Man muss wahrlich kein Meisterstratege sein, um festhalten zu können, dass sich der Feldherr im Kreml alles anders vorgestellt hat. Schnell völkerrechtswidrig rein da, den kleinen Nachbarn in Windeseile völlig überrollen, die Städte und das Leben der Ukrainer kaputt machen und sich alles grapschen. Den Aufschrei in aller Welt kurz aushalten, schließlich würde auch dieser relativ schnell wieder verstummen. Siehe Krim.
Eine Fehlkalkulation. Mit dem grausamen Effekt, dass das Leiden der ukrainischen Zivilbevölkerung mit jedem weiteren Kriegstag zunimmt, Menschen sterben, Familien auseinandergerissen und in die Flucht getrieben werden.
Schon kurz nach Ausbruch des Krieges kamen die ersten Flüchtlinge nach Deutschland, auch in Aschaffenburg sind Ukrainer, überwiegend Frauen und Kinder, auf der Suche nach Schutz und Sicherheit angekommen. Die Stadt hat in der Schweinheimer Erbighalle sowie auf dem ehemaligen Impress-Gelände in Damm zwei Notunterkünfte geschaffen, um den traumatisierten Menschen aus dem Kriegsgebiet einen ersten Zufluchtsort zu ermöglichen. Darüber hinaus gilt es natürlich, den Geflüchteten auch über die erste Anlaufstelle hinaus ein Dach über dem Kopf bieten zu können.
Hauptverantwortlich für die Organisation und die Abwicklung dieser Mammutaufgabe ist Bürgermeister Eric Leiderer, der gemeinsam mit einem tatkräftigen Team koordiniert, betreut, plant und hilft. Und das sieben Tage in der Woche, rund um die Uhr. Zurückgreifen können die Stadt und Bürgermeister Leiderer dabei auf motivierte Helfende von Feuerwehr, THW, dem Malteser Hilfsdienst und der Diakonie, sowie auf eine starke Truppe aus ehrenamtlichen Organisationen wie dem „ONE DAY e. V.“ und der Initiative „Wir für Aschaffenburg“.

© Till Benzin
Erbighalle
Herausforderungen & Perspektiven
Sie alle stehen mit der Aufgabe, den inzwischen knapp 900 geflüchteten Ukrainer in Aschaffenburg zielgerichtet helfen zu können, dabei auch tagtäglich vor neuen Herausforderungen, die es mit Geschick, Herzblut, Engagement und einer großen Portion Menschlichkeit zu bewältigen gilt. Denn ursprünglich war die Erbighalle nur als reine Notunterkunft in Form einer Durchlaufstelle gedacht, die den Hilfesuchenden für wenige Tage Obdach geben sollte bis diese in Wohnungen oder anderweitigen Unterkünften untergebracht werden können. Leider gestaltet sich die Suche nach passgenauen Wohnmöglichkeiten für die Familien jedoch insgesamt schwieriger als erhofft, weshalb die durchschnittliche Verweildauer der Kriegsflüchtlinge in der Notunterkunft mittlerweile auf vier bis sechs Wochen angewachsen ist. Insgesamt bewohnten Ende Mai noch circa 125 Personen die Halle in Schweinheim, die für insgesamt 150 Personen ausgelegt ist. In der dezentralen Unterkunft auf dem ehemaligen Impress-Gelände leben zudem rund 60 ukrainische Flüchtlinge.
Dabei achten die Aschaffenburger Helfer auch in der Notunterkunft darauf, den Menschen aus dem Kriegsgebiet trotz aller Nüchternheit der großen Halle so viel Privatsphäre wie möglich zu geben: Die abgeteilten Parzellen, die maximal vier Erwachsenen und zwei Kindern Platz bieten, werden nach Möglichkeit so belegt, dass Familien beisammenbleiben können und in dieser Hinsicht keinen weiteren Stresssituationen ausgesetzt werden. Um dies zu erreichen, hat Bürgermeister Eric Leiderer zum Beispiel auch unbürokratisch eine eigens aufgestellte Regel gekippt: Seitdem er die Verzweiflung einer alten Dame gesehen hat, die sich aufgrund des geltenden Haustierverbotes von ihrem Hund trennen sollte, dürfen Vierbeiner bei ihren Herrchen bleiben, sofern sie keine Gefahr für die weiteren Mitbewohner darstellen.

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Erbighalle
Personelle Unterstützung & Versorgung
Aber auch darüber hinaus kümmern sich die helfenden Personen aus Aschaffenburg um zahlreiche weitere Dinge, wie zu allererst einmal die Sicherstellung der Verpflegung, regelmäßige Coronatests, eine zielgerichtete Asyl- und Sozialberatung, die ärztliche Versorgung über verschiedene Hausärzte sowie einen Kinderarzt, eine Kinderpsychologin und die Ausstattung mit Kleidung. Letzteres wird direkt vor der Erbighalle durch die Diakonie geleistet. Ein entsprechender Sicherheitsdienst sorgt für die geregelten Abläufe vor Ort – und stellt darüber hinaus, wie alle anderen Helfer, oft genug ein offenes Ohr und eine Schulter zum Anlehnen für die kriegstraumatisierten Menschen aus der Ukraine zur Verfügung.
Denn ein grundsätzliches Ziel hat die schnelle Hilfe in Aschaffenburg zudem noch: Personen, die vor Zerstörung, Krieg und Gewalt geflohen sind, das Vertrauen in die Menschlichkeit wieder zu geben. Ganz besonders gilt das natürlich für die Kinder, die wie immer das schwächste und unschuldigste Glied in dieser ganzen Kette aus persönlichen Tragödien darstellen. Für sie werden beispielsweise Möglichkeiten organisiert, Deutsch- und Malkurse – angeboten von den ehrenamtlichen Organisationen „Wir für Aschaffenburg“ sowie „ONE DAY e V.“ – zu besuchen, Spielangebote zu nutzen oder an Ausflügen teilzunehmen.
Parallel dazu haben die Helfer alle Hände voll damit zu tun, die großzügigen Sachspenden der Aschaffenburger Mitbürger zu sortieren und möglichst gerecht unter den Flüchtlingen aufzuteilen sowie gezielte Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Dazu gehören unter anderem die Antworten auf Fragen zum Gesundheitssystem, der Jobsuche oder der Schulanmeldung für die Kinder. Oder aber auch immer häufiger die Antwort auf die Frage, was sie tun müssen um wieder zurück in ihre Heimat zu können.
Wahrlich eine herausfordernde Aufgabe, der sich die haupt- und ehrenamtlichen Helfer in unserer Stadt da stellen. Aber laut Eric Leiderer auch eine schöne, wenn man sie mit so viel Dankbarkeit der Kriegsflüchtlinge erwidert bekommt. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle auch von uns!

© Till Benzin
Erbighalle
Wie kann man als Privatperson helfen?
Laut Angaben der Stadt Aschaffenburg sind Spenden von Kleidung und gebrauchten Spielsachen absolut ausreichend vorhanden.
Dringend wird jedoch nach wie vor privat angebotener Wohnraum benötigt. Über die Homepage der Stadt Aschaffenburg gemeldet und einer Prüfung auf Eignung unterzogen werden. Darüber hinaus sind Geldspenden stets willkommen, da mit ihnen Dinge angeschafft werden können, die nicht staatlich finanziert werden. Hierzu zählen unter anderem Schulsachen, Schulranzen, Mäppchen und Stifte.