© Till Benzin
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Auch auf die Gefahr hin, dass wir uns wiederholen: Samstags ist Bus- und Bahnfahren in Aschaffenburg kostenlos. Ohne wenn und aber – man muss eben nur darauf achten, das Stadtgebiet nicht zu verlassen. Manchmal ist das etwas tricky, bei manchen Buslinien kann man aber nichts falsch machen. Sie enden noch innerhalb der Stadtgrenzen. Wer sich also nach einem durchfeierten Freitagabend einfach einmal gemütlich vom Bus in den Schlaf surren und schaukeln lassen möchte, könnte auch den ganzen Samstag einfach sitzen bleiben. So zum Beispiel in Linie 4, die wir heute in unserer Serie vorstellen.
Linie 4 startet – wie alle Busse – am ROB neben dem Hauptbahnhof. Ab 6.30 bis 21.30 Uhr fährt der Bus immer zur vollen und zur halben Stunde zu unserem heutigen Dead End: Die Endstation Aumühlstraße in Schweinheim. Und natürlich auch wieder zurück! Die Fahrt führt entlang der Schweinheimer Straße an den Haltestellen Südbahnbrücke und Taunusstraße bis zur Schweinheimer Höhe. Weiter geht es einmal durch Schweinheim durch und dann in die Ebersbacher Straße durchs Wohngebiet. Kurz vor dem Ortsende fahren wir links in die Straße „Am Herbigsbach“, an deren Ende kurz vor dem Kreisel die Endstation auf uns wartet.
Okay. Da sind wir nun. Aumühlstraße. Nach 16 Minuten Fahrt raus aus der Stadt und rein in die ländliche Idylle. Ist jetzt erst mal nicht so spannend. Nix gegen Schweinheim, aber ein Sightseeing mit tollen Bauwerken und gemütlichem Schlendern über die große Innenstadtpromenade kommt hier jetzt eher nicht in Frage. Keine historischen Monumente in Sicht, kein UNESCO-Welterbe – nur Schweinheim. Also machen wir dieses Mal was anderes: Heute gehen wir rein in die Natur und schlagen euch eine schöne Wanderung vor. Sie ist etwa 7,5 Kilometer lang, dauert etwa zwei Stunden und handelt von Wildpferden, Kreuzigungen, Naturschutzgebieten und zum Abschluss gibt es dann doch noch eine Sehenswürdigkeit – die Schweinheimer Kirche.
Kirche_Maria_Geburt_Schweinheim
Heute gibt es also mal eine klassische Wandertourenbeschreibung: Wir laufen zum Kreisel, dann geht es recht steil auf der engen Straße bergauf und am Ortsausgangsschild von Aschaffenburg vorbei. Nach wenigen Schritten haben wir das bebaute Gebiet verlassen und spazieren durchs Grüne. Laubbäume, Felder, Streuobstwiesen, Büsche – ein herrliches Kontrastprogramm zur Stadt. Bald queren wir den Reiterweg und weiter geht es auf Asphalt gerade aus. Wer jetzt schon Schwäche zeigt oder hausgemachte italienische Köstlichkeiten im Biergarten einer Wanderung vorzieht, dem sei die Trattoria del Sole rechterhand empfohlen.
Wir bleiben standhaft und laufen weiter. Nach weiteren 300 Metern taucht linkerhand ein kleines gelbes Häuschen auf. Hier biegen wir bei der Markierung „roter Schmetterling“ rechts ab in den engen Pfad durch urwaldähnliches Buschwerk hindurch. Nach etwa 100 Meter geht’s kurz links und dann gleich wieder rechts und schon befinden wir uns am Rande der „Exe“. Hier auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz wurde ein Naturschutzgebiet eingerichtet. Seit einigen Jahren grasen hier Urwildpferde.
