Kaum etwas legt das Spannungsfeld von Emanzipation, Kreativität und Anspruch so schonungslos offen wie die Kunst von Frauen, die in der Moderne trotz aller Widrigkeiten eine Stimme fanden.
Im KirchnerHAUS Aschaffenburg wird dies nun unter dem Titel „Gegen alle Widerstände – Künstlerinnen der Moderne“ in einer groß angelegten Ausstellung sichtbar. Gezeigt wird ein breites Panorama von Malerei, Druckgrafik, Plastiken und Zeichnungen von Künstlerinnen wie Paula Modersohn-Becker, Käthe Kollwitz, Hanna Nagel, Else Meidner, Jeanne Mammen und Emy Roeder.
Die Schau beleuchtet aber nicht nur Ästhetik und Form, sondern auch die Geschichten von Widerstand, Verbannung, Exil und Rückkehr. Viele derjenigen, deren Werke hier zu sehen sind, wurden zu Lebzeiten mehr oder minder ignoriert oder ausgegrenzt – heute aber haben ihre Arbeiten einen festen Platz in der Kunstgeschichte. Dabei spannt die Ausstellung einen Bogen von den akademischen Ausschlüssen der Kaiserzeit über die relative Öffnung in der Weimarer Republik bis hin zu den Verfolgungen und Diffamierungen der NS-Zeit, in der viele Künstlerinnen als „entartet“ verfemt wurden. Modersohn-Becker etwa zeigt in ihren Stillleben und Akten ein intensives Verhältnis zur Natur und zum Körper, das Impressionismus und ländliche Schilderungen verbindet. Ihre Farbflächen leuchten, ihre Kompositionen verstören ins Positive. Kollwitz hingegen greift das Politische, das Soziale auf – in Grafiken und Holzschnitten wird Schmerz erfahrbar, Mitgefühl übersetzt sich in eine bildhafte Wucht, die bis in die Gegenwart nachhallt. Hanna Nagel steuert in ihren Zeichnungen zwischen Neuer Sachlichkeit und Expressionismus mit Glasur, Feder, Aquarell – etwa in „Glomme“ (1929) – eine zarte Balance zwischen Stimmung und Form. Meidner und Roeder bevölkern ihre Arbeitsräume mit Figuren, Selbstbildern, Porträtstudien, Malerei und Radierung. Themen wie Identität, Exil und das weibliche Erleben finden Formen, die kompromisslos und innovativ sind. Werke von Lucie Cousturier oder Maria Caspar-Filser zeigen Einflüsse der Avantgarde Frankreichs und der klassischen Moderne: Pointillismus, kräftige Farben, klare Linienführung – und stets ein eigenes Wollen.
Wer sich mit der Idee von Kunst als emanzipatorischer Kraft beschäftigt, wird hier reich belohnt: Nicht nur visuell, sondern durch eine reflektierte Zusammenstellung, die zeigt, wie Künstlerinnen die Moderne nicht nur adaptierten, sondern maßgeblich prägten. Der Ausstellungstitel ist Programm: Gegen alle Widerstände – sei es durch die Geschlechterpolitik der Akademien, Verfolgung unter dem NS-Regime oder kultureller Marginalisierung – wurde Kunst geschaffen, die heute mehr denn je stark, klar und relevant ist. Die Schau ist mehr als retrospektive Würdigung, sie lädt dazu ein, Wahrnehmungen zu überprüfen und zu erweitern. Das KirchnerHAUS bietet damit einen Raum, der Erinnerung bewahrt und gleichzeitig Impulse für Gegenwart und Zukunft gibt. Eine Chance, die weiblichen Stimmen der Moderne wahrzunehmen und sich davon inspirieren zu lassen!
