Ich erinnere mich noch genau an meinen ersten ehrfürchtigen Besuch im Banana Boot. Sommeranfang, ein Samstagnachmittag irgendwann Anfang der 2000er-Jahre. Große Vorfreude auf einen langen Sommer voller Festivals, Trips mit Freunden und gemeinsames Abhängen.
Ab in die weite Welt. Das Leben aufsaugen! Und: Der erste Besuch im Banana Boot. Der einst sagenumwobene Laden in der Riesengasse. Ältere und Eingeweihte gingen ein und aus, vollbepackt mit neuen Sachen, die das Leben schöner machen: Schallplatten, CDs, Buttons und Patches. Auch für die lokale Musikszene gab es eigene Fächer, was eine Relevanz für lokale Helden mitbrachte. Es roch modrig, aber das Flair des Ladens vermittelte das Gefühl von Angekommensein. Politische Bücher, Flyer und Fanzines gab es zuhauf. Es war die Zeit der gedruckten Musikzeitschriften und vor allem der Band-Merchandise waren für einen 16-Jährigen, der sein mühsam zusammengespartes Geld am Allerliebsten für Musikprodukte ausgab, ein Eldorado. Bereits damals thronte Marcus Föller hinter dem Steuer seines Bootes, immer für ein Schwätzchen parat, immer für einen Ratschlag und Musiktipp bereit.

© Till Benzin
Banana Boot
Musiker drückten sich die Türklinke in die Hand. Neuster Tratsch wurde ausgetauscht, brandheiße Musik empfohlen, Gigs und Veranstaltungen organisiert. Nach und nach wurde mir bewusst, dass das Banana Boot nicht nur ein Laden für Kram, Kleidung und Musikfreaks war, sondern ein Treffpunkt der Alternativszene. Das ist bis heute so: Marcus Föller ist Gallionsfigur und das Gesicht des Ladens mit gleichnamigen Webshop. Der Grundgedanke basiert auf einer WG-Feier Mitte der 90er, bei der der Wunsch aufkam, die Stadt mit einem Second-Hand-Store „aufzuwerten“ – dass es dann trotz Höhen und Tiefen stolze 25 Jahre geworden sind, das hätte niemand aus dem Gründungsteam gedacht. Allen voran Föller: „Ich muss nach wie vor schmunzeln. Geplant hatte ich das definitiv nicht.“ Ältere werden sich erinnern, dass der erste Laden einen Standort am Dalberg hatte. Dort blieb er einige Jahre, bis er für kurze Zeit in der Entengasse eine Ladenfläche bezog. In der Riesengasse war das Banana Boot von 1999 bis Mitte der 00er die Heimat für alle, die sich im sogenannten Mainstream nicht zuhause fühlten. „Es ging uns immer um den Weiterverkauf von Dingen. Nachhaltigkeit war und ist natürlich noch immer ein wichtiger Punkt, aber was heute mit hippen Großstadtläden, die Second-Hand anbieten gang und gäbe ist, war früher noch ein Experiment. Wirtschaftlichkeit stand primär nicht zwingend im Fokus.“

© Till Benzin
Banana Boot
Bis zu sechs Menschen arbeiteten für das Geschäft, aus dem Gründerkreis wurde für einige Jahre nach einem Umzug ein zweiter Standort in Berlin-Friedrichshain eröffnet. Föller stand unterstützend zur Seite. Es folgte die erste Web-Präsenz und die Sortimenterweiterung für einen Online-Shop. Als es Föller und seinem Team zu viel wurde, da der Laden immer nur ein zweites Standbein war, wurde das Geschäft 2009 mit einer legendären Abschiedssause geschlossen.
Der darauffolgende Standort im Brentano-Viertel wurde dann knapp zehn Jahre als Lagerfläche genutzt, bevor 2020 die offizielle Wiederöffnung als Szenetreffpunkt und Shop in der Weißenburger-Straße 56 in einem Hinterhaus bezogen wurde. Das „Kaufhaus für Alternativkultur“ öffnet inzwischen einmal die Woche, immer samstags von 11 bis 18 Uhr, und vereint das Lebensgefühl, wie es viele aus ihrer Jugendzeit kennen. Föller erklärt, wie sich die Kundschaft in all den Jahren veränderte: „Tatsächlich sind es noch immer viele Stammkunden, die den Laden von früher kennen. Es sind mittlerweile viele Eltern, die ihre Kinder mitbringen und ihnen zeigen, dass es noch immer Orte für Gleichgesinnte, gelebte Solidarität und Identitätsfindung gibt. Es kommen aber auch schon seit längerem wieder Schüler und Schülerinnen zu uns, die den Vorplatz des Banana Boot als Treffpunkt aufsuchen. Darunter Gruppierungen wie Fridays For Future, der Verein Seebrücke, der Hannebambel-Freundeskreis, die KOMMZ-Gruppe oder generell junge Menschen, die ein politisches Bewusstsein für gesellschaftliches Engagement entwickeln und sich hier kennenlernen. Der Hof ist offen für alle. Ob zweckgebunden oder privat für einen Kaffee mit Schwätzchen.“ Als Vater und hauptberuflicher Sozialarbeiter, bleibt aber nicht mehr viel Zeit für das Engagement, das er in jungen Jahren leisten konnte. Föller plädiert an die nächste Generation, im Laden vorbeizukommen, das Zepter in die Hand zu nehmen und sich den vielen Aktionsbündnissen der Stadt anzuschließen. „Orte wie das Banana Boot sind als Szene-Treffpunkte wichtig. Man spürt leider erst, dass sie fehlen, wenn sie weg sind.“ Natürlich will er weitermachen. Die Leidenschaft, die Verbundenheit mit der Stadt sowie das aktive Mitgestalten sind, was Föllers Leben schon immer ausgefüllt haben. Im Sommer fand zum 25-jährigen Jubiläum die große Hofparty mit vielen regionalen Bands und BBQ statt. Föller würde das gerne regelmäßig initiieren, aber die Rücksicht auf die Anwohner und die gute Beziehung zu ihnen stehen im Vordergrund.

© Till Benzin
Banana Boot
Vielmehr Sorgen bereitet ihm aber die rechte Sympathiewelle und die Querdenker-Szene, die in diesem Jahr Aschaffenburg mit allerlei negativen Schlagzeilen versorgt hat. „Verschwörungstheoretiker und braunen Sumpf gab es schon immer. Was sich mittlerweile allerdings in der Mitte der Gesellschaft mobilisiert hat, finde ich erschreckend. Man läuft auf Demos gegen die Regierung oder die Vielfalt der Stadt mit einschlägig bekannten Neonazis mit – das hat durchaus eine neue Qualität.“
Das Banana Boot wird daher immer mit einem bestimmten Lebensgefühl und einer wohligen Nostalgie verbunden sein. Es sind schließlich die Jugendjahre, in denen wir den Geist mit Inhalt formen, den Charakter festigen und ein politisches sowie gesellschaftliches Bewusstsein erlernen, das weltoffen, tolerant und sozial engagiert ist. Dafür an dieser Stelle: „Danke“ und „Weiter so“!