Mit etwas Glück lassen sich die Wildpferde beim ungestümen Galoppieren über die unendlichen Weiten der Prärie beobachten. Die Sonne brennt. Die Hufe lassen Staubwolken über die gnadenlose und gottverdammte Ödnis schweben, als wären es die Geister der Rothäute. Die eigenen ewigen Jagdgründe sind zum Greifen nah, die Komantschen können hinter jeder Ecke lauern und auch Pistolen-Paul und seine Jungs sollen hier erst vor wenigen Tagen durchgeritten sein. Ob mein Blutsbruder hier wieder irgendwo auf der Lauer liegt … äh, ach ja, wir waren ja noch auf der Wanderung im 21. Jahrhundert …
Also, auf jeden Fall kann man hier nicht nur beim Anblick von Wildpferden ins Träumen geraten, sondern sich auch auf diversen Infotafeln und Aussichtsplattformen über die Tiere und das Naturschutzprojekt informieren (und sich gerne auch an der Aussprache versuchen: Die Rösser heißen Przewalski-Pferde).
Drei_Kreuze
Nach einem knappen Kilometer leicht bergab entlang des Holzzaunes queren wir dann beim Parkplatz die kleine Straße und den Radweg und laufen geradeaus in den erdigen Feldweg hinein. Nach etwa 400 Metern bergauf treffen wir dann auf den europäischen Kulturweg „Schweinheimer Passion“. Ab jetzt folgen wir dem blauen Markierungszeichen mit dem gelben EU-Schiffchen. Hier geht es links und dann etwa zweieinhalb Kilometer auf der Tour bis zur Kreuzigung. Dabei kommt man an herrlichen Aussichten vorbei, kann einen Abstecher zum jüdischen Friedhof machen, spaziert am sonnigen Waldrand entlang bis dann nach einem Stück durch den Wald der Höhepunkt erreicht wird: Die drei Kreuze von Schweinheim auf dem Sternberg. Hier genießt man einen tollen Blick nicht nur auf die Stadt. Ein magischer Ort voller Geschichte und Geschichten von Passionspielen, Kriegsgefangenen und Weltkriegsdramen.
Jetzt kommt der Abstieg zurück nach Schweinheim. Dabei kommen wir noch an der Station Ruhstock vorbei, wo die Bäuerinnen einst auf dem Rückweg aus dem Wald oder von der Wiese eine Pause eingelegt haben. Danach geht es durch Streuobstwiesen auf der Straße bis zur Station Hensbach. Hier lernen wir etwas über Mühlen und Weinbau(!) in den letzten Jahrhunderten in Schweinheim.
Wir spazieren dann immer noch auf dem Kulturweg durch Schweinheim und kommen ins Zentrum mit der unübersehbaren Kirche Maria Geburt. Der Innenraum des Baus aus dem Jahr 1894 war früher stark bemalt. Die jüngste Umgestaltung 1999 setzte dann voll auf die „Purifizierung“, was zu dem schmucklosen Raum geführt hat, der ganz auf die Aufgabe des Gottesdienstes konzentriert ist. Gerne zitieren wir hier zum Abschluss die entsprechenden Zeilen aus dem Netz dazu: „Das Ergebnis ist ein spannendes Raumerlebnis, das in seiner Konsequenz dazu auffordert, sich bei jedem neuen Betreten der Kirche neu zu formieren - und möglichst nicht immer wieder an einen gewohnten Platz zurückzukehren. Das Sich-Infrage-Stellen und einen festen Platz – in der Kirche oder in der Gesellschaft - zu finden, ist in der Tat eine der großen Herausforderungen unserer Zeit.“ Da schweigen wir lieber, aber nicht ohne als Abschluss zur Wanderung das Eiscafé San Marco ein paar Schritte weiter unten zu empfehlen. Gegenüber der Eisdiele ist die Bushaltestelle Hensbachstraße, von wo aus es jede halbe Stunde jeweils um 23 und 53 bis kurz vor 9 mit der Linie 4 zurück in die Innenstadt geht.