
BANDBESPRECHUNG 04|2012: MELTED MOON
Der nachfolgende Text ist für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet. Ausschluss? Gewiss nicht. Doch dieses Stück Erinnerung gehört uns. Damals, Weihnachten in den 90ern. Diese Verpackung. Dieser graue Kasten, die noch graueren Kassetten. Und dieses Gedudel. Leuchtende Augen, die immer quadratischer wurden. Dem Game Boy sei Dank. Einige huldigen dieser Zeit gar mit elektronischer Musik: der Game-Boy-Musik oder auch 8-Bit-Musik genannt. Auch Matthias Mai (24) und Stefan Möhrlein (20) sind den kultigen Piepstönen verfallen. Mai kreiert seit 2006 minimalistisch-elektronische Tanzmusik. Drei Jahre später wurde auch Möhrlein vom Game-Boy-Fieber infiziert. „Es ist eben so, dass wir beide mit Game-Boy und Super Nintendo aufgewachsen sind. Die Konsole war damals immer und überall dabei. Ich habe als Kind schon die Musik von Super Mario laut gedreht“, lacht Mai. Bereits Mitte der 90er begann der Kult um die limitierte Dudelei in Form von ersten Soundtüftlern.
Heute integrieren auch namhafte DJs und Musiker Hommagen an jene Zeit in ihre Musik. Ob im kurzweiligen Subgenre „Nintendo-Core“ oder in der virtuosen Darbietung von Spielemelodien innerhalb der klassischen Musik. Doch so simpel sich der Spaß in der Theorie anhört. Für die Praxis benötigt man neben dem gewissen Nerdfaktor auch technisches Wissen, um mit der Handheld-Konsole überhaupt Musik produzieren zu können. Die Jungs listen auf: Einen alten Game Boy (in Fachkreisen auch als DMG-01 bekannt), eine flashbare Cartridge, auf die man spezielle Tracker (Musikprogramme) schreiben muss, technisches und musikalisches Know-How. Für den Live-Auftritt nicht wegzudenken: ein Pro-Sound-Ausgang für bessere Höhen und Tiefen im Livesound – und ganz wichtig: eine Hintergrundbeleuchtung des Displays. Wer sich darunter so gar nichts vorstellen kann, dem sei ein Exkurs in Sachen Game-Boy-Manie auf der Homepage der beiden empfohlen.
Doch obwohl die Elektronikfrickler mittlerweile über genügend Professionalität und Wissen in dieser Musik verfügen, bleiben sie ihrem Outsider-Genre treu. Mai: „Wir wollen diesen ,Klang‘ nicht aussterben lassen. Er bleibt unverwechselbar. Sicherlich ist das alles heutzutage leichter am Computer zu machen, aber wir bleiben der Hardware treu. Unsere Devise lautet: keine Laptop-Elektronik.“ Umso erfreulicher ist es für die Generation Nintendo, wenn sie Melted Moon auf einem ihrer seltenen Live-Auftritte erleben dürfen. Es bleibt ein Stück Kindheit, was da an Nostalgie aus den Boxen schallt. Wer schon immer so viel futtern wollte wie Kirby, mehr Zeit mit Donkey Kong verbrachte, als mit seinen Freunden oder heimlich in Prinzessin Peach verliebt war, bekommt sicher glasige Augen. Das Ziel des Duos ist definiert: „Wir freuen uns, wenn wir den Leuten mit unserer speziellen Musik ein Lächeln ins Gesicht zaubern können. Es sind eben die Töne unserer Kindheit.“