Ist das Kunst oder kann das weg? Heutzutage wird man geradezu überschüttet mit medialen Angeboten. Seien es drölf verschiedene Streamingdienste in nahezu jedem Bereich oder tausende selbst ernannte Meisterliteraten, die meinen, sie seien der nächste Tolkien. Wer soll bei dieser Reizüberflutung noch durchblicken? Und genau an dieser Stelle kommt der hauseigene FRIZZ-Volontär ins Spiel …
Das grundlegende Prinzip
Dieser Magaziner vereint jede Ausgabe persönliche Favoriten der Popkultur: Jeden Monat picke ich von mir bereits konsumierte mediale Güter heraus, die ich als empfehlenswert erachte und philosophiere humoristisch, aber auch analytisch über deren Grundzüge, rezensiere die Handlung und spezifische Merkmale, die sie als besonders herausstechen lassen. Inbegriffen sind die Rubriken Film, Serie, Musik und Literatur. Die Kategorien orientieren sich am Konzept des FRIZZ. Nur halte ich mich nicht daran, ausschließlich kommende Veröffentlichungen zu besprechen. Vielmehr soll es als Sammlung subjektiver Schätze – egal ob 100, 50, 20 oder zehn Jahre alt – aufgebaut.
Everything Everywhere All at Once
Wirft man einen Blick in die Google-Rezensionen, spiegelt sich dort ein extremer Zwiespalt der Stimmen wider. Mit der Folge, dass viele ihn nach circa 20 Minuten ausschalteten. Aber ab genau dort wird erst erkenntlich, wohin die chaotische Reise eigentlich geht. Ich bin froh, dem Ganzen eine Chance gegeben zu haben. Denn die Story über die zuweilen engstirnige, in einer unglücklichen Ehe und im Alltagstrott ihres Waschsalons gefangenen chinesischen Auswanderin Evelyn mündet in eine berührende Pointe. Aber vorher muss sie erst mit multiversalen Gefahren, die sie selbst erschaffen hat, zurechtkommen. Das resultiert keineswegs in einem konventionellen 0815-Streifen mit vorhersehbarer Handlung, sondern in einem experimentierfreudigen Konzept, das an eine ausgedehnte Folge Rick & Morty erinnert. Der Grat zwischen Genie und Wahnsinn ist schlichtweg schmal.
Skins
Skins handelt von einer wild zusammengewürfelten britischen Freundegruppe, die ihren gemeinsamen Weg durch hormongeladene, exzessive, feierwütige Teenagerjahre bugsieren muss. Dabei wird kaum ein charakteristisches Figurenmodell ausgelassen. Angefangen beim toxischen, manipulativen Tony, dessen bester Freund Sid in Tonys feste Freundin Michelle verliebt ist. Anwar, der traditionalistisch-muslimisch aufwächst und unbedingt seine Jungfräulichkeit verlieren möchte. Sein schwuler bester Freund Maxxie, der sich als Balletttänzer in London unter Beweis stellen will, während Chris drogenabhängig, Cassie magersüchtig und Jal eine überambitionierte Oboenspielerin ist. Klingt im ersten Moment verwirrend und überladen, ist es aber nicht – dafür nahbar, dreckig, unfair, echt. Die unkonventionelle Erzählart ist dafür ebenso verantwortlich wie die spannende Handlung. Jede Folge fokussiert sich auf einen der Freunde als Protagonisten, weswegen man eine besondere Einsicht in alle Figuren erhält. Nach den ersten beiden Staffeln wechseln die Charaktere und die Freundegruppe von Tonys kleiner Schwester übernimmt – mit ähnlich guter Qualität.
M83 – Hurry Up, We’re Dreaming
Ich werde bestimmt nicht müde, zu erwähnen, dass Electro-Dream-Pop eines der schönsten und gleichzeitig eindrucksvollsten musikalischen Genres überhaupt ist. Und welcher Interpret wäre würdiger als die französischen Maestros M83, die mit oben erwähntem Album ihr Magnum Opus erschufen? Songs wie „Wait“ oder „My Tears Are Becoming a Sea“ wurden bereits diverse Male für Film-Soundtracks herangezogen. Gleichzeitig enthält die Platte mit „Midnight City“ eines meiner absoluten Lieblingslieder. Warum? Die einzigartige Melodie passt in jede Situation. Ausnahmslos. Egal ob traurig, glücklich, im Sommer auf der Picknick-Wiese oder beim Spaziergang im verschneiten Winter. „Midnight City“ ist in keinem Fall ein Stimmungskiller.
The Egg
Untypischerweise serviere ich diesen Monat in der Kategorie Literatur keinen Roman, sondern „nur“ eine Kurzgeschichte von Andy Weir. Die Hauptpersonen Ich – ein gottähnliches Wesen – und Du – ein kürzlich beim Autounfall verstorbener Familienvater unterhalten sich im Jenseits über den Sinn des Lebens. Ich offenbart Du, dass jedes menschliche Leben, das je existierte und existieren wird, die Reinkarnation des Verstorbenen ist. Du lebt in einem von Ich erschaffenen Universum, um zu einem gleichen gottähnlichen Wesen heranzureifen. Das kann er nur, wenn er sämtliche Leben einmal durchlebt hat. Du versteht, dass jede Gräueltat, die eine Person einer anderen zufügt, ein Akt von ihm gegen sich selbst ist – genauso auch positive Handlungen. Die Geschichte ist eine inspirierende Interpretation des Kategorischen Imperativs nach Immanuel Kant – die Goldene Regel.