©Till Benzin
Detektiv
Die Reifen quietschen, der Gummi qualmt. Die Ampel funkelt tiefrot. Nebensache. Die Mütze noch ein Stück tiefer ins Gesicht, der aufgeklebte Schnauzbart vereint sich mit ersten Schweißperlen. Die Zielperson jagt durch die Häuserschluchten – ihr dicht auf den Fersen der adrenalingeladene Verfolger, heiß wie ein Bluthund. Bereit, die Falle zuschnappen zu lassen. Genau so sieht der Alltag eines Detektivs nicht aus.
Gucklöcher in Zeitungen, alberne Kostümparaden und wilde Verfolgungsjagden: Alles Quatsch. „Verabschiedet euch von James Bond, Josef Matula und den Trovatos, sie vermitteln ein völlig realitätsfernes Bild“, erklärt Sebastian. „Man ermittelt niemals allein und über rote Ampeln jagen wir schon mal gar nicht. Wir gefährden weder uns noch andere Verkehrsteilnehmer!“ Der 39-Jährige aus dem Landkreis Aschaffenburg weiß, wovon er spricht. Anfang September 2015 verfolgte er zufällig eine Unterredung in einem Biergarten, in dem er als Restaurantleiter tätig war. Gesprächsfetzen, die ihn in ihren Bann zogen. Sebastian sprach die Gäste an. Es sollte sein Einstieg als Privatermittler in der Frankfurter Detektei Lentz sein.
Seitdem stimmt er sein Leben auf zu observierende Personen ab: „Hunger, Durst, Kälte – alles wird hinten angestellt“, erläutert Sebastian. Seine Hauptbeschäftigung? „Warten“, schmunzelt er, „auf den Moment, der die Lösung für den Fall bringt. Auf das eine Beweismittel schlechthin.“ Um die 70 Prozent der Aufträge der Detektei, übrigens die erste und einzige in Deutschland mit TÜV-zertifiziertem Qualitätsmanagement sowie TÜV-überprüfter Servicequalität, sind dem Firmenbereich zuzuordnen, der übrige Anteil fällt privaten Ermittlungen, Kindeswohlgefährdung, Lauschabwehr oder Abhörschutz zu. Regelmäßig lautet der Verdacht eines Arbeitsgebers „Lohnfortzahlungsbetrug im Krankheitsfall“ – denn wer krankfeiert, begeht eine Straftat. „Für einen Auftrag ist ein berechtigtes Interesse vonnöten“, so Sebastian. „Unternehmer dürfen uns ausschließlich bei einem auf Tatsachen beruhenden, konkreten Verdacht beauftragen.“ Nachdem der Mandant die nötigen Unterlagen geliefert hat, werden Vorermittlungen angestellt – getreu dem Motto: „Gut geplant ist halb ermittelt!“ Wo befindet sich das Haus der Zielperson? Wie sind die örtlichen Begebenheiten? Dann erst beginnt die diskrete Observation im Team. „Meist sind wir zu dritt oder viert unterwegs“, berichtet Sebastian, der seiner Ausbildung zum Rundfunkjournalisten sowie Luftfrachtspediteur nun noch die zum ZAD-geprüften Privatermittler (IHK) folgen lässt. „Profis observieren niemals mit zu wenigen Detektiven. Selbst einfache Straßen in kleinen Ortschaften haben doch mehrere Zu- und Abfahrtswege, die sich wiederum gabeln können. Alle müssen abgedeckt werden.“
Immer gepackt: Notfalltasche
Die Notfalltasche mit Reisepass, Handtuch, Zahnbürste und -pasta, Hemd, Krawatte, Sakko, Unter- und Wechselhose ist zu diesem Zeitpunkt längst gepackt, ebenso das nötige Equipment, darunter eine Kamera mit Objektiven, Handy, Laptop, iPad, Nachtsichtgerät sowie Wärmebildkamera. Der Clou: Brillen und Uhren mit eingebauter Videoaufzeichnungsfunktion. Diverse Kraftfahrzeuge und Observationsbusse mit verschiedenen Ortskennzeichen warten auf Zündung. Sein wichtigstes Werkzeug sind allerdings seine Augen. Ein objektiver Blick, der der professionellen Wahrheitsfindung dient, ohne die menschliche Komponente eines Auftrags aus den Augen zu verlieren. Und dann startet die Mission, die Sebastian und