Wes Anderson meldet sich mit einer düsteren, schwarzhumorigen Spionagekomödie zurück. Erzählt wird die Geschichte einer zerrütteten Vater-Tochter-Beziehung vor dem Hintergrund eines geheimnisvollen Familienunternehmens, das mehr mit Täuschung als mit Treue arbeitet. Auf der Besetzungsliste stehen unter anderem Benicio del Toro, Mia Threapleton, Michael Cera, Riz Ahmed, Scarlett Johansson, Tom Hanks, Benedict Cumberbatch und Bryan Cranston – ein Ensemble zwischen Indie und Oscars.
Man stelle sich vor: „Tinker Tailor Soldier Spy“, aber in Bonbonfarben. „The Grand Budapest Hotel“, aber mit Wanzen im Zuckerdöschen. Mit „Der phönizische Meisterstreich“ wagt sich Wes Anderson in neue Gefilde, zumindest narrativ. Die Tonlage ist dunkler, der Plot komplexer, die Dialoge dichter. Und doch erkennt man sofort, das ist ein Anderson-Film. Jedes Bild sitzt. Jede Figur ist skurril, doch nie lächerlich. Thematisch wagt sich Anderson diesmal tief hinein ins Dickicht moralischer Uneindeutigkeiten. Wo endet Pflicht? Wo beginnt Verrat? Und ist Familie eigentlich ein Hafen – oder doch nur der erste Ort, an dem man lernt, sich zu hüten?

© Universal Pictures
Der phönizische Meisterstreich
Im Mittelpunkt steht Zsa-Zsa Korda, gespielt von Benicio del Toro, ein Mann mit zu vielen Pässen und noch mehr Schuldgefühlen. Er ist ein milliardenschwerer Industrieller mit schillernder Vergangenheit in der Rüstungs- und Luftfahrtbranche, und gründet ein mysteriöses neues Unternehmen – was prompt eine Kettenreaktion der Gefahren auslöst. Zwischen Tycoons mit finsteren Motiven, internationalen Terrorzellen und professionellen Attentätern mit Stil gerät Korda ins Kreuzfeuer der globalen Machtspiele. In einem letzten, womöglich verzweifelten Akt der Selbsterlösung setzt er seine einzige Tochter Liesl, gespielt von Mia Threapleton, als Alleinerbin seines Imperiums ein. Sie verfolgt eigene Pläne – sowohl emotional als auch strategisch. Was folgt, ist eine filmische Schachpartie mit familiärem Unterton, in der sich Loyalitäten verschieben wie Kulissen auf einer Bühne.
Gedreht wurde zwischen März und Juni 2024 in den legendären Babelsberg Studios. Die historische Kulisse passt zur retrofuturistischen Ästhetik des Films. Kameramann Bruno Delbonnel (u. a. „Die fabelhafte Welt der Amélie“, „The Darkest Hour“) feiert hier seine erste Zusammenarbeit mit Anderson und filmt, ganz puristisch, auf 35mm. Das Ergebnis ist visuell brillant, mit Licht- und Schattenspielen, die das moralische Graufeld der Geschichte kongenial spiegeln. Der Cast ist ein Kaleidoskop des Who’s Who des Gegenwartkinos. Michael Cera als Bjorn Lund gibt den nervösschrägen Analysten, Riz Ahmed glänzt als eleganter Prince Farouk mit doppeltem Spiel, während Scarlett Johansson als Cousine Hilda in kunstvoll formulierten Sätzen ganze Beziehungen zerstört. Tom Hanks zeigt erneut, wie gut ihm das Spiel mit Abgründigkeit steht – als Leland, Strippenzieher mit väterlicher Maske. Und dann wäre da noch Benedict Cumberbatch als exzentrischer Onkel, der vermutlich schon beim Frühstück seine Agenda im Versmaß vorträgt.
Es ist Andersons bisher ambitioniertester Film – ein mit Verve inszeniertes Spionagemosaik zwischen Melancholie und Metakomik. Und wer dachte, Wes Anderson hätte sich längst selbst parodiert – der sollte sein Urteil neu verhandeln.