
Foto: Till Benzin
GEMEINSAM FÜR INTEGRATION
Eintauchen in die faszinierende Welt des Orients gemeinsam mit dem fliegenden Kamel? Spannende Abenteuer mit Bibi und Tina erleben? Oder doch lieber einen märchenhaften Nachmittag mit Aschenputtel verbringen? Die achtjährige Ruhama Kassa muss sich nicht entscheiden. Dank Margit Karpf trifft die junge Dame mit äthiopischen Wurzeln sowohl Bibi als auch Aschenputtel – das Projekt Theaterpaten des Fördervereins Stadttheater Aschaffenburg macht’s möglich.
Gemeinsam für Integration: Ungefähr einmal im Monat haben Margit Karpf und Ruhama Kassa ein Date. Ein kulturelles Date. Die Veranstaltung hat sich Ruhama, deren Eltern aus Äthiopien stammen, zuvor ausgesucht. Die Kosten der Eintrittskarte trägt indes Margit Karpf – ganz freiwillig. Die Mainaschafferin ist Theaterpatin – und bereits seit ihrem 14. Lebensjahr selbst fleißige Theatergängerin. Auch Vorstellungen für die Jüngsten sehe sie gerne, erklärt die ehemalige Kindergartenleiterin, die Anfang vergangenen Jahres von der Idee der Theaterpatenschaften des Fördervereins Stadttheater Aschaffenburg e. V. erfuhr und nicht lange zögerte: Für das seitens des Kulturamts sowie der Integrationsbeauftragten der Stadt Aschaffenburg geplante Projekt wurden Kulturfreunde gesucht, die mit Kindern und Jugendlichen, die in der Aschaffenburger Gemeinschaftsunterkunft leben oder lebten, Theatervorstellungen besuchen.
Am 13.10.2014 war es dann soweit: 15 interessierte Heranwachsende machten Bekanntschaft mit ihren Paten. Bei diesem ersten Zusammentreffen stand „Das fliegende Kamel“, ein Lesungskonzert von und mit Paul Maar in deutscher und türkischer Sprache, auf dem Programm. Seitdem organisieren die Paten die unterschiedlichsten Aktivitäten selbst, viele haben zudem Schulungen zu Themen wie „Aufsichtspflicht“, „Interkulturelles Training“ und „Erste Hilfe am Kind“ besucht. „Kultur darf kein Privileg sein“ – darin sind sich alle Freiwilligen einig. „Das Theater muss auch zukünftig eine Kulturstätte bleiben, die Menschen aller Altersgruppen und Nationen durch die Einmaligkeit und Unverwechselbarkeit des Bühnengeschehens, durch das Erlebnis des Augenblicks, des unwiederbringlichen Moments fasziniert“, ist in der Projektbeschreibung zu lesen.
Auch für Margit Karpf ist es selbstverständlich, dass es Kindern mit Migrationshintergrund möglich sein muss, das Theater mit all seinen Facetten kennenzulernen. Als Kindergartenleiterin habe sie mit den Jüngsten oft Theater gespielt. Gerne würde sie mit den eigenen Enkelkindern Nachmittage im Schauspielhaus verbringen, „doch leider leben die vier Buben zu weit von Aschaffenburg entfernt“, erklärt die Mainaschafferin. Gut für die achtjährige Ruhama Kassa, die die dritte Klasse der Dalberg-Grundschule besucht und die Frage nach ihrem Lieblingsfach ohne großes Zögern mit „Deutsch!“ beantwortet. Während Margit Karpf ihre Enkel nicht in der Nähe weiß, ist auch für die junge Afrikanerin gemeinsame Zeit mit Oma und Opa selten: Beide leben in Äthiopien, Besuche sind selten. So ist Margit Karpf für Ruhama wohl längst mehr als „nur“ eine Theaterpatin. Umso schöner, dass sie seit der Auftaktveranstaltung im vergangenen Oktober ungefähr einmal im Monat etwas gemeinsam mit ihrer „großen Freundin“ unternehmen kann. Weder das Puppenschiff noch das Kinopolis war vor diesem ungewöhnlichen Duo bislang sicher. Und wer diese beiden Damen erlebt, ist sich in einem Punkt völlig klar: Ein Ende ist hier noch lange nicht in Sicht.