seine Kollegen durch ganz Deutschland, Europa und sogar bis über den großen Teich bringen kann. Die Lentz & Co. GmbH, 1995 in Nidderau gegründet und noch immer inhabergeführt, ist weltweit ohne Subunternehmer, dafür ausschließlich mit festangestellten Detektiven tätig. Wenn der skrupellose Blaumacher nämlich die Ski in den Kofferraum bugsiert anstatt das Bett zu hüten, können Privatermittler nicht lange fackeln. Es gilt, sich unauffällig an die Fersen des Reisenden zu heften. Und da kommt es schon mal vor, dass der Weg in mondäne Wintersportorte führt. Dort nächtigt der Detektiv dann (notgedrungen) auch in noblen Herbergen, um die Zielperson keine Sekunde aus den Augen zu verlieren. „Erledigt ist ein Job beispielsweise dann, wenn wir dem Auftraggeber, in diesem Fall dem Chef, Bildmaterial zukommen lassen können, das eindeutig belegt, dass der Krankgeschriebene über die Pisten flitzt“, erklärt Sebastian und fügt lachend hinzu: „Wenn es dafür notwendig ist, dass wir Ski fahren, fahren wir eben Ski!“
Auftrag erfüllt – Zeit, die Füßchen hoch zu legen? Mitnichten. Der Tätigkeitsbericht will verfasst werden, der schon während des gesamten Tages minutiös auf Diktiergerät festgehalten wurde. Grundsätzlich arbeiten Detektive, die stressresistent, psychisch und physisch belastbar sein sollten, selbstverständlich ergebnisoffen, es wird gleichermaßen Be- wie Entlastendes dokumentiert. Im Streitfall muss später vor Gericht jedoch alles hieb- und stichfest belegbar sein. Eigene Justiziare prüfen im Hause Lentz die Berichte auf rechtlichen Bestand. Feierabend? Noch immer nicht. Akkus wollen geladen, Einsatzfahrzeuge getankt oder ausgetauscht werden. Oftmals erfolgt auch noch eine Lagebesprechung für den folgenden Tag.
Verdacht: eheliche Untreue
An diesem ist Sebastian samt Kollegen vielleicht schon in Sachen Unterhaltsbetrug oder Verdacht auf eheliche Untreue unterwegs. Dann lautet das Ziel: Erbringung eines gerichtlich verwertbaren Nachweises für gemeinsames Wirtschaften. Will heißen: Der/die Expartner/in lebt längst in einer neuen Beziehung, lässt den/die Verflossene/n aber weiterhin blechen. Ohne die monetäre Ebene kann den Auftraggeber aber auch die Frage quälen, ob der Partner eine Affäre pflegt. „Mandate, die Klarheit bei Untreue bringen sollen, gehören seit jeher zu den Haupteinsatzgebieten von Detektiven“, erläutert Marcus Lentz, Geschäftsführer der Detektei. Rund 1.000 Fälle habe er diesbezüglich pro Jahr. Weihnachtsfeiern, Silvesterpartys oder der närrische Karneval böten reizvolle Gelegenheiten zum Fremdgehen. „Die lockere Atmosphäre und das ein oder andere Glas Alkohol lassen die Hemmschwellen sinken“, weiß Lentz.
Von stümperhaftem Nachspionieren kann er nur dringend abraten: „Laienhafte Alleingänge sind selten von Erfolg gekrönt. Das Risiko, entdeckt zu werden, ist viel zu hoch. Sollte sich der Verdacht dann noch als unbegründet herausstellen, ist das Vertrauen dahin und eine Trennung wahrscheinlich.“ Zudem besteht die Gefahr, gesetzliche Grenzen zu überschreiten und sich strafbar zu machen. „Übrigens dürfen auch wir keine Telefone abhören oder unzulässige Tracking Tools verwenden, Briefkästen durchforsten oder gar in fremde Wohnungen einsteigen“, erklärt der Chefermittler. Die „Erfolgsquote“ seines Teams läge bei vermuteter Untreue bei 83 Prozent – auch wenn man das natürlich nur in professioneller Hinsicht als Erfolg verbuchen könne. „Menschlich gesehen sind uns die übrigen 17 Prozent natürlich lieber!“
* Name von der Redaktion geändert