Einen schönen guten Abend, ihr Generationen, egal ob geboren in den 60ern, 70ern, 80ern oder noch viel später. Ich muss um einen Austausch bitten. In aller Offenheit. Und dabei ein heißes Eisen anfassen. Ein richtig kritisches Thema. Fast so heikel, wie die Integrationsdebatte vor zwei Monaten. Zumindest für alle Traditionalisten. Es geht nämlich in diesem Monat ums Gendern. Also Gendern im Sinne der Verwendung einer geschlechtergerechten Sprache, um eben alle Geschlechter sprachlich einzubeziehen und sichtbar zu machen, anstatt sich nur auf das männliche generische Maskulinum zu beschränken. Um den Gender-Stern, den Gender-Doppelpunkt, den Gender-Unterstrich und das Gender-Wasweißich. In manchen Bundesländern war und ist das Gendern völlig okay, in anderen nahm es nie richtig Fahrt auf.
Das Problem beim Gendern ist, dass nur noch schwer Brücken zwischen den unterschiedlichen Haltungen geschlagen werden.
In Hessen erst Hui, dann Pfui, in Bayern zu keinem Zeitpunkt wohlgelitten. Eben Gott mit dir, du Land der Bayern. Anyway. Das Problem beim Gendern ist, dass nur noch schwer Brücken zwischen den unterschiedlichen Haltungen geschlagen werden. Geradewegs wie im Krieg. Das ist der heikle Punkt der Debatte. Die Schärfe der Diskussion. Und dass der Konflikt zu viel Raum einnimmt und vom eigentlichen Thema wegführt. Bezieht jemand bezüglich des Genderns Position, dann fliegen ihm oder ihr entweder von links oder von rechts faule Tomaten und alte Büchsen um die Ohren. Sagt jemand Gendern ist wichtig, denn alle Menschen müssen sprachlich Berücksichtigung finden, das männliche Patriarchat muss kritisch in den Blick genommen werden und Sprache verändert Wirklichkeit, dann bist du eine linke und WOKE-Weichbirne. Oder noch viel schlimmer. Merkst du an, dass der Stern, der Doppelpunkt und das permanente Pausieren beim Sprechen sich weder schön liest und noch behämmerter anhört und so gut wie nichts an den Grundhaltungen der Menschen ändert und wir besser die älteren Generationen bei den Veränderungen vernünftig mitnehmen müssen, die Sache Zeit braucht und wir unsere Energie zunächst wichtigeren Reformen zuwenden sollten, bist Du ein Bremser oder gleich ein reaktionärer Vollidiot. Einer, der jeden Wandel verhindert und am besten sofort Markus Söder in den Arsch kriechen soll.
Die Lage ist ziemlich aussichtslos und eine ausgewogene Diskussion nur noch schwer möglich.
To make also a long Story short: Die Lage ist ziemlich aussichtslos und eine ausgewogene Diskussion nur noch schwer möglich. Fürs Protokoll: Ich für meinen Teil habe kein Problem mit dem Gendern und verfahre nach dem pragmatischen Motto „Wenn es der Sache hilft“. Wenn jemand nicht will, starte ich keine Grundsatzdebatte, solange die Person sonst im Leben ausreichend Toleranz walten lässt. Wenn allerdings – wie jetzt in Hessen passiert – das Kultusministerium beschließt, die Social-Media-Profile der Schulen aufs Gendern hin zu überprüfen und über 170.000 vergangene Einträge bereinigen lassen will und dafür noch personelle Ressourcen bindet, dann hebe ich doch vehement die Hand. Wir haben in diesem Land viel zu tun. Es fehlen an allen Ecken Lehrerinnen und Lehrer, vor allem die Grundschulen sind flächendeckend in einem desolaten Zustand, die Klassen eins bis vier vor allem in den Großstädten überfüllt, während in ländlichen Gemeinden stellenweise überhaupt keine ordentliche Beschulung der Jüngsten mehr stattfinden kann.
Wir haben in Summe viele Themen, die es aus meiner Sicht für das Ministerium dringend zu lösen gilt.
Die Infrastruktur ist am Arsch, die Waldfee und mindestens die Hälfte der Kinder kann weder vernünftig schreiben noch ausreichend rechnen, von schwimmen und auf einem Bein springen mal ganz abgesehen. Wir haben in Summe viele Themen, die es aus meiner Sicht für das Ministerium dringend zu lösen gilt. Doch wir beginnen erst einmal damit, alte Instagram-Beiträge zu bearbeiten. Es muss niemand eine Befürworterin des Genderns sein, aber einer Sache können wir uns sicher sein: Die Zukunft der Jugend hängt nicht am Gender-Stern. Schreibt Schülerinnen und Schüler oder Lehrer*innen, es ist mir wirklich wurscht. Aber bitte lasst uns eine vernünftige Schulreform starten und bei den ersten Klassen beginnen. Und wenn die nachfolgenden Generationen den Gender-Stern nutzen wollen, dann haben sie zumindest meinen Segen!
