Foto: Till Benzin
ABDUL UND DIE KÖNIGIN DER BLUMEN
Johann Wolfgang von Goethe, Rainer Maria Rilke, Hildegard Knef – alle sind der langstieligen Zierpflanze schon verfallen. Auch ein Babenhäuser schenkt der Königin der Blumen viel Aufmerksamkeit: An drei Tagen in der Woche ist der gebürtige Pakistani in Aschaffenburg unterwegs, um Romantikern, Kavalieren und Verliebten rote, gelbe, weiße und auch mal blaue Prachtexemplare anzubieten.
Heiliges Symbol im Islam, Zeichen der Verschwiegenheit seit dem Altertum, Überbleibsel der Morgenröte auf Erden in antiken Sagen: Die Rose ist bis heute ein Symbol für Liebe und Freude. Beides möchte der emsige Mann unter die Menschen bringen, wenn er an drei Abenden in der Woche im Bayerischen Nizza unterwegs ist, an die Tische eilt und mit seinem unverwechselbaren Singsang seine Blütenpracht feilbietet.
Mittlerweile müssen sich Felix Magath und Urban Priol warm anziehen: Der gebürtige Pakistani ist unlängst genauso populär wie sie. Doch im Gegensatz zur Fußball- und Kabarettgröße wissen die Wenigsten, wie der quirlige Mann überhaupt heißt, geschweige denn, woher er stammt. McDonald’s, KFC, Müllermilch: Bei allen Konzernen hat Abdulwase Shahid schon gearbeitet. 1985 kam er als Asylbewerber nach Deutschland, acht Jahre später wurde er nicht nur eingebürgert – er meldete auch sein Reisegewerbe an. Wenige Tage später konnte der heute 54-Jährige erstmalig mit dem Verkauf von Rosen ein monatliches Zubrot verdienen. Hauptberuflich arbeitete Abdulwase Shahid, wie heute noch, bei der Post in Babenhausen. „Mein großer Traum war es damals, einen deutschen Pass zu bekommen,“ erklärt der kleine Mann mit den dunklen Augen. Seinen zweiten Wunsch hat er sich jüngst selbst erfüllt: „Ein eigenes Haus mit meiner Frau und meinem Sohn!“
Heute arbeitet er an fünf Tagen in der Woche morgens in seiner Boutique namens Abiha in Babenhausen, in der er mit seiner Gattin pakistanische, indische und europäische Mode sowie Accessoires verkauft. Dann eilt er zur Post. Donnerstags bis samstags – „ … und an Abenden vor Feiertagen!“ – ist er anschließend in den nächtlichen Gassen von Aschaffenburg unterwegs, um die langstieligen Zierpflanzen Ausgehfreudigen anzubieten. Stolze acht Kilometer legt er pro Abend zurück. Bepackt mit einem riesigen Strauß Fair-Trade-Rosen tingelt er durch die Restaurants wie auch Bars und ist dabei stets freundlich und niemals aufdringlich.
Ein höfliches „Bitt’schön!“, ein dezenter Hinweis auf die Rosen: Abdulwase Shahid gehört zu einem Abend in einem Ascheberscher Lokal, wie der Maulaff zur Stadtgeschichte. Auch der fleißige Verkäufer kennt sie mittlerweile alle – die Verliebten, die Romantiker, die Sentimentalen und die Kavaliere. Geschickt wieselt er durch jede noch so volle Bar und hat nach so vielen Jahren „immer noch Freude daran“. Selbst ein unschöner Vorfall vor zwei Jahren kann daran rein gar nichts ändern: Damals wurde der gebürtige Pakistani in unmittelbarer Schlossnähe Opfer eines Überfalls. Dabei verletzte ihn der Angreifer nicht nur, sondern bediente sich auch an seinen kompletten Einnahmen. „Drei Wochen lang war ich anschließend außer Gefecht!“
Momentan verkauft der gläubige Moslem, der weder Alkohol trinkt noch Schweinefleisch isst und das Freitagsgebet nie verpasst, ein duftendes Exemplar für moderate 2,50 Euro – „Und es gibt Mengenrabatt bei mir!“ Meistens besorgt er die Rosen in Kelsterbach in unmittelbarer Flughafennähe oder in der Frankfurter Großmarkthalle, wobei er in der Regel gleich 150 Rosen kauft. Rote und weiße Exemplare sind besonders gefragt, aber auch rosafarbene, blaue und gelbe hat er in seinem Sortiment. „Ich wechsele einfach immer mal wieder ab!“
Nach seiner Einbürgerung und seinem eigenen Haus hat der Babenhäuser nun doch wieder einen kleinen, bescheidenen Traum: eine Reise nach Pakistan. „Mein letzter Heimatbesuch ist doch schon wieder einige Jahre her!“