blutwurst. Oder so. Gin-Regale wachsen schneller wie die Brombeeren in meinem Garten, jedes Dorf im Spessart hat seine eigene Marke und hier der erste Preis für den besten Gin mit Tonic und dort die Ehrennadel für die urbanste Mische. Nochmal: Generation Gordons Dry Gin. Okay? Wir tranken uns durch ein ganzes Studentenleben im Marburger Frazzkeller mit G&T für 2,70 DM. Zweimarksiebzig! Kapiert? Okay!
Dann kam Bombay Sapphire und wir spürten, da geht noch mehr, die ganzen englischen Gins hatten wir eh nicht auf der Agenda. Doch spätestens mit Monkey 47 wurde die Büchse der Pandora geöffnet. Seit dieser Zeit ist nichts mehr wie es war. Um klar zu stellen. Ich liebe ganz viele Gins und besonders Monkey 47. Still crazy after all these years! Der Brenner der ersten Stunde ist einer der lässigsten Hunde der ganzen Republik. Aber hier hat sich ein Thema verselbstständigt, das plötzlich völligen Henrys eine Trinkkulturbühne bietet, dass meine Leber schmerzt. Jungs, unter uns: Euer Pseudofachwissen lässt meine Ohren sausen und hält mich vom Trinken ab. Diese ganzen Goldmedaillen interessieren mich so viel wie ein Interview mit Max Giesinger! Ob der Gin besser mit dieser mediterranen Tonic-Note funktioniert oder umgekehrt.
Ich kann diesen Nonsens nicht mehr ertragen. Die Linie ist überschritten. Wirklich! Denn mal Hand aufs Herz. Im Vergleich zum Single Malt Whisky, der nur unter bestimmten Bedingungen zu dem wird, wofür manche Menschen ihr Haus verkaufen würden, ist das nur Gin. Am Ende des mühsamen Arbeitstages kann Gin von fast jedem Dödel gebrannt werden. Entsprechend taucht pro Tag ein neuer heißer Scheiß auf, der am Ende auch nicht geiler schmeckt, als all die Premium Produkte zuvor. Nur dass ein Vogel auf der Party damit auf dicke Hose machen kann. Was tun? Ach, vielleicht konzentriere ich mich nur noch auf Bier. Da behalte ich wenigstens den Überblick. Der Rest ist für euch Freaks. Prost!