
Foto: Anika Koppenstedt
DIE LEGERSTE GALERIE IM KUNSTKOSMOS
Was dem Wiener sein Hawelka, ist dem Ascheberscher sein Hench: Bereits seit stolzen 112 Jahren beglückt der Clan seine Kundschaft mit verführerischen Backwaren. Doch der Traditionsbetrieb lockt nicht nur Fans von Kaffee & Kuchen in die Sandgasse: Auch Kunstschaffende sowie -freunde finden regelmäßig den Weg ins Café. Und das nicht erst seit gestern: Seit mittlerweile 50 Jahren bieten die Henchs Kreativen die Gelegenheit, ihre Werke in ungezwungener Atmosphäre zu präsentieren.
Spät kann es werden, manchmal vier oder fünf Uhr in der Nacht. Oder vielmehr am frühen Morgen. Wenn ein Ausstellungswechsel ansteht, tritt Bernhard Hench spät zum Matratzenhorchdienst an. Dafür kommen die Gäste des Cafés bereits wenige Stunden später in den Genuss „frischer“ Werke. Der Kunst hat sich der gelernte Bäcker nicht nur mit Leib und Seele verschrieben – die Affinität zu den schönen Dingen wurde dem ungewöhnlichen Galeristen gar in die Wiege gelegt: Sieglinde Hench, seine Mutter, war nicht nur eng mit der Malerin Elisabeth Dering befreundet – ihr ist es auch zu verdanken, dass das Café Hench die wohl legerste Galerie im Kunstkosmos ist. Und das nun schon seit 1964: In einer Zeit, in der Ausstellungsmöglichkeiten für hiesige Künstler Mangelware waren, bot Sieglinde Hench Kreativen die Gelegenheit, Werke zu präsentieren – in einem ungezwungenen Ambiente.
Auf Dering folgten Größen wie Erwin Rager, Lubodar Mossora oder Bernhard Vogler, die sich alle sicher sein konnten, dass ihr Geschaffenes dank des besonderen Ausstellungsraumes auch Personen erreichte, die niemals eine gewöhnliche Galerie aufgesucht hätten. „Auch heute stoßen hier Leute auf Kunst, die sie weder gesucht noch erwartet haben“, erklärt Bernhard Hench, der 1992 in den elterlichen Betrieb zurückkehrte, um seinen Bruder Georg zu unterstützen. Gleichzeitig übernahm er die Organisation der Ausstellungen. Die Tradition „Kaffeehaus als Kulturzentrum“ möchte auch er bewahren – die Wiener Kaffeehauskultur gehört immerhin schon seit drei Jahren zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO. 1993 gab er sein Debüt mit der Werkschau des Steinbildhauermeisters Martin Stein. Im gleichen Jahr wurde der Betrieb in die Hench Feinback GmbH umgewandelt, mit Sieglinde, Georg und Bernhard Hench als Geschäftsführern. Seitdem kuratiert Letzterer jährlich circa acht Einzel-, Doppel- oder Gruppenschauen, die alle „aus dem Verwurzeltsein in der Szene entstehen“, wie er erläutert. Sein 20-jähriges Galeristen-Dasein wurde im letzten Jahr mit der Ausstellung „b20“ gefeiert, bei der es unter anderem Werke von Boris Fröhlich, Puppenschiff-Gründer Bernd Weber, Wolfram Eder und Tochter Hanna Hench zu bestaunen gab. Während Hanna 2010 ein Studium der Freien Malerei aufnahm, tritt Bruder Joschka mittlerweile in die familiären Bäckerfußstapfen und besucht die Meisterschule.
Auch bei der achtwöchigen Jubiläumsausstellung ab 11.8. werden Skulpturen, Bilder oder Fotografien genannter Persönlichkeiten gezeigt. Allen gemein sei der direkte Bezug zu den Henchs, so der 53-Jährige. Es ist kaum zu übersehen, dass der Mainaschaffer nach über 20 Jahren immer noch Feuer und Flamme für die schönen Dinge ist. Vor allem die Begegnungen mit Künstlern schätze er sehr, erläutert der Cafébetreiber. Spricht’s und verabschiedet sich: Es ist Mittwoch, kurz vor 14 Uhr. Bernhard Vogler muss abgeholt werden. Eine Stunde lang schaut der 1930 in Aschaffenburg geborene und mittlerweile wieder hier lebende Bildhauer und Keramiker allmittwöchlich im Kultcafé vorbei und ist so ganz nebenbei lebender Beweis dafür, wie sehr Brot und Kunst in der Sandgasse Hand in Hand gehen.