Was wäre wohl los im Land, hätte Heinrich XIII. Prinz Reuß den Posten als Staatsoberhaupt erobert? Das beschäftigte mich kürzlich im Halbschlaf, bevor ich dank einer Tasse Schlummifix noch einem kurzen Ratz verfiel. Schnarch, schnarch. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um unsere Demokratie. Ehrlich. Mir bereitet es Gelenkschmerzen, dass so viel Geld und Einfluss in den Händen von so Wenigen liegt, ich bekomme Kopfschmerzen, wenn ich Elon Musk und sein Imperium und parallel den moralischen Verfall der US-Republikaner beobachte. Meine Haut juckt, wenn ich täglich die Stimmungsmache der BILD erlebe. Mir wird klamm unter den Achseln, wenn ich dazu die Verfassung im Land sehe, die Jammerei der Gutsituierten höre, samt deren beschissener Sorge, die Komfortzone verlassen zu müssen. Mir geht das inflationäre Gelaber von Work-Life-Balance mächtig auf den Sack, wenn um mich herum die Erbengeneration Humus-Avocado-Sandwiches frisst und die private Balance halten kann, während derweil im Frankfurter Bahnhofsviertel Zombieland ausgebrochen ist, oder Familien zu sechst auf 35m² hausen müssen. Sofern sie überhaupt eine Wohnung haben. Mir fallen tausend gute Gründe ein, warum ich in diesen Zeiten ordentlich „Hallo-Wach“ sein muss. So „Hallo-Wach“, wie es mein Schwiegervater gerne in heiklen Situationen als Haltungs-Parole ausruft. Zur Hölle. Ich bin „Fucking-Hallo-Wach“ - all day und all night long. Ich bin ein einziges „Hallo-Wach“ im Dauerzustand! Aber vor einem hatte ich bislang recht wenig Angst. Nämlich, dass Vögel wie Heinrich XIII. Prinz Reuß mit einer kruden Truppe an Reichsbürger-Freaks unser Land kapern könnte. Grundsätzlich messe ich Prinzen hierzulande nur noch wenig Bedeutung bei. Die einzigen die mir immer einfielen, waren Prinz Frederik samt dem Rotlichtmetzger Prinz Marcus von Anhalt oder Prinz Poldi. Da kam mir noch lange keine feindliche Regierungsübernahme in den Sinn. Bis er Ende des vergangenen Jahres in Handschellen aus einem Haus im Frankfurter Westend geführt wurde, war mir Heinrich XIII. Prinz Reuß kein Begriff. Mit Heinrich will wohl auch der Rest der Familie nichts mehr am Hut haben. Verwirrt, verballert, voller verschwurbelter Verschwörungen. Da hätte ich als Neffe am Kaffeetisch auch wenig Lust . Das hielt aber Heinrich noch lange nicht ab, Land und Thron erobern zu wollen. KRD – Königreich Deutschland und so. Dazu versammelte er um sich herum eine Truppe, die sich Monty Python nicht schöner hätte ausdenken können. Eine vergrämte Richterin, ein paar alte Bundeswehr-Soldaten und ein Garten- und Landschaftsbauer. Spätestens jetzt dachte ich kurz, ich sei einer Satiremeldung aufgesessen. Das Problem mit Nazis und Reichsbürgern ist, dass man sie im Grunde immer ernst nehmen muss und wenig Witze machen darf. Auch wenn es schwerfällt. Zur Klärung: Es gibt für mich wenig Schlimmeres als das beständige Nazi-Denken in diesem Land. Fette Bäuche, runde Köpfe, Angst vor allem Fremden, aber immer schön auf dicke Herrenrasse-Hose machen. Von dort weht ein gefährlicher Wind. Aber diese Truppe? Gesteuert aus dem Frankfurter Westend? Lieber Himmel, ich weiß ja nicht. Wir haben ein ernstes Nazi-Problem. Aber wenn jemand das Parlament kapern will, dann sicherlich nicht mit diesem Heinrich an der Spitze. Da lege ich mich mal fest. Aber ich muss aufpassen, denn das Problem bei Witzen über Reichsbürger und Nazis ist mehrschichtig. Die werden nämlich allesamt schnell sauer und legen mir dann in ihrer Wut abgeschnittene Schweineköpfe vor die Tür oder vollziehen sonstigen hanebüchenen Kram, der mir in den tollkühnsten Träumen nicht einfallen würde. Denn ihnen geht eine Kompetenz ab, die ich bei Menschen sonst sehr schätze. Nazis haben nämlich wenig Humor und können schon mal gar nicht über sich selbst lachen. Deshalb sind sie auch so oft sauer auf Minderheiten. Wer mehr über sich selbst lacht, ist nicht so oft wütend. Das ist zumindest meine These. Ach Heinrich, ich wünschte, das Leben hätte Dir einen Hauch mehr Selbstironie geschenkt.

Geht aufs Haus 2|2023
Ralph Rußmann bleibt sicherheitshalber „Hallo-Wach“