Ich wollte es ignorieren. Ignorieren und vergessen. Wie ein lästiges Furunkel am Hintern. Verdrängen und irgendwann ist es wieder weg. Das war die Hoffnung. Manchmal geht der Plan ja auf. War da was? Ach wunderbar. Es kam wie es ging. Das Furunkel. Doch dann eierten sie gestern vor mir her. Auf dem Radweg. Sechs in einer Reihe. Im Schritttempo. Mehr trauten sie sich nicht zu. Vermute ich. Und da wusste ich, es wird nicht so einfach verschwinden. Sechs Mädchen. Alle irgendwo zwischen 17 und 23. Ich kann das nicht mehr richtig einschätzen. Die Jugend wabert manchmal so vor sich hin. Ich konnte aber gut einschätzen, dass ihnen allesamt ein wenig Sport gut getan hätte. Stattdessen balancierten sie ihre untrainierten mit McDonalds und Energydrinks geformten Körper auf E-Rollern. Alle sechs. Auf dem Radweg. Vor mir. Es war kurz vor sieben. Ich wollte nur heim, ich war müde. Ich hatte viel gearbeitet und wurde entsprechend aggressiv. Denn ich kam nicht vorbei. Und da fiel mir ein, dass ich zum E-Roller bereits vor einigen Ausgaben etwas schreiben wollte. Als diese Plage Einzug hielt in die deutschen Städte. Als an jeder Straßenecke urplötzlich diese Dinger rumstanden. In allen erdenklich grellen Farben, die im Auge brannten. Immer im Weg. Die Hälfte bereits kaputt. Der Elektroschrott von nächster Woche.
Um es klarzustellen: Ich bin ein großer Freund von innovativen Fortbewegungsmitteln. Ich glaube dazu fest und treu an den ÖPNV, finde SUVs und Jeeps in deutschen Innenstädten recht absurd und hänge zu keiner Sekunde am Verbrennungsmotor, wenn sich eine bessere Alternative findet. Ich warte gespannt auf all die Entwickler und Kreativen und was die sich so ausdenken in ihren agilen Denkfabriken. Aber der E-Scooter kann nicht euer Ernst sein! Ist das alles, was uns einfällt zum Thema neue Mobilität? Dass jetzt Burschen, die noch nicht mal die Verkehrsregeln kennen, zu zweit auf einem schmalen Trittbrett stehend, mir die Vorfahrt nehmen? In Jogginghosen gekleidet, ohne jemals damit zu joggen? Leute. Das kann doch nicht alles sein! Ich mag die Jugend. Ich mag ihre eigene, etwas schlampige Art, miteinander zu sprechen, ihr „Digger“, ihr „Alder“ oder „Bruda“ und ich begegne ihnen im Alltag sehr offen und freundlich. Aber mit den E-Rollern beginnen sie mir gehörig auf die Nüsse zu gehen. Genauso auf die Nüsse wie die E-Bike-Fahrer, die mir morgens plötzlich von hinten die Hölle heiß machen. Auf dem selben Radweg bekomme ich abends von sechs Cola trinkenden Cheyennes den Weg versperrt, klingelt mich in der Früh eine Elisabeth im Hosenrock von der Bahn, die im Alltag keine 30 Meter Dauerlauf mehr durchhält.
Hier läuft was aus dem Ruder im Straßenverkehr. Und es dauert nicht mehr lange, bis ich einfach mal jemandem eine Dose Fanta an den Kopf schmeiße. Bei voller Fahrt. Also hier in aller Offenheit und noch in freundschaftlicher Gesinnung: Nur weil ihr eine Elektroverstärkung unter eurer Bundfaltenhose habt, heißt das nicht, dass ihr jetzt die Könige der Radwege seid. Ihr Schwachköpfe! Ja? Und wenn wir als Familie auf einem Fahrradweg entspannt eine Radtour machen, dann müsst ihr nicht bereits aus 80 Metern Entfernung wie hirnverbrannte Spacken klingeln und dann vorbeibrettern, als könntet ihr noch ’nen Pokal gewinnen. Und alle, die aus mir nicht erfindlichen Gründen ohne irgendeine Prüfung einen E-Roller fahren dürfen: Für euch heißt das nicht, dass ihr aus der Hüfte alle gängigen Regeln des Straßenverkehrs ignorieren könnt. Haben wir uns alle verstanden? Gut. Dann funktioniert es ja vielleicht auch bald wieder.