Vor einigen Tagen geriet ich in das Promi-Special von „Plötzlich arm, plötzlich reich“ auf Sat 1. Oder wie mein alter Freund Hagen Dessau immer sagte: Satan 1. Ich werde nicht müde zu betonen, dass ich ein großer Fan des einfachen Trash-TV bin. Ich behaupte sogar: Willst du dieses Land und seine Menschen verstehen, dann nimm Dir diese drei Tipps zu Herzen: Schaue regelmäßig auf Bild.de, scheue keinen TV-Abstecher zu RTL II und bleib‘ an der Trinkhalle stehen und gehe ins Gespräch mit den Typen, die den halben Liter Export in der Hand halten. Das erfordert Entdeckergeist, aber es hilft zu verstehen, warum Idioten wie Trump an die Macht kommen. Das Format „Plötzlich arm, plötzlich reich“ gehört allerdings nicht zu meinen Favoriten. Es stellt Menschen zur Schau, die wenig haben, hält ihnen ein Stück Rinderfilet vor den Mund, lässt sie dran lecken und schickt sie dann zurück in den Plattenbau. Alle gucken dumm, die Kinder weinen und die Reichen tun einen Moment demütig und hauen ein paar Tipps raus, auf denen sich die achtköpfige ALG-II Familie ein faules Ei backen kann. Dann doch besser Mund abputzen und ab in den Discounter! Der Knüller bei dieser Folge war allerdings der Vertreter der Money-makes-the-World-go-round-Truppe. Das war nämlich Marc Terenzi. Und der hat mit seiner Madame ein Wochenbudget von 5000 Euro zum verprassen. Marc Terenzi? Ja. Marc Terenzi! Spätestens jetzt wurde ich stutzig. Terenzi mag vielleicht ein netter Kerl sein, der auch gerne mal einen über den Durst getrunken hat, doch von da an ratterte es unaufhörlich in der Birne. Am Ende kam ich auf keinen Grund, der ein Verprass-Budget von 5000 Euro in seinem Fall rechtfertigen könnte. Er hat keinen Impfstoff erfunden, kein Monsters of Rock angeführt, noch nicht mal einen Fußball-Pokal in die Höhe gestemmt. Terenzi war Sänger einer unterklassigen Boyband, hat Sarah Connor am Strand geheiratet, hat sich von Sarah Connor scheiden lassen, war 2017 Dschungelkönig , im Europa-Park Rust als Vampir am Start und arbeitete bis vor kurzem als Stripper. Vielleicht sogar immer noch. Gegen nichts davon hab‘ ich was. Es ist die klassische C-Promi-Karriere. Es geht immer irgendwo weiter und zahlt die Miete. Passt. Aber ein Wochenbudget von 5000 Euro? Ich holte meine Gehaltsabrechnung, trank einen Schnaps und begann zu weinen. Ich weiß, ich weiß. Die Welt ist ungerecht, manchmal sogar ein Scheißhaufen und die Schere zwischen Arm und Reich ist größer als das Loch im Hirn von so manchem Mannheimer Popsoul-Sänger mit Sonnenbrille. Und das will was heißen. Aber Leute, wenn Typen wie Marc Terenzi plötzlich 20.000 Euro im Monat frei und ungezwungen in die Welt schießen können, dann halte ich die Luft an, kotze quer durch den Saal und frage mich: Wie weit sind wir denn alle verkommen? Das Durchschnittsgehalt einer Altenpflegerin beträgt nach Blitzrecherche 3200 Euro Brutto. Ein Assistenzarzt bekommt 4900 Euro Grundgehalt. Das sind Berufe, die tatsächlich einen gesamtgesellschaftlichen Sinn ergeben. Terenzi hat im Gegenzug bereits ein Insolvenzverfahren hinter sich bringen müssen, vier Kinder mit drei Frauen gezeugt und einen auf Graf Dracula gemacht. Seine jetzige Partnerin ist Influencerin und Promi-Stylistin! Leute, das kann doch nicht unser Ernst sein. Was ist denn hier schiefgelaufen in der westlichen Welt. Wie viele solcher Bullshit-Jobs wollen wir denn noch aufs Parkett schieben. Ohne Sinn und Notwendigkeit, aber dafür mit mächtig Asche? Influencer, Promi-Stylistin, Immobilienmakler. Freunde, ich glaube wir habe die Kontrolle verloren. Kann mich hier jemand rausholen?

Geht aufs Haus 10|2020
Ralph Rußmann rechnet mal nach