Es gibt wenig Themen, die so oft und so ausführlich in der Öffentlichkeit und in der Politik diskutiert werden, wie eine mögliche Legalisierung von Cannabis. Das liegt vor allem daran, dass immer mehr souveräne Staaten entweder zur Entkriminalisierung oder gar zur kompletten Legalisierung von THC als Maßnahme greifen, um das organisierte Verbrechen weiter einzudämmen und auch den Verbraucherschutz zu verbessern. Das klingt zunächst paradox, lässt sich aber wunderbar untermauern, wenn man einmal einen Blick nach Portugal, in einige Bundesstaaten der USA, Paraguay oder Kanada blickt.
Internationaler Vergleich
In besagten Staaten wurden in den vergangenen 20 Jahren verschiedene Modelle an den Start gebracht, die alle einen maßgeblichen Wandel der Drogenpolitik anstießen. So hat Portugal 2001 gleich alle Drogen entkriminalisiert, fordert „ertappte“ Konsumenten aber zu einer medizinischen Suchtberatung auf. Seitdem sind drastische Rückgänge der Konsum-, Todes- und Krankheitszahlen – zum Beispiel bei HIV, das gut und gerne mal über verunreinigte Spritzen weitergegeben wird – zu verzeichnen. Im kleinen Gegensatz dazu stehen Entwicklungen in zum Beispiel Colorado und Kanada, bei denen aber wohlgemerkt nur Cannabis legalisiert wurde, das in seiner Wirkung und den gesundheitlichen Folgen von sehr harten Drogen wie Heroin, Kokain und Methamphetamin abzugrenzen ist. Im US-Staat ist der Konsum seit der Legalisierung im Jahr 2014 vor allem bei jungen Erwachsenen – hauptsächlich Studierenden – und seit 2018 in Kanada bei Personen Ü65 angestiegen. Die Verringerung der Zahl an volljährigen Konsumenten ist also kein nennenswertes Ziel und vermutlich auch nicht unbedingt die Absicht der Ampel. Dies ließe sich bei geschätzten vier Millionen regelmäßigen Konsumenten in Deutschland – die Dunkelziffer dürfte noch deutlich höher liegen – sowieso schlecht umsetzen.
Gesundheit
Durch eine kontrollierte Ausgabe kann den Konsumierenden ein gesundheitliches Russisch-Roulette erspart werden. Die Verbraucher könnten direkt beim Kauf transparent einsehen, wie hoch der Anteil des psychoaktiven THC im Vergleich zum antipsychotischen CBD im Produkt ist und je nach Verträglichkeit und Wirkungsgrad einkaufen. Auf dem Schwarzmarkt erhält man keinerlei Angaben hierzu. Noch schlimmer: In den vergangenen Jahrzehnten lässt sich ein deutlicher Anstieg des THC-Gehalts und immer niedrigeren CBD-Wert im Schwarzmarktgras feststellen, was verheerende gesundheitliche Folgen mit sich ziehen kann. Gerade Leute mit einer genetischen Neigung zur Psychose werden bei Cannabiskonsum zu einer solchen getriggert, da der gegenwirkende Ausgleich durch das CBD meist fehlt. Durch entsprechende Regulierungen und regelmäßige Qualitätskontrollen könnte man diesem Phänomen entgegenarbeiten und vor allem den Zugang für Minderjährige zu Cannabis durch Alterskontrollen einschränken. Bei dieser Gesellschaftsgruppe ist es wichtig, den Konsum zu unterbinden, da die körperliche und geistige Entwicklung in der Pubertät maßgeblich gestört werden kann. Übrigens bei regelmäßigem Konsum jeder Droge. Egal ob Cannabis, Alkohol oder Zigaretten. Die beiden letzteren sind nachweislich sogar signifikant gesundheitsschädigender und tödlich im Gegensatz zu Cannabis. Jedes Jahr sterben weltweit etwa 3,3 Millionen Menschen an übermäßigem Alkoholkonsum und an den Folgen von Tabakrauch ungefähr sechs Millionen. Es scheint also unverhältnismäßig, hier mit zweierlei Maß zu messen. Vor allem wenn man bedenkt, dass THC seit 2018 als Therapie von gewissen Krankheiten als wirksames Medikament zugelassen ist und noch kein bestätigter Todesfall in Zusammenhang mit dem reinen Konsum davon zu verzeichnen ist. Die Dosis macht das Gift oder eben die Medizin.
Wirtschaft, Arbeit und Sicherheit
Aus Sicht der Politik dürfte das wohl der ansprechendste Punkt einer Legalisierung sein. Es könnten hohe Ausgaben in Judikative und Exekutive in der Verfolgung und Bestrafung von Konsumierenden eingespart werden und sinnvoll in anderen Bereichen wie zum Beispiel Forschung, Beratung und Aufklärung investiert werden. Das dort arbeitende Personal wäre entlastet und dürfte sich wichtigeren Angelegenheiten widmen als Suchtkranke einzubunkern. Das Prinzip der Prohibition wurde, wenn man sich mal in der Geschichte der Menschheit umblickt, ohnehin schon zu Genüge widerlegt. Zusätzlich ließen sich weitreichende medizinische Studien über Cannabis, die im Vergleich zu Alkohol und Tabak aktuell deutlich kürzer kommen, leichter und zielführender finanzieren, umsetzen und positiv auf den Verbraucherschutz anwenden.
Ebenso werden viele Arbeitsplätze durch einen neuen legalen Markt generiert und schätzungsweise 4,7 Milliarden Euro jährlich an zusätzlichen Steuereinnahmen erwartet. Der Staat könnte durch eine Legalisierung gleichzeitig die Arbeitslosigkeit weiter bekämpfen und horrende Summen Mehrwert-, Cannabis- und Einkommenssteuer eintüten, wenngleich nicht ab Tag eins der Schwarzmarkt ausgemerzt sein wird. Erst mit einem diversen Angebot und viel Konkurrenz wird die legale Ausgabe zum Platzhirsch auf dem Cannabismarkt avancieren. Versorgungs- wie auch Qualitätsstabilität könnten dann der finale, ausschlaggebende Punkt für den Gang zum Fachgeschäft anstatt zum Dealer an der Ecke werden, wodurch auch der vielartikulierte „Einstieg“ zu sehr harten Drogen unterbunden wird.
Gesellschaft
Was vielen Konsumierenden immer noch sauer aufstößt, ist die gesellschaftliche Stigmatisierung. Viele fühlen sich aufgrund ihres Konsums oder gar ihrer Suchtkrankheit – was übrigens nur etwa 10% der regelmäßigen Cannabiskonsumierenden im Gegensatz zu Alkohol (16%) und Zigaretten (32%) betrifft – gesellschaftlich ausgegrenzt, missverstanden und alleingelassen. Was ist daran so verwerflich, einen Joint zu rauchen, statt ein Feierabendbier zu trinken? Selbstverständlich birgt Cannabis seine Gefahren. Vor allem für junge Menschen in der Entwicklung und psychisch Vorbelastete ist das Risiko eines Negativeffekts nicht unter den Teppich zu kehren. Dennoch sollte man die Vorteile einer Legalisierung nicht gleich hinterher fegen.