Foto: Timo Raab
KÄMPFERIN AUS LEIDENSCHAFT
In allem etwas Positives sehen – so lautet das Lebensmotto der quirligen Christine Raab. Anfang 30, frisch verheiratet, aktiv in mehreren Jobs: läuft. Und dann kommt er, der Brustkrebs. Hebelt das Leben der Großostheimerin von heute auf morgen aus allen Fugen, zwingt sie, den Reset-Knopf zu drücken. Zurück auf Los. Doch der Gegner hatte die Rechnung ohne die heute 33-Jährige gemacht: Die schrieb sich „Fuck Cancer“ auf die Fahne und forderte zum Duell.
Samstag, 1.11.2014: Christine besucht gemeinsam mit ihrem Mann Timo Freunde in Osnabrück. Timo ist es, dem an jenem ersten Novemberabend Verhärtungen in Christines rechter Brust auffallen. „Wird schon nix sein“, denkt sie sich. Hat ja schließlich auch keine Schmerzen und ist immer regelmäßig bei ihrer Frauenärztin vorstellig geworden. Einen Termin für die folgende Woche vereinbart sie trotzdem – zum Glück. „Am Gesicht der Ärztin konnte ich sofort ablesen, dass etwas nicht in Ordnung ist“, erklärt die Großostheimerin. Gut zwei Wochen und etliche Untersuchungen später muss sich die damals 32-Jährige damit anfreunden, alle Lebenspläne überdenken zu müssen. Die Diagnose: Brustkrebs.
Bis dato wuselt die gebürtige Blankenbacherin als vielseitig interessiertes Organisationstalent durchs Leben: Ihrer Ausbildung zur Erzieherin ließ sie diverse Weiterbildungen – unter anderem zur Natur- und Waldpädagogin – folgen, war seit 2009 als Wellnessmasseurin, seit 2012 als Schwimmlehrerin und als Make-up- sowie Hair-Artist tätig. Bis Mitte November alles auf Null katapultiert wurde: Konfrontation mit Chemo- therapie, Bestrahlung und Antihormontherapie. Anstatt mit ihrem Mann über die Wochenendgestaltung zu fachsimpeln, heißt es, sich Gedanken über den eigenen Kinderwunsch zu machen. Das Paar entscheidet sich, auf Nummer sicher zu gehen. Ja zur Kinderwunschtherapie. Ja zur Eizellenentnahme. Christine und Timo wollen Eltern werden. Irgendwann. Doch zuerst hat die Powerfrau den Kampf gegen einen monströsen Kontrahenten aufzunehmen.
Eine Operation, sechs Chemotherapie-Behandlungen, 34 Bestrahlungen und etliche Monate später steht heute fest: Die Siegerin heißt Christine. Eine Antihormontherapie versetzt sie nun künstlich in die Wechseljahre und regelmäßige Kontrollen sind selbstverständlich – doch die tagtäglichen Krankenhausbesuche, Hiobsbotschaften und Heulattacken Schnee von gestern. Frau Raab gibt wieder Gas – aber mit Bedacht: Mitte Oktober startete sie eine vierwöchige Reha auf Sylt, während der sich die 33-Jährige viele Gedanken über ihren Webshop machen konnte. Der ist nun online gegangen und offeriert neben Make-up-, Pflege- sowie dekorativen Artikeln – „alles Naturkosmetikprodukte, hinter denen ich zu 100 Prozent stehe“ – auch Postkarten: Fünf Motive sind zu erstehen, die alle Christine während ihrer Behandlungszeit zeigen. Vier mit Glatze. Von den Kosten in Höhe von 2,50 Euro pro Exemplar spendet sie einen Euro an DKMS Life, einen Verein, der bundesweit kostenfreie Kosmetikseminare für krebskranke Frauen anbietet. Für die ehemalige Patientin eine Herzensangelegenheit: „Ich möchte den Verein unterstützen, damit möglichst viele Frauen das Angebot nutzen können“, erklärt die Großostheimerin, die auf ihrer Webseite auch über Gesundheitsthemen, Yoga oder ihre Brustkrebsgeschichte bloggt.
Christine wäre auch nicht Christine, würde sie 2016 komplett ruhig angehen lassen: Just hat sie eine Ausbildung zur Yogalehrerin begonnen, im Juni steht die freie Trauung auf dem Programm und mit dem Hausbau will das Paar auch nicht mehr allzu lang warten. Langweilig wird’s bei der Kämpferin aus Leidenschaft also auch in diesem Jahr so schnell nicht.