
Foto: Till Benzin
DSDS HAT NICHTS MIT DER REALITÄT ZU TUN!
274 Seiten sorgen derzeit in Aschaffenburg für Furore und das nicht nur unter Musikern oder Musikbegeisterten. Dass diese Seiten auch über die Region hinaus Leute zum Schmunzeln bringen oder in Erstaunen versetzen werden, dürfte nur eine Frage der Zeit sein. Denn das Buch mit dem Titel „Der Dorfelvis“ erzählt autobiografisch die Geschichte eines Mannes, der für einige Jahre Frontmann unserer heißgeliebten, hardestworkingroundtouring „Scheißkapelle“ Boppin’B war: Markus Gleim.
Legendenjahrgang ’68 und vielen unter seinem Spitznamen „Schlemmi“ bekannt: Weit über 1.000 Gigs lang war er Teil der Rockabilly-Mission und bereiste unzählige Clubs, große und kleine Festivalbühnen und schwängerte zahlreiche TV-Studios mit unverfälschtem Rock ’n’ Roll-Feeling. Eine Zeit, fast durchweg on the Road und vollgepackt mit lustigen Anekdoten, aber auch einem teilweise entlarvenden Blick hinter die Kulissen, in die harte Realität des Musikbusiness. Zu erzählen gibt es also genug beim gemütlichen K(affee)- & K(ippchen)-Schnack in der FRIZZschen Redaktion. Und auch wenn das alles schon fast 20 Jahre her ist: Die Person Markus Gleim ist die pure Authentizität und hat die Bilder von einst stets klar vor Augen.
Seine Liebe zur Musik entdeckte er durch das eingehende Studium der elterlichen Plattensammlung während einer hartnäckigen Mumps-Erkrankung sowie durch das damals sehr beliebte BR1-Wunschkonzert. Die selbst angefertigten Kassettenmitschnitte dienten allabendlich im Gleimschen Kinderzimmer als Soundtrack für große Konzerte, bei denen „Schlemmi“ dank einer Papp-Gitarre und zwei Holzstücken wahlweise den umjubelten Gitarristen und Sänger oder den groovenden Drummer gab. Es folgte das obligate Blockflötenbootcamp, bevor er sich autodidaktisch mit einem Beatles-Songbook das Gitarre spielen beibrachte, weil damit auf Partys besser Mädels klarzumachen waren, als mit einem löchrigen Stück Holz. Logische Konsequenz: Gründung der Band The Studebakers, die im Aschaffenburger Raum Erfolge feiern konnte und bei der Markus das erste Mal auch mit dem Mikro in Kontakt kam.
Sein Gitarrenlehrer zu dieser Zeit war ein gewisser Golo Sturm, der mit den Boppins bereits schwer am Touren war und dessen musikalische Wege sich bei Heimspielen nicht selten mit denen seines Schülers und Freundes kreuzten. So auch anlässlich eines Gigs in der City Galerie 1990, bei der beide Bands auftraten. Den Boppins stand die Trennung von ihrem bisherigen Sänger bevor und so engagierte man „Schlemmi“ direkt von der Bühne weg als neuen Frontmann. ’91 dann der Schicksalsschlag: Ein Nervenwurzelausriss, erlitten bei einem schweren Motorradunfall, sorgt dafür, dass er seinen linken Arm nicht mehr bewegen kann. Aufgeben? Nicht mit Markus! Dazu ist ihm sein (Musiker-)Leben zu schön, die Musik zu heilig. Ende 1995 werden die Schmerzen jedoch zu stark, schweren Herzens nimmt er Abschied von den Boppins, kehrt ins „normale Leben“ zurück und arbeitet unter anderem in der Kinder- und Jugendpflege. Wenn er in dieser Zeit von seinem Leben auf Tour erzählt, hört er immer öfter den Satz „Mensch, das müsste man mal aufschreiben!“ Und irgendwann fängt er damit an, zuerst nur für sich, vier Jahre lang, von lustigen und schönen Tagen, von Treffen mit den Stars und Sternchen, von Partys und durchgemachten Nächten. Aber auch von dunklen Zeiten, von Ärger und Stress, seinem Unfall, miesen Veranstaltern und der Erkenntnis, dass DSDS nichts mit der Realität zu tun hat. Und auf einmal ist das Buch da. 274 Seiten, die Furore machen. Abschließend erzählt uns „Schlemmi“ noch, dass er das Leben trotz seiner Behinderung feiert und es bei seinem Allstar-Auftritt jüngst im Colos-Saal sehr gekribbelt hat. Er wäre nicht der erste Autor, der sein Bühnen-Comeback feiern würde …